FinTech und Versicherung - Clark zum Entern?
Clark.de: Angeblich innerhalb von nur 76 Tagen ins Leben gerufen, will der FinTech-Versicherungsmakler Clark.de bis 2022 einen Umsatz von mehr als 450 Millionen Euro und einen Gewinn in Höhe von knapp 240 Millionen Euro erreichen. In der Zwischenzeit will Clark noch Frankreich, England und Italien erobern. Dazu braucht es aber erst einmal Frischgeld. In diesen Wochen sollen Investoren drei bis vier Millionen Euro bringen; so steht es in einem Geschäftsplan von Clark. Genau diesen Plan hält Unternehmensberater Christian Müller für undurchführbar.
Wer bei Clark investieren will, muss Englisch können. Die Businessplan-Präsentation des Berliner FinTech Startups richtet sich an internationale Investoren, also solchen, die den deutschen Versicherungsmarkt tendenziell eher schlecht als recht kennen. Aber Clark erklärt seinen Plan im Geschäftsplan, der dem Versicherungsboten vorliegt. Demnach sind 67 Prozent der Deutschen mit ihren Policen und den 240.000 Vermittlern nicht zufrieden.
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Gut gedacht - gut gemacht?
Weiter, so Clark, sei die Generation Y, also die heute 40 Jahre oder jüngeren Kunden, schlechter versichert als ältere Generationen. Sagt Clark in seinem Papier für Investoren und geriert sich als Makler für die digitale Generation. Das Unternehmen verspricht seinen Investoren eine Welt, in der die Kunden alle Policen kaufen können, auch Lebens- und Krankenversicherung und stets online im Blick haben. Und das alles ohne versteckte Kosten. Da ist sicherlich gut gemeint. Aber auch gut gemacht?
Kann Clark stolz darauf sein, von der Entscheidung bis zur Gründung nur 76 Tage gebraucht zu haben, wie es Clark im Juni verkündete?
Christian Müller ist Unternehmensberater und Versicherungsberater aus Kassel, ehemals Direktor der Dresdner Bank und dort für Betriebsrenten und Bilanzierung verantwortlich. Für ihn sind Fintechs „keine neue Idee und bereits seit dem E-Commerce-Hype Anfang 2000 immer wieder ein Thema für die Millionen-Dollar-Idee“, wie er gegenüber dem Versicherungsboten sagt. Müller hat sich die an Investoren gerichtete Präsentation von Clark angesehen.
Lackmustest
Müller, nach eigenen Angaben vormals bei der Unternehmensberatung Cap Gemini als Vice President und Partner für die Due Dilligence, also etwa die Prüfung von Geschäftsmodellen von Startups verantwortlich, nennt fünf „existenzielle Fragen“ an Startups. Diese Fragen müssten nach den über viele Jahre herausgebildeten Maßstäben für Risikokapital-Finanzierung alle mit ja beantwortet sein. Bevor der erste Euro an Clark & Co fließt, müssen Startups diesen „Lackmustest“ (Müller) bestehen.
Due Dilligence – Indikatoren nach Müller:
- Ist das Geschäftsmodell nachhaltig?
- Haben die Gründer genug Erfahrung und Kontakte in der Branche?
- Sind die kostenintensiven Reverse-Logistic-Prozesse definiert (Call Center, Storno)?
- Sind die Marktannahmen korrekt?
- Sind die regulativen Anforderungen bekannt?
Fünf Fragen – null Punkte
Diese fünf existenziellen Fragen und vor allem die Antworten darauf seien ein guter Indikator für einen Investor, ob er mit Geld einsteigt - oder nicht. „Von dem was ich im dem Clark-Papier gelesen habe, würde mich keine Antwort überzeugen“, so Müller. Zur Frage des Geschäftsmodells in seinem Kern, Clark sammelt zurzeit Bestandskunden mit ihren Hausrat- oder Haftpflichtpolicen ein und entert damit die Bestandsvergütungen der bisherigen Vermittler, sieht Müller zwar mögliche Eroberungseffekte.
