Wenn die Hamburger Werbeagentur Achtung! eine kollektive Krankenzusatzversicherung für ihre Mitarbeiter abschließt, dann kann man was erleben. Das Onlineportal Horizont.net widmete dem Vorgang einen ganzen Artikel – mit teils euphorischem Wortlaut. Vorstand Mirko Kaminski wird mit den Worten zitiert: "Wir wollten einen größeren Wurf, von dem wirklich alle profitieren".
“Auf eigene Rechnung: Achtung versichert alle Mitarbeiter privat“, titelte der Online-Dienst HORIZONT.NET gestern auf seiner Webseite. Wer den Artikel las, konnte zunächst irrtümlicherweise annehmen, die Hamburger Werbeagentur habe tatsächlich eine Krankenvollversicherung für alle 120 Mitarbeiter abgeschlossen und bezahle zudem die Beiträge. Nicht immer waren in dem Artikel Berichterstattung und PR sauber zu trennen. Agenturchef Mirko Kaminski "macht seinen Mitarbeitern ein außergewöhnliches Geschenk", hieß es etwa in einer Bildunterschrift.
Anhaltender Applaus auf der Agenturversammlung
Doch auch andere Zeilen des Online-Textes lasen sich zu schön, um keine unfreiwillige PR zu sein. Dass auf einer der regelmäßigen Agenturversammlungen anhaltend applaudiert werde, sei eher selten, habe Achtung!-CEO Mirko Kaminski berichtet. „Heute morgen war es jedoch so“. Da nämlich habe Kaminski seinen Mitarbeitern eröffnet, „dass sie auf private Krankenversicherung upgegradet werden sollen“.
Die Kosten übernehme die Agentur komplett, für die Mitarbeiter würden keine Kosten entstehen. „Stattdessen genießen sie künftig zusätzliche Leistungen wie bevorzugte Behandlung im Krankenhaus oder Kostenerstattung bei Vorsorgeuntersuchungen“, jubelt Autor Ingo Rentz. Nicht einmal versteuern müssten die Mitarbeiter ihren neuen Krankenschutz! Die Personalabteilung von Achtung! wird es wohlwollend zur Kenntnis nehmen.
Hat der Vorstand der Werbeagentur also tatsächlich beschlossen, seinen 120 Mitarbeitern eine private Krankenvollversicherung zu bezahlen? Mitnichten. Es handelt sich um eine Krankenzusatzversicherung, die über einen Gruppenvertrag mit der Allianz zustande kam. In einer ursprünglichen Version des Artikels erfuhr der Leser dies erst in einem Nebensatz, der ganz am Ende des Textes versteckt war. Mittlerweile hat HORIZONT.NET nachgebessert und verrät nun auch im Teaser des Textes, dass es sich um eine Krankenzusatzversicherung handelt und nicht um einen vollen Krankenschutz.
So aber kann man Mirko Kaminski zu einem gelungenen Coup gratulieren. In einem Online-Magazin, das viel in der Werbebranche gelesen wird, hat er kostenlose Werbung für sein eigenes Unternehmen platziert. „Im Kampf um die besten Köpfe“, wie er selbst gegenüber HORIZONT.NET erklärt. Man wolle den eigenen Mitarbeitern „kein oberflächliches Kleinklein wie subventionierte Fitnessclubmitgliedschaften oder monatliche Masseurtermine“ bieten, führt der Agenturchef weiter aus. Und macht den Abschluss einer kollektiven Krankenzusatzversicherung zum Medienereignis.
Werbung für die Krankenzusatzversicherung
Aber was wäre eine Werbeagentur, wenn sie nicht für sich selbst werben könnte? Deshalb dürfte die Assekuranz wohlwollend registrieren, dass sie ebenfalls mit kostenloser PR bedacht wurde. Immerhin werden Krankenzusatzversicherungen im HORIZONT-Text als Wohltat für die Mitarbeiter angepriesen. Und als wirksames Instrument der Mitarbeiterbindung in der Kreativbranche.
Mirko Kaminski vermutet, zukünftig seien in der Werbebranche eher gute Köpfe als fehlende Kunden das Problem. Da werde der Kampf um die besten Talente zum Überlebenskriterium für mittelständische Unternehmen. Es würde nicht wundern, wenn Versicherungsvermittler den Horizont-Artikel in die Vertriebsmappe packen, wenn sie zum Kunden gehen.
"Wir sind keine PR-Agentur", schreibt Achtung! auf seiner Webseite. "Wir denken in Ideen und darüber nach, wie wir mit „owned media“, „paid media“ und „earned media“ für Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Emotionen und Aktivierung sorgen." Das ist ihnen in Sachen Schleichwerbung diesmal gelungen.