Darf es etwas mehr Regulierung sein? Die deutschen Lebensversicherer wollen die kommende Bundesregierung offenbar dazu drängen, eine Obergrenze für Vermittlungsprovisionen einzuführen. Versicherungsmakler werten den Ruf nach einer gesetzlichen Provisionsdeckelung als „Armutszeugnis“.
Geht es um Regulierung im Versicherungsgeschäft, scheinen die Grenzen normalerweise klar verteilt: Die Politik ist mit Verweis auf den Verbraucherschutz eher dafür, während sich die Unternehmen eher dagegen aussprechen und auf den freien Markt berufen. Umso bemerkenswerter ist deshalb ein Vorstoß der deutschen Lebensversicherer, der eine Begrenzung des freien Marktes zum Ziel hat. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, will die Versicherungswirtschaft die nächste Bundesregierung dazu drängen, eine Höchstgrenze für Provisionszahlungen bei Lebens- und Rentenversicherungen gesetzlich festzulegen.
GDV will Provisionsdeckel und längere Stornohaftung
Initiator des Vorstoßes ist der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Dieser hat sich mit einem Schreiben an seine Mitgliedsunternehmen gewendet, um mehrere Vorschläge für eine Provisions-Höchstgrenze mit den Anbietern abzustimmen. Das Dokument liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Ausgearbeitet wurden die Modelle für den Provisionsdeckel von einer GDV-Arbeitsgruppe um Markus Faulhaber, Chef des Marktführers Allianz Lebensversicherung.
Und tatsächlich könnten die neuen Regelungen für Versicherungsvermittler schmerzhaft werden, speziell die angestrebte Verdoppelung der Stornohaftzeit birgt ein zusätzliches Risiko. Kündigt der Kunde vorzeitig seinen Vertrag, muss der Vermittler die Provision ganz oder teilweise zurückzahlen.
In der Diskussion sind derzeit zwei Modellvorschläge. Möglichkeit eins: Die Auszahlung an die Vermittler wird auf 3,5 Prozent bis 4 Prozent der Beitragssumme begrenzt, mit einer „Stornohaftung“ von zehn statt bisher fünf Jahren.
Modellvorschlag zwei: Begrenzung der Auszahlung auf 2 Prozent bis 2,5 Prozent der Beitragssumme mit einer Haftung von fünf Jahren, sowie weitere 2 Prozent während der gesamten Laufzeit des Vertrages. Mehr als einen Jahresbeitrag soll es für Vermittler aber zukünftig nie geben.
Heftige Kritik kam vom Verband Deutscher Versicherungsmakler (VDM). „Dass die Versicherer den Gesetzgeber anrufen, ist ein Armutszeugnis“, sagte der geschäftsführende Vorstand Georg Jessen.
Angst vor Provisionsverbot
Warum aber will der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft geradezu um eine gesetzliche Provisionsdeckelung betteln? Das hat offenbar mehrere Gründe. Zum einen fürchtet der GDV, dass nach der Bundestagswahl Provisionen auf Lebensversicherungen und Altersvorsorgeverträge komplett verboten werden könnten. Entsprechende Provisionsverbote gibt es bereits in den Niederlanden, Großbritannien und den skandinavischen Ländern. Dort müssen die Kunden für die Beratung ein Honorar zahlen – ähnliches muss auch die deutsche Assekuranz fürchten. Also will man der Politik zuvorkommen und selbst eine Obergrenze für Provisionen anbieten.
Doch ein Provisionsdeckel würde derzeit auch den Versicherungsunternehmen nützen. Die haben sowieso mit niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt zu kämpfen, so dass das Produkt „Lebensversicherung“ zunehmend an Attraktivität für die Kunden verliert. Aktuell dürfen die Lebensversicherer für Neuverträge nur 1,75 Prozent Zins garantieren, in den 90er Jahren waren es noch vier Prozent. Insider erwarten sogar ein Sinken des Garantiezinses auf 1,0 Prozent.
Ist es da nicht verlockend, die Vertriebskosten künstlich abzusenken – mit Hilfe des Gesetzgebers und zu Lasten der Vermittler? „Wenn sich die Niedrigzinsphase verstetigen sollte, wovon auszugehen ist, dann müssen die Lebensversicherungen kostengünstiger werden“, sagte bereits im Juli Allianz Deutschland-Chef Markus Rieß der SZ. Die Zeitung rechnet vor, dass unabhängige Versicherungsmakler derzeit rund 4,5 Prozent bis 4,8 Prozent der Beitragssumme als Provision erhalten. Bei Versicherungsvertretern, die nur für eine Gesellschaft als freie Handelsvertreter arbeiten, sind es etwa 2,6 Prozent. Mehrfachagenten, die mehrere Unternehmen vertreten, erzielen rund 3,5 Prozent an Provisionen.
Ganz anders aber bei Großvertrieben, die viel tiefer in die Tasche der Kunden und Konzerne greifen. Sie kassieren heute regelmäßig über 5 Prozent an Provisionen, in der Spitze werden sogar 7 Prozent gezahlt. Umso mehr müssten die Eigner und Aktionäre von Vertrieben wie DVAG, MLP oder Swiss Life Select einen Provisionsdeckel fürchten. "Wir halten es für falsch, so in die Märkte einzugreifen. Die Beratungsqualität hängt nicht von der Höhe der Provisionen ab", sagte MLP-Sprecher Jan Berg der Süddeutschen.