Vor dem Wahlkampf: Kuschelkurs für Kassenpatienten
Während die positive Entwicklung der gesetzlichen Krankenkassen anhält, wird mittlerweile offen die Senkung der Beiträge oder die Auszahlungen von Prämien gefordert. Die Krankenkassen wehren sich dagegen und bestehen auf die Reserven.
Den gesetzlichen Krankenkassen geht es momentan so gut wie selten. Bereits in den letzten Jahren konnten Milliardenüberschüsse angehäuft werden. Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) verfügen die Krankenkassen Ende 2013 über mehr als 20 Milliarden Euro an Rücklagen.
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Mit den Meldungen der Überschussentwicklung der gesetzlichen Krankenkasse werden die Rufe aus der Politik lauter, den Bürger an dieser positiven Entwicklung zu beteiligen. Das dieses Modell funktionieren kann, zeigen einige Krankenkassen seit Jahren. So schütteten zum Beispiel die BKK A.T.U, die Handelskrankenkasse Erste Gesundheit und die BKK Wirtschaft & Finanzen im vergangenen Jahr Prämien zwischen 30 und 72 Euro jährlich an ihre Versicherten aus (der Versicherungsbote berichtete: Konjunktur sei Dank - Krankenkassen verzichten vermehrt auf Zusatzbeiträge).
Forderung: Krankenkassen sollen Beiträge an Mitglieder ausschütten
Derzeit verfügen 30 gesetzliche Krankenkassen über so große Reserven, dass eine Prämie von 30 bis 60 Euro zu stemmen wäre. Unter anderem hatte Gesundheitsminister Daniel Bahr in der letzten Woche gefordert, aufgrund der hohen Rücklagen Beiträge an die Kassenpatienten auszuschütten. Doch die Versicherer verweigern eine Auszahlung und begründen dies damit, dass sie auf nachhaltige Stabilität setzen wollen – in wirtschaftlich schwachen Zeiten könnten die Kassen schnell wieder leer sein. Deshalb verweisen die Krankenkassen darauf im Interesse ihrer Versicherten und Beitragszahler zu handeln, wenn sie keine Prämien ausschütten. Ein weiteres Argument der Kassenvertreter: Bei stetig wachsenden Kosten im Gesundheitswesen sei zudem eine Beteiligung der Versicherten im großen Stile unvernünftig.
Die Forderung diverser Politiker muss in diesem Zusammenhang fast unweigerlich mit der nächsten Bundestagswahl im kommenden Jahr in Verbindung gebracht werden. Sollte die Konjunktur einbrechen, könnten ausgerechnet im Wahljahr 2013 Zusatzbeiträge erneut erhoben werden müssen und für Verstimmung unter den Wählern sorgen. Auch wenn die Zusatzbeiträge von einer großen Koalition aus CDU und SPD eingeführt wurden, so ist damit zu rechnen, dass die derzeitigen Regierungsparteien den schwarzen Peter zugeschoben bekommen: Diese waren immerhin mit dem Versprechen angetreten, das Gesundheitssystem zu reformieren und effizienter zu machen. Dass erst zum Jahreswechsel die Neuordnung der Arzthonorare zu einer deutlichen Mehrbelastung für Patienten sorgte, soll ebenfalls vergessen gemacht werden.
Wahltaktische Überlegungen bestimmen Umgang mit Gesundheitsfonds
Doch nicht nur auf den Konten der Krankenkassen sieht es derzeit so gut wie lange nicht aus. Auch der Gesundheitsfonds, gefüllt durch die Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, ist dank der guten Konjunktur gut genährt. Das Bundesversicherungsamt schätzt die aktuellen Reserven auf 8,6 Milliarden Euro. Berechnungen der Bundesregierung zufolge könnten es auch mehr als zehn Milliarden Euro sein. Um gleichmäßige Auszahlungen des Fonds zu garantieren, dienen drei Milliarden Euro als Reserve.
Bis zum Jahr 2014 soll außerdem ein zusätzlicher Sozialausgleich in Höhe von zwei Milliarden Euro angelegt werden, um hohe Zusatzbeiträge zukünftig abfedern zu können. Doch da bereits Mitte des Jahres keine Krankenkasse einen Zusatzbetrag mehr verlangen wird, ist allein dieser Punkt schon diskutabel, sorgt doch der Wegfall der Zusatzbeiträge bereits für einen gewissen Sozialausgleich.
Dennoch will Bahr nicht am Einheitsbeitrag für alle Kassenmitglieder von derzeit 15,5 Prozent rütteln, obwohl er für mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem geworben hatte. Der Grund dafür ist ein einfacher: Die finanzstarken Kassen könnten den Mittel-Entzug vielleicht verkraften. Schwächer aufgestellte Kassen wären dann gezwungen den Zusatzbeitrag wieder einzuführen. Das wird ein Jahr vor der Bundestagswahl keinem Wähler schmecken: Die Nachrichten von Kassenpleiten und die Verunsicherung der Patienten, falls sie sich eine neue Kasse suchen müssen, könnte zusätzlich die Wähler zu Oppositionsparteien treiben.
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Ein interessanter Faktor könnte an dieser Stelle Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) werden. In diesem Jahr fließen allein 14 Milliarden Euro an Zuschüssen in den Gesundheitsfonds. Bei einer Neuverschuldung des Bundes von 26 Milliarden Euro und dem prall gefüllten Konto des Gesundheitsfonds ist das ein aktueller Diskussionspunkt im Finanzministerium. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wird über eine Kürzung der Zuschüsse zum Gesundheitsfonds um zwei Milliarden Euro debattiert. Deshalb will man diesen Sachverhalt in Kürze noch ein mal genau unter die Lupe nehmen.
Björn Bergfeld