Ergo - Markus Rieß will den Konzern umkrempeln
Die Ergo soll unter ihrem neuen Chef Markus Rieß eine neue Unternehmensstruktur erhalten. Statt 6 Sparten gibt es zukünftig nur noch drei. Bei den Mitarbeitern der Ergo aber regt sich auch Angst: Sie befürchten harte Einschnitte, damit der kriselnde Versicherer wieder flott wird. Markus Rieß jedenfalls „will den Mitarbeitern nichts vormachen“ - und kündigt damit indirekt harte Zeiten an.
Beobachter der Versicherungsbranche rieben sich verwundert die Augen, als im April 2015 bekannt wurde, dass Markus Rieß die Geschicke des leck geschlagenen Versicherungs-Riesen Ergo führen soll. Der einstige Vorstandschef der Allianz Deutschland übernahm einen Versicherer, der nicht nur mit Skandalen zu kämpfen hatte, unter anderem Fehler bei der Berechnung hunderttausender Lebensversicherungen. Er übernahm auch einen Versicherer, der bei den Kunden deutlich an Zuspruch verloren hatte. Zuletzt schrieb die Ergo einen Verlust von 200 Millionen Euro für das Jahr 2015, der Mutterkonzern Munich Re sprach von einem „enttäuschenden Ergebnis“.
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Bei der Ergo ist alles auf dem Prüfstand
Der neue Job von Markus Rieß ist also - euphemistisch gesprochen - höchst herausfordernd, bietet aber die Chance, sich als Reformierer zu empfehlen. Und tatsächlich scheint bei der Ergo nun alles auf dem Prüfstand zu stehen, wie das Handelsblatt am Montag berichtet. Seit September ist der Neue im Amt, und selbst an den Wochenenden sei der Chef im Büro anzutreffen, um an der Neuausrichtung des Unternehmens zu arbeiten. Dabei zeichnen sich erste Umrisse ab, wohin die Reise zukünftig gehen könnte: Mit einer verschlankten Unternehmensstruktur soll die Ergo wieder Fahrt aufnehmen. Und damit das möglichst schnell geschieht, deutet unter dem Stichwort „Digitalisierung“ alles auf eine Modernisierung des einstigen Luxusliners hin.
Zunächst sollen die bisherigen 6 Geschäftseinheiten zu drei neuen zusammengeschmolzen werden: Die Ergo Deutschland, Ergo International und Ergo Digital Ventures. Damit wird das Auslandsgeschäft stärker von den Bestrebungen auf dem heimischen Markt geschieden.
Darüber hinaus erfährt die Digitalisierung mit „Digital Ventures“ eine stärkere Gewichtung. Die Trennung vom traditionellen Geschäft erleichtere es Ergo, neue Ideen „schnell und mutig umzusetzen“, sagt Rieß dem Handelsblatt. Er nehme das Thema Digitalisierung sehr sehr ernst. „Aber mir ist sehr wohl bewusst, dass das traditionelle Geschäft auch in fünf Jahren noch den Hauptteil zum Ergebnis beitragen wird“. Es gelte, strategische und operative Funktionen stärker voneinander zu trennen, also etwa die Zukunftsplanung und die Qualitätssicherung im Versicherungsalltag.
Zwischen Hoffen und Bangen
Was das für die Mitarbeiter des Konzerns und die Vertreter konkret bedeutet, ist aktuell noch nicht abzusehen. Die Zahlen zuletzt: 16,5 Milliarden Euro Brutto-Prämieneinnahmen, knapp dreißigtausend Festangestellte sowie 15.000 hauptberufliche Vertreter. „Wir leben zwischen Hoffen und Angst“, zitiert das Handelsblatt einen Mitarbeiter, viele erwarten harte Maßnahmen. Einerseits traut man Rieß in Düsseldorf zu, den angeschlagenen Versicherer zu sanieren. Aber wird das ohne Entlassungen vonstatten gehen?
Rieß selbst äußert sich gegenüber dem Handelsblatt durchaus ambivalent. „Wir werden Kosten sparen müssen, aber wir werden auch investieren, da will ich den Mitarbeitern nichts vormachen.“ Um Details zu erfahren, müssen sich die Mitarbeiter noch etwas gedulden. Die neue Strategie will Rieß im zweiten Quartal 2016 vorstellen.
Vorstand beinahe rundumerneuert
Eine ungefähre Richtung lässt bereits der Umbau des Vorstands erahnen. Dieser ist von dem ehemaligen McKinsey-Mann Rieß deutlich verschlankt wurden, von zehn auf sechs Mitglieder. Neben dem Kapitalanlagen-Vorstand Daniel von Borries, der im März ausscheidet, sollen u.a. Silke Lautenschläger und Jochen Messemer nicht mehr dem Oberhaus der Ergo-Gruppe angehören, sondern nur noch Aufgaben ihrer jeweiligen Holding wahrnehmen.
Zuletzt gelang Rieß ein besonderer Coup, als er mit Andree Moschner einen früheren Weggefährten von der Allianz weglotste. Bei der Allianz Deutschland war der 53jährige Moschner unter anderem für die Bankgeschäfte und die IT-Sparte zuständig. Nun soll der frühere Zweitliga-Fußballer von Rot-Weiß Oberhausen für die Ergo neue Fonds-Renten entwickeln, berichtet das Handelsblatt. Grundsätzlich liege ein Schwerpunkt auf der Gestaltung neuer, attraktiver Versicherungs- und Altersvorsorge-Produkte, weil man hier Nachholbedarf sehe.
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Es war nicht die einzige Entscheidung zur Erneuerung des Vorstands. Von der Cosmos Direkt hat der neue Ergo-Chef Peter Stockhorst abgeworben, er soll die Direktversicherung zurück in die Spur bringen. Für die Lebensversicherung wurde Michael Fauser von der Continentale und Max Happacher von der Allianz verpflichtet. Harald Christ kam von der Postbank hinzu. Kann ein Neustart mit so vielen Managern, denen das Unternehmen nicht vertraut ist, gelingen? Rieß wird es beweisen müssen.