Deutschland braucht eine familienfreundlichere Beschäftigungspolitik, klare Anreize und Strukturen in der Altersvorsorge und bessere finanzielle Bildung, um den Lebensstandard im Alter zu sichern und Altersarmut zu vermeiden - so die Ergebnisse einer Untersuchung, die das Instituts für Demoskopie (IfD) Allensbach im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) durchgeführt hat.
35 Millionen Menschen zählen in Deutschland zur Generation der 30- bis 59- Jährigen. Es ist die Generation, die den größten Anteil zu den Steuereinnahmen beiträgt, die sozialen Sicherungssysteme finanziert, die wirtschaftliche Leistung des Landes erbringt und gleichzeitig Kinder erzieht und teilweise auch die ältere Generation unterstützt. Die aktuelle Bestandsaufnahme der „Generation Mitte“ ist ein Porträt dieser Generation, ihrer beruflichen, wirtschaftlichen und privaten Situation, ihrer Wünsche und Sorgen. Die Untersuchung stützt sich auf eine Repräsentativbefragung von 1.420 Personen im Alter zwischen 30 und 59 Jahren.
Die „Generation Mitte“ ist überaus zufrieden mit ihrer wirtschaftlichen Situation und blickt trotz Euro-Krise optimistisch in die Zukunft. Aber den 30- bis 59-Jährigen fehlt das Vertrauen für eine langfristige finanzielle Planung. Viele wissen, dass sie mehr fürs Alter tun müssten, nur das „Wie viel“ wird häufig falsch eingeschätzt. Vor allem Frauen machen sich große Sorgen, dass sie später nicht genug Geld zum Leben haben.
„Berufsausstieg in Deutschland ist weiblich“
Einer der wichtigsten Befunde der Studie betrifft die Beschäftigungs- und Altersvorsorgesituation von Frauen. „Unsere Untersuchung zeigt, dass Frauen nach wie vor deutlich im Rückstand sind, wenn es um die finanzielle Absicherung ihres Lebensabends geht“, sagt IfD-Geschäftsführerin Prof. Dr. Renate Köcher. Der Grund sei nicht zuletzt die festgefügte Rollenverteilung. „Der Berufsausstieg ist in Deutschland weiblich“, konstatiert Köcher. Noch immer seien es vor allem Frauen, die für die Familie und damit zulasten ihres späteren Rentenniveaus im Beruf zurücksteckten (52%), während bei Vätern dieser Anteil lediglich bei 9 Prozent liege.
Nach Ansicht von GDV-Präsident Dr. Alexander Erdland könnte die Folge für die Altersvorsorge gelindert werden, wenn die Nachzahlung beitragsfreier Zeit – anders als bisher – steuerlich so behandelt würde wie durchgehendes Sparen. „Wenn jemand diese Lücke ausgleichen will, sollte er nicht schlechter gestellt werden als derjenige, der durchgehend einbezahlt hat“, fordert Erdland.
Wie aus der Untersuchung weiter hervorgeht, verlässt sich die deutliche Mehrheit auf die Familie. 61 Prozent der Befragten halten die Berufstätigkeit eines Partners für einen wichtigen Baustein der Altersvorsorge. Ein Doppelverdiener-Modell, das auch der Frau finanzielle Spielräume zur Altersabsicherung eröffnen würde, hält dagegen nur knapp die Hälfte (47%) der „Generation Mitte“ für die richtige Strategie.
„Ehepartner sollten unabhängig voneinander vorsorgen“
„Elementar für den Erhalt des Lebensstandards im Alter ist ein eigenes, langfristiges Erwerbseinkommen – das gilt ganz besonders für Frauen“, kommentiert der GDV-Präsident die Studienergebnisse. Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie eine frühzeitige Heranführung von jungen Menschen an das Thema Finanzen seien zentrale Ansatzpunkte. „Wir als Versicherungsbranche müssen Frauen mit ihren Anliegen noch besser abholen und beraten“, sagt Erdland.