„Aber selbst wenn es Clark in ausreichender Zahl gelänge, was zu bezweifeln ist, Maklerbestände zu entern, wäre dem Kunden eben nicht zwangsläufig besser geholfen als bisher“, sagt Müller und begründet das. Hier komme die von Clark in Aussicht gestellte Echtzeit-Analyse zum Zuge. Oder eben nicht. „Echtzeit meint Echtzeit, also einen Prozess, der jetzt und hier angestoßen wird und sofort ein Ergebnis ausspuckt, zum Beispiel eine bessere Hausratpolice. Das sehe ich bei Clark nicht, weil dort die technischen Voraussetzungen schlicht fehlen“.
Neu? Fragebögen per E-Mail
Clark hat keine „App-Solution“, also eben keine Echtzeit-Lösung, die dem Kunden sofort eine Alternativlösung zur bestehenden Versicherungen bietet. Versicherungsmakler Raphael Strels hatte Clark kürzlich getestet. Seine Clark-App auf dem Smartphone machte kein Pling. Weil es im Zeitalter der Apps gar keine Clark-App gibt. Um seine Policen zu optimieren, bekam Strels Fragebögen von Clark zugesandt, per Email. Damit sollte er sich sozusagen selbst beraten und die richtigen Kreuzchen machen. Makler Strels ist zwar Jurist und kennt sich aus, aber wie soll der Normalkunde wissen, ob er eine Forderungsausfalldeckung für die Haftpflicht-Police braucht?
Bank-Technologie vorhanden
„Um dieses Geschäftsmodell nachhaltig zu machen, also eine der fünf Leitfragen mit ja zu beantworten, müsste Clark Technologie haben, die das kann“. Aber diese Technologie gibt es auf dem IT-Markt gar nicht, merkt Müller an. Weiter sagt er: „Für BankTechs, also alle Startups um Bank, Konto und Zahlungsverkehr gibt es die Technik“. Im Bankbereich könnten die Firmen auf Online-Banking-Systeme zugreifen und technische Brücken schlagen, längst vorhandene Schnittstellen nutzen.
Versicherungs-Technologie nicht vorhanden
„Bei den Banken ist alles da für FinTechs. Der HBCI-Sicherheitsstandard für das Online-Banking, klare Identifikationen den Kunden und sein Konto via IBAN und BIC-Nummern; weltweit“, analysiert Christian Müller gegenüber dem Versicherungsboten weiter. Newcomer bei den BankTechs wie Numbers26 zum Beispiel könnten vereinfacht gesagt die Datenströme der Kunden anzapfen, deren Einverständnis vorausgesetzt. Für InsureTechs, wie die Kasten der Startups seit einiger Zeit auch begrifflich segmentiert werden, fehle die Technologie.
Assekuranz muss erst interne Vorkehrungen treffen
„Ein BankTech kann man skalierbar machen, Versicherung mangels Technologie nicht“, differenziert Müller und nennt Beispiele. Zurzeit investieren, so Müller, große Versicherer durchaus zweistellige Millionenbeträge. Wofür? „Nur um ihr Versicherungs- und Kundennummern-System so zu sortieren, damit die IT die Bestände in Zukunft weiter verwalten kann“. Hintergrund dieser hohen Kosten der Assekuranz seien die „zergliederten und zersiedelten“ IT-Architekturen der Versicherer. Anders gesagt, die bestehende Infrastruktur der Assekuranz sei veraltet, umreißt Müller den Ist-Zustand der Rechenzentren in der Risikoindustrie.
Clark & Co können noch nicht bedient werden
Aber was interessieren Clark & Co die IT-Probleme der Versicherer? „Anders als bei den Banken gibt es hier keine ausreichenden Schnittstelle, mit denen die Gesellschaften die Startups mit Daten bedienen könnten und umgekehrt“, erläutert Christian Müller die Konsequenzen aus den IT-Herausforderungen der Versicherer für InsureTechs. Anders gesagt: Alles, was an Daten zwischen Versicherern und der Kunden-App bewegt werden muss, erfolgt händisch.
InsureTechs noch nicht skalierbar
Ein Kernbegriff für digitalisierte Unternehmen ist die so genannte Skalierbarkeit; dies meint ein Geschäftsmodell, das mit 100 Kunden genauso funktioniert wie mit einer Million Kunden. „Für 100 Kunden können Clark & Co die Vertragsdaten zum Beispiel bei Übernahmen des Kunden mit Hilfe des Maklervertrags noch von Hand umschaufeln, bei 1.000 Kunden wird es schwierig, so viel Personal für diese Handarbeit einzustellen“. Das sagt Christian Müller, der meint, auch im Erfolgsfall, also wenn sehr viele Kunden zu Clark kämen, käme das Unternehmen schnell an menschliche Kapazitätsgrenzen.
