NAFI-Geschäftsführerin Höltring: Wir werden uns weiterhin auf KFZ-Sparte spezialisieren
NAFI: Die NAFI-Gruppe mit Sitz im nordrhein-westfälischen Höxter ist deutscher Marktführer für Vergleichssoftware in der Kfz-Versicherung. Gestern wurde bekannt, dass NAFI vom britischen IT-Anbieter Acturis Group aufgekauft wurde. Anlass für Versicherungsbote, bei NAFI-Geschäftsführerin Ivana Höltring nachzufragen: Müssen sich Kunden und Mitarbeiter nun auf Neuerungen einstellen? Und wie sehen die Zukunftspläne für NAFI aus?
Versicherungsbote: Die NAFI GmbH ist deutscher Marktführer für IT-Lösungen in der Autoversicherungssparte. Nun hat die Londoner Acturis Group NAFI aufgekauft. Warum haben Sie sich zu einer Zusammenarbeit mit dem britischen Unternehmen entschlossen?
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Ivana Höltring: Wir haben schon länger nach einem Partner gesucht um auf die zu erwartenden Herausforderungen des Marktes auch in der Zukunft optimal und in bekannter Qualität und Schnelligkeit reagieren zu können. Aufgrund der möglichen Interessenkonflikte kamen aber die meisten deutschen Marktteilnehmer, wie z.B. Versicherer, Vergleichsportale oder Maklerpools für eine enge Partnerschaft nicht in Frage. Einen Softwareanbieter wie Acturis, der ähnlich wie NAFI Vermittler und Versicherer mit Softwarelösungen bedient, aber gleichzeitig auch groß genug ist um eine kleine Firma wie NAFI in ihrem Wachstum zu unterstützen, gibt es in Deutschland nicht.
Versicherungsbote: Wird sich für die NAFI-Kunden durch den neuen Besitzer etwas ändern?
Ivana Höltring: Beim Standort, Ansprechpartner, Preisen und dem bestehenden Produktangebot ändert sich nichts. Die NAFI GmbH unterliegt als deutsche Firma dem deutschen Datenschutz und muss die deutschen Gesetze beachten.
In der näheren Zukunft wollen wir insbesondere die technischen Komponenten, wie Schnittstellen zu Versicherern und Kunden optimieren, unser neustes Produkt – die Kleinflottenanwendung – weiter ausbauen und Versicherer im Bereich der Marktbeobachtung mit neuen Tools noch besser unterstützen.
Versicherungsbote: Was ändert sich für die Mitarbeiter des Unternehmens? Soll der Unternehmenssitz im nordrhein-westfälischen Höxter bleiben?
Ivana Höltring: Acturis möchte NAFI bei ihrem Wachstum in Deutschland unterstützen. Dies kann nur durch die erfahrenen NAFI-Mitarbeiter vor Ort erreicht werden. Der Standort Höxter steht in keiner Weise in Frage. Ganz im Gegenteil. Acturis plant die Präsenz in Deutschland auszubauen.
Versicherungsbote: Wolfgang Höltring hat angekündigt, nach langjähriger und erfolgreicher Tätigkeit zukünftig nicht mehr dem Unternehmen vorzustehen und sich als Geschäftsführer zurückzuziehen. Was sind die Gründe für diese Entscheidung?
Ivana Höltring: Herr Höltring wird im Oktober 72 Jahre alt. Er wird das Unternehmen mit seinen Erfahrungen weiterhin als Berater unterstützen.
Versicherungsbote: Sie haben bereits durchblicken lassen, dass Sie durch die Zusammenarbeit mit Acturis Ihre Marktposition weiter stärken und Dienstleistungen sowie Software-Angebote ausbauen wollen. Können Sie einen Einblick geben, wohin die Reise zukünftig gehen soll? Wird es vermehrt IT-Lösungen für andere Sparten als die Kfz-Versicherung geben?