Der GDV-Präsident spricht sich angesichts der Tatsache, dass die aktuelle Scheidungsquote in Deutschland bei rund 50 Prozent liegt, außerdem dafür aus, dass Männer und Frauen unabhängig voneinander für ihr Alter vorsorgen: „Gute Altersvorsorge darf nicht allein davon abhängen, ob eine Ehe ein Leben lang hält oder nicht. Frauen dürfen nicht mit Altersarmut dafür bestraft werden, dass sie zugunsten der Kindererziehung auf ihre Karriere verzichten.“
Weitere zentrale Erkenntnisse der Studie:
- Aktuell hohe Lebenszufriedenheit Unabhängigkeit und Stabilität der eigenen Lebensbedingungen sind die aktuellen Orientierungslinien der mittleren Generation. Das Gros der 30- bis 59-Jährigen zeichnet sich durch eine überdurchschnittlich große Lebenszufriedenheit aus (im Schnitt Stufe 7,2 auf einer Skala von 0 bis 10).
- Wirtschaftlicher Optimismus 35 Prozent der Befragten geht es heute wirtschaftlich besser als vor fünf Jahren, bei den meisten ist die Lage unverändert (41%), für 23 Prozent hat sich die Situation verschlechtert. Für die kommenden Jahre rechnet eine Mehrheit der Befragten damit, dass die eigene wirtschaftliche Lage stabil bleibt (54%) oder sich weiter verbessert (19%). Nur jeder Achte (12%) befürchtet einen finanziellen Abstieg.
- Aber: Sorge um Lebensstandard im Alter
Trotz des positiven Grundgefühls machen sich 55 Prozent Sorgen, dass sie ihren Lebensstandard nicht werden halten können. Jeder Zweite richtet sich darauf ein, im Alter sehr sparsam wirtschaften zu müssen. Besonders oft sind diese Ängste in den unteren Einkommensschichten (62%), bei Frauen (48%) und hier insbesondere bei Müttern (50%) anzutreffen.
Altersvorsorge: Feinplanung erfolgt recht spät
Obwohl der mittleren Generation die Risiken der Altersarmut bekannt sind – wie die Studienergebnisse zeigen – befasst sie sich erst relativ spät mit ihrer konkreten finanziellen Lage im Alter. So haben sich bei den 30- bis 39-Jährigen lediglich 39 Prozent mit diesem Thema auseinandergesetzt; unter den 40- bis 49-Jährigen sind es zwei Drittel, bei den 50- bis 59-Jährigen immerhin drei Viertel.
Kaum Bereitschaft, über das Rentenalter hinaus zu arbeiten
Von ihrer finanziellen Zukunft haben die meisten 30- bis 59-Jährigen (53%) nur grobe Vorstellungen. Möglicherweise ist auch deshalb die Neigung, die eigene Lebensarbeitszeit zu verlängern, nur wenig ausgeprägt. Länger arbeiten wollen nur 6 Prozent; jeder Dritte würde dagegen gerne vor dem regulären Rentenzeitpunkt aus dem Job aussteigen.
Jährliche Information zum gesamten Alterseinkommen
„Die Untersuchung von Allensbach belegt einmal mehr, dass wir das Thema Altersvorsorge noch stärker ins Blickfeld vor allem der jüngeren Menschen rücken müssen“, lautet das Fazit Erdlands. Der GDV-Präsident plädiert in diesem Zusammenhang für eine jährliche säulenübergreifende Renteninformation. „Wir müssen jeden Bürger mit den zu erwartenden Leistungen aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge konfrontieren. Dann wissen die Menschen was unterm Strich rauskommt und können reagieren.“
Klare Ansagen erwartet Erdland auch von der zukünftigen Bundesregierung: „Eine Rolle rückwärts in der Rentenpolitik darf es nicht geben – die Menschen brauchen Planungssicherheit, damit sie ihre private Altersvorsorge frühzeitig in die Hand nehmen.“ Dazu gehörten auch vernünftige Sparanreize. „Die derzeitige Niedrigzinspolitik ist ein echtes Hemmnis, weil sie den Bürger zum Kurzfristdenken statt zur langfristigen Eigenverantwortung anhält. Europa muss sich von der Politik des billigen Geldes verabschieden, Altersvorsorge muss sich für die Menschen lohnen“, fordert Erdland.
Für die repräsentative Untersuchung „Die Generation Mitte“ hat das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des GDV vom 7. bis 24. Juni 2013 insgesamt 1.420 Männer und Frauen im Alter zwischen 30 und 59 Jahren befragt.