Clark zum Entern?
Im Erfolgsfall kommen auf InsureTechs Müllers Analyse zufolge enorme IT-Investitionen zu. Für Datenbanksysteme, die zudem passende und heute noch nicht vorhandene Schnittstellen erforderten. Andererseits meint Müller, man könne das Geschäftsmodell von Clark auch einfacher betrachten. Kunden würden online geworben, „unterzeichnen“ einen Clark-Maklervertrag, die Bestandsvergütungen flössen dann an Clark statt an den heutigen Makler oder Versicherungsagenten und gut.
2016: Frankreich, 2017: Italien und England
Auf diese Weise enterte Clark sodann die Bestandprovision, wäre finanziert. Das Geschäftsmodell wäre sozusagen auf dem kurzen Weg aufgegangen. Aber Clark will mehr. Laut Investor-Informationen soll der eigene Marktanteil in sieben Jahren bei 0,5 Prozent liegen. „Nur mit Privatkunden?“, fragt Christian Müller, der die Angabe des Marktanteil-Ziels von Clark für zu undifferenziert hält. Clark will laut seinem Investoren-Papier im kommenden Jahr erst Frankreich erobern. Für 2017 soll auch der italienische und englische Markt in Angriff genommen werden.
„Schwebend unwirksame Maklerverträge“
„Zunächst müsste Clark in Deutschland stabil und skalierbar laufen, bevor expandiert werden kann“, meint Experte Müller. Technisch ist die von Clark gegenüber den Investoren in Aussicht gestellte „1-Click-Option“ für den schnellen Wechsel eines Vertrags noch Zukunftsmusik. Eine Ungewissheit für Investoren, „keinen Cent Kapitaleinschuss wert“. Auch hält Müller die am Bildschirm geschlossenen Maklerverträge der Kunden mit Clark für „schwebend unwirksam, weil die am Bildschirm mit der Computer-Maus oder auf das iPad gemalte Unterschrift mit dem Finger nicht dem Signaturgesetz entspricht.
„Die beim Autovermieter Sixt gebräuchliche Unterschrift auf dem Terminal-Bildschirm ist mit einer Unterschrift des Kunden auf dem iPad nicht zu vergleichen! Sixt-Terminals sind gesondert zertifiziert, nicht aber normale Kundengeräte“, erklärt Müller.
Das Zalando-Problem
Alles in allem ist Clark aus Sicht von Experte Müller unausgegoren, das Massengeschäft technisch noch nicht abzuarbeiten. Dabei denkt Müller an viel Neugeschäft, also den Erfolgsfall. Aber wer viele neue Versicherungen verkauft, der hat naturgemäß auch eine große Zahl an Widerrufen: den sogenannten Zalando-Effekt. Der Online-Versender für Kleidung hat eine große Zahl an Rücksendungen zu verkraften: zu buchen, Gutschriften zu erzeugen, Abrechnungen erstellen und an den Kunden versenden.
„Gut, anders als Zalando muss Clark keine retournierten Pakete auspacken und die Ware wieder ins Lager legen. Aber alle anderen Geschäftsvorfälle: Buchen, Gutschreiben und Geld erstatten, müssen auch InsureTechs in den Griff kriegen“, sagt Müller zu einer seiner fünf Lackmustest-Fragen, den „Reverse Logistics“. Müller vergleicht die aktuelle Goldgräber-Stimmung bei den FinTechs mit dem E-Commerce-Hype um das Jahr 2000:
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„Keinen Cent investieren“
„Wer schon damals die fünf Leitfragen für Investoren nicht mit ja beantworten konnte, der hätte als Gründer bereits im Jahr 2000 kein Kapital bekommen. Ok, heute sind die Folien hübscher und es gibt Smartphones! Aber an den grundsätzlichen unternehmerischen Fragen ändert sich nichts. Ich würde bei Clark keinen Cent investieren“. Dennoch will Clark im dritten Quartal 2015, das an diesem Mittwoch, dem 30. September, endet, drei bis vier Millionen Euro frisches Kapital einwerben.