Vor rund einem Jahr hat sich die Geschäftsführung des Versicherers VHV mit Arbeitnehmervertretern über den Abbau von 120 Stellen geeinigt. Eine Transfergesellschaft sollte es den Mitarbeitern erleichtern, einen neuen Job zu finden. Doch viele der Betroffenen haben noch immer keine Arbeit. Eine Frau klagt: Statt ernster Jobangebote habe sie von ihrem Personaldienstleister ein Horoskop erhalten.
Als vor einem Jahr die VHV-Versicherungsgruppe rund 120 Mitarbeitern in Hannover kündigte, sah es nach einer gütigen Einigung aus. Der Betriebsrat hatte dem Stellenabbau zugestimmt. Vorstand Uwe Reuter sicherte den Entlassenen zu, das Unternehmen werde bei der Suche nach einer neuen Stelle helfen. Die Mitarbeiter, viele von ihnen seit Jahrzehnten in Diensten der VHV, erhielten eine Abfindung und die Möglichkeit, in eine Transfergesellschaft zu wechseln.
Doch nun ist die Atmosphäre vergiftet. Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung (Sonnabend) berichtet, haben die meisten der geschassten Angestellten noch immer keinen neuen Job. Sie geben der Transfergesellschaft daran eine Mitschuld. Und die Zeit eilt: Ende Dezember läuft die einjährige Maßnahme aus, die gemeinsam von der Arbeitsagentur und der VHV finanziert wird.
Horoskop statt Jobangebot
“Ihr Team und Sie haben uns bisher keine wirklich aktiven Vermittlungs-/ Orientierungshilfen bereitgestellt“, heißt es in einem Schreiben der Betroffenen an Helmut Meyer, Geschäftsführer der hm-personalpartner GmbH in Hannover. Der Dienstleister soll die entlassenen Mitarbeiter wieder in Lohn und Brot bringen.
Eine langjährige VHV-Angestellte klagt: statt guter Jobangebote habe sie nur Hinweise auf Stellen bekommen, die sie auch im Internet hätte finden können. Und nicht jede Vermittlungsmaßnahme sei sinnvoll gewesen. Man habe ihr zum Beispiel angeboten, ein Horoskop erstellen zu lassen. „Ich will aber kein Horoskop, ich will arbeiten“, sagte sie der Hannoverschen Allgemeinen.
Dass die Vermittlung der Entlassenen eher stockend verläuft, muss auch Helmut Meyer eingestehen. Es gebe einen relativ hohen Bedarf an Weiterbildung, erklärte der Geschäftsführer des Personaldienstleisters das Ausbleiben schneller Erfolge. Zudem seien überdurchschnittlich viele Menschen mit Behinderung von der Kündigung betroffen. Da sei Geduld nötig – und die Bereitschaft, etwas Neues anzufangen. Von achtzig Betreuten hätten bisher acht Personen einen neuen Job gefunden.
Doch was passiert mit den gefeuerten VHV-Mitarbeitern, wenn im Dezember die Betreuung durch die Transfergesellschaft ausläuft? Viele der Entlassenen sind bereits in einem fortgeschrittenen Alter und haben Angst, in die Langzeitarbeitslosigkeit abzurutschen. Und so würden sie sogar ihre Abfindung zurückzahlen, wenn sie nur wieder bei ihrem alten Arbeitgeber unterkommen könnten. Denn dass der Stellenabbau tatsächlich notwendig war, daran zweifeln die Entlassenen.
Wurden die Stellen durch billige Leiharbeiter ersetzt?
Rund 50 Ex-Mitarbeiter des Versicherungskonzerns haben eine Klage vor dem Arbeitsgericht Hannover angestrengt, mit der sie ihren alten Job zurückfordern. Der Vorwurf: Die VHV habe die Entlassenen arglistig getäuscht. Offiziell seien die Stellen wegen Sparmaßnahmen weggefallen, in Wirklichkeit aber durch billige Leiharbeiter ersetzt worden.
“Unter der Vorraussetzung, das meine Stelle gestrichen wird, habe ich die Abfindung akzeptiert. Aber das war gelogen, sie ist wieder besetzt“, sagt der 54jährige Uwe Zimmermann der Bild-Zeitung. 31 Jahre lang arbeitete Zimmermann als Hausbote bei der VHV. Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichtes nährt die Hoffnungen der Kläger. Die Stammbelegschaft dürfe nicht einfach durch billige Leiharbeiter ausgetauscht werden, hatten die Richter im Juli 2013 betont. Dies diene dem Schutz sowohl der Stammbelegschaft als auch der Leiharbeiter, weil eine dauerhafte Aufspaltung der Belegschaft verhindert werden soll (Az.: 7 ABR 91/11).
Wenn die Klage keinen Erfolg haben sollte, wollen die Entlassenen trotzdem nicht untätig bleiben. Sie haben einen Verein „massenentlassungen VHV“ gegründet, „damit derartiges Vorgehen nicht flächendeckend im Bereich der Finanz- und Versicherungsdienstleistung um sich greift, zulasten der Betreuungsqualität der Kunden“. Doch auch die VHV hat bereits ihr Entgegenkommen signalisiert. Nach dem Auslaufen der Verträge werde die Transfergesellschaft weiterhin bei der Jobsuche helfen. Derzeit gebe es "eine deutlich positive Tendenz bei den Vermittlungen", sagte ein Unternehmenssprecher der HAZ. Dies hänge auch mit dem zunehmend engagierten Verhalten der betroffenen Personen zusammen.