Griechen arbeiten länger als Deutsche, zweites Hilfspaket umstritten
Eine Studie der französischen „Natixis“-Bank weist die Kritik von Kanzlerin Angela Merkel an der Arbeitsmotivation der Südeuropäer zurück. Derweil wird weiter über ein neues Hilfspaket für Griechenland debattiert.
Fallen die Stichworte „Griechenland“ und „EU-Hilfe“, sehen deutsche Politiker derzeit rot. Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte in einem Interview vom Wochenende das krisengeschüttelte Land zu größeren Sparmaßnahmen auf, versprach eine harte Hand bei der Durchsetzung der Schuldentilgung und gab Griechenland eine Mitschuld daran, „dass Europa verlottert.“ Politiker der CSU gehen sogar darüber hinaus und empfehlen einen Eingriff in die parlamentarische Souveränität des Landes – EU und Internationaler Währungsfonds sollen zukünftig die griechische Haushaltsplanung mitbestimmen. Angela Merkel regte mit Blick auf die südeuropäischen Länder eine europaweite Erhöhung des Renteneintrittsalters an.
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Griechen arbeiten im Schnitt länger als die Deutschen
Doch zumindest ein Vorurteil, das in den letzten beiden Wochen die Schlagzeilen prägte, kann widerlegt werden. Bei einer Veranstaltung im sauerländischen Meschede hatte Angela Merkel vor jubelnden Massen die Bedingungen formuliert, unter denen Deutschland zu weiteren Hilfszahlungen an verschuldete EU-Länder bereit sei. Dabei bemühte sie das Gegensatzpaar vom „trägen“ Südeuropäer sowie dem arbeitsamen Deutschen – was mehrere Kommentatoren bereits als populistische Äußerung verurteilten:
„Es geht darum, dass man in Ländern wie Griechenland, Spanien, Portugal nicht früher in Rente gehen kann als in Deutschland, sondern dass alle sich ein wenig gleich anstrengen. Das ist wichtig. (…) Wir können nicht eine Währung haben und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere kriegt ganz wenig. Das geht auf Dauer nicht zusammen. Deutschland hilft nur dann, wenn sich die anderen anstrengen.“
Einer französischen Studie zufolge ist an den Behauptungen tatsächlich wenig dran. Die Natixis-Bank hat anhand von Zahlen des Statistikamtes Eurostat sowie der OECD errechnet, dass ein Grieche im Schnitt 2119 Stunden im Jahr arbeitet, ein Portugiese 1719 Stunden, ein Spanier 1654 und ein Franzose 1554 Stunden. Erst an letzter Stelle reihen sich hier die Deutschen ein – mit einer jährlichen Arbeitszeit von 1390 Stunden. Das Fazit der Studie: „Die Deutschen arbeiten viel weniger als die Südeuropäer. Sie arbeiten auch nicht intensiver.“
Eine ähnliche Tendenz zeigt der Blick auf die jährliche Urlaubszeit. Mit 30 Tagen bezahlten Urlaub im Jahr haben die Deutschen weitaus mehr tariflich garantierte Freizeit als die Griechen (23 Tage), liegen sogar weit über dem EU-Durchschnitt, der derzeit 24,5 Tage Jahresurlaub beträgt. Würde tatsächlich eine europaweite Angleichung der Urlaubszeit erfolgen, so wie dies Angela Merkel in den letzten Tagen forderte, müssten nicht die Griechen eine Verschlechterung ihrer Situation befürchten, sondern die Bundesbürger.
Unfreiwillige Freizeit
Patrick Artus, Natixis-Chefökonom und Autor der Studie, führte die Stärke der deutschen Wirtschaftsleistung auf die Innovationsbemühungen seiner Spitzenindustrien, die Sparleistungen des privaten Sektors sowie die gut ausgebildeten Arbeitskräfte zurück. Ergänzt werden muss hierbei jedoch, dass die kurze Jahresarbeitszeit der Deutschen nicht unbedingt als Privileg interpretiert werden muss – sondern auch mit der hohen Zahl an prekärer Beschäftigung begründbar ist. Laut einer Studie des Statistischen Bundesamtes vom Juni 2010 wünschen sich neun Millionen Menschen mehr Arbeit, müssen jedoch mit Teilzeitjobs, Unterbeschäftigung und befristeten Stellen Vorlieb nehmen. Mit einem „ungenutzten Arbeitskräftepotential“ von 20,1 Prozent erreicht die Bundesrepublik europaweit einen Spitzenplatz. Hinsichtlich der Arbeitszeit zeigt sich so auch im nationalen Vergleich ein deutliches Ungleichgewicht: Während einige Bundesbürger immer länger arbeiten müssen, ist für andere nicht genügend Arbeit vorhanden.
Banken sollen sich an Hilfspaket beteiligen
Derweil gehen die Spekulationen weiter, wie ein zukünftiges Hilfspaket für Griechenland aussehen kann und welchen Umfang es haben wird. Kritiker der EU- Pläne wie Financial Times- Chefökonom Thomas Fricke führen die Nervosität unter den europäischen Politikern auch darauf zurück, dass die bisher verordneten Sparmaßnahmen kaum eine Verbesserung der Situation bewirkten. Im Gegenteil: obwohl Griechenland die Staatsgehälter um ein Fünftel kürzte, das Renteneintrittsalter anhob und die Mehrwertsteuer erhöhte, ist eine Staatspleite wahrscheinlicher als je zuvor. So trug der verordnete Sparkurs dazu bei, dass die griechische Wirtschaft wegen der Kürzungen zusätzlich schrumpfte.
Ohne die Beteiligung privater Gläubiger an der Schuldentilgung fürchtet die Bundesregierung zudem, dass der Bundestag neuen Griechenland-Hilfen die Zustimmung verweigern könnte. So wird aktuell diskutiert, wie auch die Banken stärker an einem Griechenland-Hilfspaket beteiligt werden können, nachdem eine größere Umschuldung zunächst vom Tisch scheint. Laut Informationen des „Wall Street Journal“ vom Sonntag sieht das neue EU-Hilfsprogramm vor, dass die Banken mit bis zu 30 Milliarden Euro einspringen sollen.
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Vorgeschlagen wurde ein sogenannter „Anleihen-Tausch“, wonach die Gläubiger auslaufende Anleihen gegen Anleihen mit einer längeren Laufzeit eintauschen. Dieser Anleihentausch soll derart gestaltet sein, dass er von den Ratingagenturen nicht als Zahlungsausfall gewertet werden kann, so dass für die Banken ein zusätzlicher Anreiz für die Verlängerung der Anleihen besteht. Auch wenn die EU derartige Pläne vorerst dementierte, wird eine derartige „weiche Umschuldung“ bereits von EU-Offiziellen für wahrscheinlich gehalten.
Mirko Wenig
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