Ivana Höltring: Die KFZ-Versicherungsbranche ist seit einigen Jahren im Umbruch, wodurch die Anforderungen an die Technik und die Erwartungen der Marktbeteiligten ständig größer werden. Durch den enormen Kostendruck auf der Seite der Vermittler und der Versicherer müssen manuelle Prozesse auf beiden Seiten durch automatisierte Lösungen ersetzt werden. Durch die immer größere Akzeptanz der Vergleichsportale bei Verbrauchern benötigen Versicherer die Möglichkeit, mit schnellen und flexiblen Tarifänderungen auf die aktuellen Marktentwicklungen zu reagieren. Auch die bevorstehenden gesetzlichen Änderungen wie z.B. eCall und technische Möglichkeiten in der Automobilbranche könnten kurzfristig für die KFZ-Versicherungsbranche zu großen Herausforderungen führen. Wir werden uns daher auf jeden Fall weiterhin auf die KFZ-Sparte spezialisieren. Entwicklungen von IT-Lösungen für andere Sparten schließe ich aber nicht aus.
Versicherungsbote: Wie schätzen Sie die Zukunft für Vergleichsportale und -software in der Kfz-Versicherung ein? Im Gespräch sind etwa neue Lösungen wie Telematik-Versicherungen, bei denen eine Black Box das Fahrverhalten eines Autofahrers aufzeichnet und die Prämie sich daran misst. Stellt das die Branche vor neue Herausforderungen?
Ivana Höltring: In der letzten Zeit beobachten wir, dass Versicherer unterschiedliche Tarife für Vergleichsportale, für Makler, für Maklerpools, für bestimmte Zielgruppen wie Privatkunden oder gewerbliche Kunden etablieren. Versicherer sparen bei der Markteinführung der neuen Produkte viel Geld, wenn die neuen Produkte bei Vergleichsportalen oder in der Maklersoftware implementiert werden. Das betrifft nicht nur die Kfz-Sparte. Ich bin überzeugt, dass die Bedeutung der Vergleichsportale und der Vergleichsanbieter aber auch der Maklerverwaltungsprogramme noch wachsen wird.
Bei Telematik bin ich mit meinen Prognosen vorsichtig. Ein heutiger KFZ-Tarif enthält mehr verschiedene Prämienbeiträge, als es Menschen auf der Erde gibt. Man könnte glauben, dass die KFZ-Tarife bereits jetzt so differenziert und risikogerecht sind, dass es für weitere Differenzierung keine Notwendigkeit gibt. Andererseits wollen Versicherer offensichtlich für alle Alternativen gerüstet sein. Allianz und Volkswagen gründen ein gemeinsames Unternehmen und laut einer Branchenzeitschrift wechselt ein Telematik-Spezialist demnächst in den Allianz-Vorstand.
Versicherungsbote: Auch der Internetgigant Google plant, auf dem deutschen Markt mit einem Vergleichsportal für Kfz-Versicherungen zu starten, etwa mit dem Angebot „Google Compare“, das wohl auf Endkunden ausgerichtet sein wird. Wie sehen Sie die Chancen für mittelständische IT-Unternehmen, trotz dieser scheinbar übermächtigen Konkurrenz zu bestehen? Welche Vorteile haben die „Kleinen“?
Ivana Höltring: Die „Kleinen“ haben den Vorteil, dass sie sich nicht zu schade sind „Nischen“ zu füllen und Dienstleistungen auch dann zu erbringen, wo sich das für die „Großen“ nicht lohnt. Gerade in der IT-Branche und insbesondere im Bezug auf das Internet wird es aber für die „Kleinen“ immer schwieriger zu bestehen. Die heutige Mentalität „im Internet ist alles umsonst“ ist weit verbreitet. Die Kosten der Software und Hardware, die rasante Entwicklung der Technik, auf die man reagieren muss, gesetzliche Auflagen zu Datensicherheit und immer wieder die Gefahr, dass die ganz Großen nur ein wenig mehr Geld in die Hand nehmen müssen um einen zu vernichten, wenn sie das nur wollen – all das ist leider die Realität.
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Versicherungsbote: Vielen Dank für das Gespräch! (Die Fragen stellte Mirko Wenig)