Seit einigen Jahren drängen immer mehr Maklerpools, Servicegesellschaften und einige Versicherer in einen besonders sensiblen Bereich von Versicherungsmaklern vor – die Maklerhaftung. Der Versicherungsmakler ist bekanntlich nach § 60 Abs. 1 VVG verpflichtet, seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zu Grunde zu legen. So kann er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen. Warum wollen nun Pools, Serviceleister oder auch Versicherer den Maklern diese Verantwortung abnehmen und selbst für nichtadäquate Beratungen haften?

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Durch die Einführung des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes dürfen Makler ihren Kunden keine Empfehlungen mehr für den Kauf oder Verkauf von bestimmten Finanzprodukten aussprechen. Wer dies dennoch tun möchte, muss sich als sogenanntes Wertpapierdienstleistungsunternehmen anmelden oder einem solchen angehören. Da solch eine eigene Anmeldung und Zertifizierung sehr aufwendig ist, haben die Haftungsdächer einiger Pools und Servicegesellschaften wie Jung, DMS & Cie oder 1:1 Assekuranzservice AG regen Zulauf von Maklern, die ihren Kunden weiterhin Zertifikate, Anleihen oder auch ETFs verkaufen wollen. Die im Markt befindlichen Haftungsdächer schränken meist die Auswahl der Produkte ein, prüfen mehr oder weniger die Sachkunde der Makler und bieten dafür dann das Zertifikat der „Enthaftung“ an.

Makler haften trotz Haftungsdach

Dass die Arbeit von Maklern unter so einem Haftungsdach dennoch nicht gefahrenfrei ist, zeigen etwa die Ereignisse um das Haftungsdach des Infinus AG Finanzdienstleistungsinstituts.

Doch nicht nur der Niedergang eines Haftungsdachs stellt hier die Gefahr dar. So bleibt das Risiko der Haftung sowohl aus der Beratung als auch der Art und Weise der Dokumentation für den Makler selbst bestehen. Der Makler haftet allein schon dafür, dass er seine Beratung und seine Empfehlungen dem Kunden als Leistung offeriert. Weiterhin muss er für Fehlverhalten, Fehlberatungen oder Irrtümer gegenüber dem Kunden haften.

Was steckt hinter der Haftungsbefreiung durch Versicherer?

Man muss in dem Zusammenhang einige grundsätzliche Fragen stellen: Warum stellt eine Versicherung den Makler von der Haftung frei? Ist es ihr egal, wie beraten wird? Will man besonders jene Makler ansprechen, die das Thema Haftung eher Laissez-faire betrachten. Versicherer haften laut Gesetz nicht für die Beratung des Maklers: Wollen die Gesellschaften - aus welchem Grund auch immer - nun für Fehlberatungen der Kunden einstehen? Oder will sich der Versicherer mit besonderem Marketing aus dem Markt abheben?

Die Anbieter, die teilweise oder völlig von der Haftung freistellen, setzen an einem Punkt an, der für Makler sehr schwierig ist: Die juristische Bewertung der „hinreichenden“ Auswahl von Angeboten und damit verbunden auch der „hinreichenden“ qualitative Bewertung der Versicherer. Wenn es danach ginge, dass nur die Angebote der finanzstärksten oder größten Versicherer diesen Ansprüchen entsprechen, dürfte man den Kunden nur noch die Produkte der jeweiligen Marktführer anbieten. Was ist aber, wenn die Produktqualität der „Kleinen“ besser ist als die der „Großen“? - Genau das ist das Dilemma, an dem einige wenige Versicherer mit dem „Enthaftungsversprechen“ ansetzen.

Welche Wirkungen solche Haftungsfreistellungen am Markt haben, wird man in der Zukunft sehen. Bleibt zu hoffen, dass sich kein Makler zu einer gedankenlosen Vermittlung solcher Art beworbener Produkte verführen lässt, weil er ja angeblich sowieso nicht haften muss. Und ob sich solche Haftungsfreistellungen für die betreffenden Versicherer für die Zukunft rechnen werden, wird man erst in Jahren oder Jahrzehnten sehen. Bis dahin werden sich Richter oder auch Aufsichtbehörden in Berlin oder Brüssel darauf einen Reim gebildet haben.

Was passiert, wenn der Kunde klagt?

Stellen wir uns nur einmal vor, dass ein Kunde, dem vom haftungsbefreiten Makler ein Produkt der betreffenden Gesellschaft verkauft wurde, bei Ablauf der Versicherer feststellt, dass die Ablaufleistung seiner Versicherung 5.000 EUR unter den Top-Ten der anderen Anbieter liegt. Was passiert, wenn er klagt? Zu welchem Urteil kommt dann das Gericht?

Mit ein wenig Mutmaßung dürfte es dem Makler wohl dann an Argumenten zur seiner Produktauswahl mangeln, wenn einzig und allein die „Haftungsbefreiung“ als Sachargument übrig bleibt. Und ob dann die „haftungsbefreiende“ Versicherung die Auflagen des Gerichts an den Makler übernimmt, bleibt heute noch im Dunkel.

Damit bleibt nur eine Empfehlung: Produkte von Anbietern, die Maklern eine Haftungsbefreiung anbieten, sollte man auch nur dann verkaufen, wenn man das Produkt dem Kunden auch so, d.h. nach gründlicher Bedarfsanalyse und solider Produktauswahl, verkaufen würde. Komplett und haftungssicher wird das Ganze dadurch, dass man dann auch dokumentiert, warum man sich für dieses und nicht für jenes Produkt bzw. jenen Anbieter entschieden hat.

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Über den Autor:

Dr. Peter Schmidt ist Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern. Er twittert als @assekuranzdoc, weitere Infos gibt es auf seiner Website, Aktuelles kann man auch über seine Facebook-Fanpage erfahren.