Gerichte verurteilen AWD zu Rückzahlungen
Zwei Kunden des Finanzdienstleisters AWD haben vor dem Landgericht Braunschweig und dem Oberlandesgericht Naumburg möglicherweise wegweisende Urteile erstritten. Demnach muss der Finanzdienstleister Geld zurückzahlen, weil er nicht ausreichend über die Risiken eines Fonds aufklärte. Auch für Finanzvermittler sind die Urteilssprüche interessant - sie sind jedoch noch nicht rechtskräftig.
Der AWD muss den Anlegern in einem Fall die eingezahlte Summe und im anderen Fall einen Großteil des angelegten Geldes zurück erstatten. Dies berichten der Radiosender NDR Info und das ARD-Magazin Panorama. Insgesamt geht es um einen Streitwert von rund 29.000 Euro. "Diese Urteile könnten aber eine Kehrtwende für Anleger bedeuten", sagte die Bremer Rechtsanwältin Petra Brockmann, die die Kläger vertreten hatte. Die Richter seien in ihren Begründungen sehr weit gegangen.
Anzeige
Hohe Verluste mit umstrittenen Fonds
In den Verfahren ging es um die Medienfonds IMF 2 und 3, mit denen nach Informationen des NDR viele Tausende AWD-Kunden hohe Verluste erlitten hatten. Im Fall des Fonds IMF 2 befanden die Naumburger Richter, dass schon der Fondsprospekt nicht auf die erhöhten Risiken hinweise, die die Anleger eingegangen seien. Sie bezeichneten den Medienfonds als "spekulative Anlage". Das Risiko, einen Totalverlust zu erleiden, sei "verharmlost" worden, so die Richter in ihrer Begründung weiter.
Im Fall des Medienfonds IMF 3 hatte sich ein Kunde falsch beraten gefühlt. Das Geld habe er sicher anlegen wollen, so der Kläger vor dem Braunschweiger Landgericht. In der AWD-Beratung sei aber auf die Risiken der Anlage nicht ausreichend hingewiesen worden. Der Mann hatte das Geld zur Altersvorsorge anlegen wollen. Die Richter befanden, dass der Medienfonds als "unternehmerische Beteiligung" aber "grundsätzlich ungeeignet" für eine Altersvorsorge gewesen sei - wegen des hohen Risikopotenzials.
Die Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig, das Oberlandesgericht Naumburg hat jedoch keine Revision zugelassen. Ein AWD-Sprecher erklärte, der Konzern werde alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um gegen die Urteile vorzugehen.
Klageflut gegen den selbsternannten „Finanzoptimierer“
Zum Jahreswechsel war eine Klagewelle auf den Finanzkonzern zugerollt, weil viele Kunden vor Ablauf der Verjährungsfristen noch juristisch gegen den AWD vorgehen wollten. Allein das Landgericht Hannover verzeichnete rund 800 Klagen mehr als sonst. Insgesamt dürften nach Einschätzungen von Juristen bundesweit mehrere tausend Klagen gegen den AWD eingereicht worden sein.
Im schlimmsten Falle drohen laut Finanzrechtlern Rückzahlungen an Kunden in dreistelliger Millionenhöhe. NDR Info und "Panorama" hatten im Dezember darüber berichtet, dass der AWD-Konzern beim Verkauf vieler Fondsprodukte über eine Tochterfirma überhöhte Provisionen für Fondsprodukte kassiert haben soll, ohne dass die Kunden davon wussten. Diese Praxis wäre laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs rechtswidrig. Zwei hochrangige Manager hatten die Provisionszahlungen bestätigt. Ihren Angaben zufolge hatte der AWD vor dem Börsengang im Jahr 2000 mit den Fondsprodukten einen Umsatz von 500 bis 700 Millionen Euro erzielt.
Der AWD hatte dagegen erklärt, die Provisionspraxis habe immer im Einklang mit der geltenden Rechtsprechung gestanden. In den aktuellen Fällen spielten überhöhte Provisionen noch keine Rolle.
Anzeige
Rückfragen bitte an: Jürgen Webermann, NDR Info Reporterpool, 040/4156-2284; und Kristopher Sell, Panorama, 040/4156-5940.
Pressekontakt:
NDR Norddeutscher Rundfunk
NDR Presse und Information
Telefon: 040 / 4156 – 2300
Fax: 040 / 4156 – 2199