Wie Dieter Hallervorden zum Charakterschauspieler wurde und Kinobesuchern die Augen zum Thema Pflege und Pflegevorsorge öffnet. Im Film "Sein letztes Rennen" wird ein Altersheim gezeigt, in dem Menschen ruhig gestellt und mit Kinderspielen bespaßt werden. Hallervorden brilliert dabei als urkomischer kauziger Marathonläufer.
Nicht nur in Funk und Medien ist das Thema Pflege und Pflegeversicherung allgegenwärtig. Nun hat es auch die Kinoleinwände der Republik erreicht. Im Rahmen der Sneak-Preview im Leipziger Cinestar sahen die Kinobesucher am gestrigen Abend: „Sein letztes Rennen“. In der Hauptrolle spielt Dieter Hallervorden.
Bekannt wurde der TV-Spaßvogel mit "Nonstop Nonsens" und flimmerte mit etlichem Klamauk über den deutschen Äther. Drehbuchautor und Regisseur Kilian Riedhof hätte sich mit Hallervorden keinen besseren Schauspieler aussuchen können. Denn vermutlich war es der Charme und das andauernde Warten auf einen Scherz aus dem Hause Hallervorden, der die Zuschauer in seinen Bann zog.
Sein letztes Rennen - sensibles Thema in einer nachdenklichen Tragikomödie
Denn eigentlich ist das Thema ein ganz sensibles. Hallervorden spielt Paul Averhoff, der als Marathonläufer eine Legende war und in Sydney 1958 Olympia-Gold holte. Seinerzeit war er ein Hoffnungsträger für die leidgeplagte Nachkriegsgeneration. Es ist eine nachdenkliche Tragikomödie, die vom Älterwerden erzählt und eines verdeutlicht: es geht immer weiter. „Niemals stehen bleiben. Wer stehen bleibt, hat schon verloren“ ist Averhoffs Lebensmotto.
Dabei verdeutlicht Averhoff, alias Hallervorden: „Das Leben ist wie ein Marathon“ - am Anfang geht alles ganz einfach... und dann kommen die Schmerzen... aber am Ende geht es um das Ziel, den Sieg.
Nun, mit 77 Jahren, landet er mit Frau Margot im Altersheim und schnell wird klar: Das ist die Endstation. Eine Betreuerin, Frau Müller, soll ihm und seinen Leidensgenossen Freude am Basteln von Kastanienmännchen vermitteln - zuviel des Guten für den rüstigen Rentner. Kurzerhand beschließt er, noch einen letzten Marathon zu laufen und beginnt mit dem Training. Seine Mitbewohner halten ihn für verrückt.
Averhoff reißt Mitbewohner aus dem Alltag
Doch spätestens nach einem Rennen gegen Pfleger Tobias hat sich im Altersheim herumgesprochen, wer der aufmüpfige Greis ist. Ein ehemaliger Olympiasieger. Mit seiner schroffen Art gegenüber dem Personal und dem großen Ziel Berlin-Marathon begeistert er die Mitbewohner. Er gibt ihnen Auftrieb, ein neues Ziel.
Doch bereits nach ein paar Tagen bricht er beim Training zusammen und liefert damit genügend Argumente für die besorgte Belegschaft, der der Marathon-Rentner ein Dorn im Auge ist, Averhoffs Tochter, eine Flugbegleiterin (Heike Makatsch), und einen Neurologen hinzuzuziehen. Daraufhin flieht das Paar und wendet sich, entrüstet über die menschenunwürdigen Zustände im Heim, an die Presse.
Nach dem Tod seiner Frau stürzt Averhoff in ein Loch und Pflegerin Müller, sowie die Oberschwester sehen sich in ihrer Annahme, Averhoff sei ein seniler dementer Mann, bestätigt. Daraufhin wird er medikamentös stillgestellt und am Bett fixiert. Seine Tochter wird aus ihrem Alltag herausgerissen; plötzlich dreht sich ihr Leben nur noch um ihren Vater.
Alltag im Pflegeheim: medikamentös stillgestellt und am Bett fixiert
Am Ende sind es der junge Pfleger Tobias und sein Widersacher im Pflegeheim, die Averhoff befreien und ihn für den großen Tag, den Berlin-Marathon, fit machen. Der ehemalige Olympiasieger schafft es auch als 77-jähriger die Strapazen des Marathons zu überstehen. Und, ja, es mutet ein wenig amerikanisch an, wenn am Ende alles gut wird: das Stadion feiert, er wird Opa und selbst im Heim sind alle glücklich. Denn Betreuerin Müller ist mittlerweile in einem SOS-Kinderdorf tätig. Süffisant entgegnet Pfleger Tobias abschließend: „Als hätten die dort nicht genug Probleme.“
Hallervorden als Gallionsfigur der Pflegevorsorge?
Während der Zuschauer am Fernseher vielleicht nach kurzer Zeit geneigt gewesen wäre auf einen anderen Kanal zu switchen, zieht der Film „Sein letztes Rennen“ den Kinobesucher mit einem Mix aus Komödie und Drama in seinen Bann und führt dem Publikum die gängige Praxis in deutschen Altersheimen vor Augen: den täglichen Spagat zwischen hohen Kosten, mangelndem Pflegepersonal und dem Streben nach Profit. Unter solchen Bedingungen fällt es der Belegschaft extrem schwer, eine optimale Pflege von älteren Menschen zu gewährleisten. Bewusst überspitzt wird dargestellt, wie eintönig das Leben auf dem Abstellgleis sein kann.
Für viele der Kinobesucher war es die erste oder eine der ersten Konfrontationen mit dem Thema Pflege und vielleicht ist Dieter Hallervorden, als Charakterschauspieler, ein besserer Aufklärer in Sachen Pflegevorsorge, als es Daniel Bahr jemals sein kann.