Lösungssuche für steigende Prämien in Berufshaftpflicht für Hebammen
Hebammen müssen in der Berufshaftpflicht seit langem steigende Beiträge hinnehmen. Bisher hatte sich die Bundesregierung aus europarechtlichen Gründen gegen Maßnahmen entschieden, die zu einer möglichen Eindämmung der Beitragserhöhungen führen könnten. Eine interministerielle Arbeitsgruppe nimmt sich der Problematik an, teilte der Bundestag vergangenen Freitag mit.
Bündnis 90/die Grünen hatten die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass insbesondere freiberufliche Hebammen weiterhin mit Beitragssteigerungen in ihrer Berufshaftpflichtversicherung leben müssten. Diese Situation habe sich - trotz inzwischen abgeschlossener Honorarverhandlungen mit den gesetzlichen Krankenkassen - nicht grundlegend geändert.
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Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Versicherer von Hebammen überteuerte Beiträge fordern. Vielmehr sei nach Kenntnis der Regierung für die höheren Prämien „ein deutlicher Anstieg der Leistungen je Versicherungsfall ursächlich“, heißt es in der Mitteilung des Bundestages.
Die Initiative „Hebammen für Deutschland e.V.“ berichtet von einem Prämienanstieg in 2010 von 55,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Vergütung war diesen Verhältnissen zu diesem Zeitpunkt nicht angepasst.
Medizinischer Fortschritt als Versicherungsrisiko
Das Risiko, das Hebammen für Geburtshilfe tragen, ist enorm: Aus finanzieller Sicht kommen für ein von Geburt an geschädigtes Kind nur in den seltensten Fällen geringfügige Schäden zustande. So erklärt sich der Anstieg der Versicherungsbeiträge vor allem durch die exorbitant gestiegenen Kosten für Personenschäden. Dies ist auch der Fall, obwohl die Häufigkeit der Schadenfälle mit dem medizinischen Fortschritt in der Geburtshilfe abnehmen. Grundsätzlich nehmen durch diesen jedoch die Heil- und Pflegekosten zu, Behandlungen nach Komplikationen sind aufwendiger und methodenreich. Bei oft jahrzehntelangem Aufwand für Pflege, Medikamente und Therapie, sozialer Versorgung und (lebenslanger) Einkommenssicherung der Geschädigten können leicht Beträge in Millionenhöhe zusammenkommen.
Natürlich bringt der medizinische Fortschritt erfreulicherweise mit sich, dass die Lebenserwartung der durch Geburtshilfe geschädigten Kinder gestiegen ist. Zugleich bedeutet dies aber eben höhere Pflegekosten. Kranken- und Pflegekassen lassen sich immer häufiger von den Haftpflichtversicherern all diese Kosten ersetzen, erklärte der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) auf Anfrage von Versicherungsbote.
Ein Beispiel für die Zunahme der Kosten im Schadenfall liefert die Deutsche Ärzteversicherung: Bei der Geburt kommt es durch einen Fehler des Gynäkologen zur kurzzeitigen Unterversorgung mit Sauerstoff des Kindes, was zu einer körperlichen und geistigen Behinderung führt. Die Eltern müssen künftig ganztägig Pflege leisten. Im Jahr 1998 beliefen sich die Kosten im Schadenfall auf 340.000 Euro, zehn Jahre später zahlt der Versicherer 2.885.000 Euro. Allein an Schmerzensgeld werden 1998 75.000, in 2008 500.000 Euro gezahlt. Zahlungen für Heimpflege, Rentenbeiträge der Pflegepersonen und der Verdienstschaden des Kindes wurden 1998 noch gar nicht erstattet.
Wegen der kontinuierlichen Schadenentwicklung ist die jährliche Steigerung der Beiträge weiterhin möglich. Nach Ansicht des GDV könnten Beitragssteigerungen eingedämmt werden, wenn die Träger der gesetzlichen Krankenkassen ihre Regressforderungen reduzieren. Auch Bündnis 90/die Grünen hatten die Begrenzung des Regresses vorgeschlagen. Daneben gab es die Idee, die GKV direkt an Haftpflichtprämien für freiberufliche Hebammen zu beteiligen, den Bund und Länder zur Finanzierung heranzuziehen oder dies über Steuermittel (Haftungsfonds) zu gewährleisten. Auch eine fallbezogene Haftpflicht, die Verkürzung der Verjährungsfristen und die Einführung von Haftungshöchstgrenzen sind im Gespräch.
Arbeitsgruppe „Versorgung mit Hebammenhilfe“
Der Beitragsanstieg stellt für Hebammen, insbesondere für die in der Geburtenhilfe tätigen, „eine nicht unerhebliche finanzielle Belastung“ dar, erkennt die Bundesregierung an. So befasst sich eine Arbeitsgruppe künftig mit einer Lösungssuche. Neben einzelnen Bundesministerien sind auch Deutscher Hebammenverband e.V., Bund freibruflicher Hebammen Deutschlands e.V., Deutscher Fachverband für Hausgeburtshilfe e. V., Initiative „Hebammen für Deutschland e. V.“, Netzwerk der Geburtshäuser e. V., GKV-Spitzenverband sowie GDV beteiligt. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften werden zu einzelnen Fragestellungen herangezogen.
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Die Arbeitsgruppe wird, neben der Berufshaftpflicht, über die Versorgungsstruktur und angemessene Vergütung, das Tätigkeitsspektrum und berufliche Kompetenzen der Hebammen, Qualitäts- und Ausbildungsfragen, Öffentlichkeitsarbeit sowie Daten- und Informationsgrundlagen sprechen. Ein Ergebnisbericht soll im Herbst 2013 vorliegen.