HUK24, DKV, CARDIF, ERGO und Gothaer haben besonders verständliche Versicherungsbedinungen. Kunden wollen grundsätzlich verstehen, was sie kaufen. Diesen Forderungen haben erst wenige Gesellschaften ihre eigenen Versicherungsbedingungen angepasst. Dr. Anikar Haseloff, Geschäftsführer des Instituts Communication Lab, erklärt im Interview, an welchen Stellen Nachholebedarf besteht.
Versicherer nehmen ihre Aufgabe, Vertragsbedingungen verständlich zu formulieren, immer ernster. Doch nach wie vor gibt es insgesamt zu wenige Regelwerke, die für Kunden verständlich sind. Das zeigt eine aktuelle Studie: Das „Institut für Verständlichkeit“ Communication Lab hat in Zusammenarbeit mit der AMC Finanzmarkt GmbH Allgemeine Versicherungsbedingungen, Produktinformationsblätter, Marketingunterlagen und FAQs von insgesamt 44 deutschen Versicherern untersucht, inzwischen in einer 2. Auflage. Communication Lab setzt dabei zur Analyse eine spezielle Software (TextLab) ein, um die Verständlichkeit der Texte objektiv und nach wissenschaftlichen Methoden zu messen. Geschäftsführer Haseloff empfiehlt Versichern, einen „Blick von außen“ einzuholen, damit die Bedingungen verständlich sind.
Herr Haseloff, wie verständlich sind AVBs?
Dr. Anikar Haseloff: Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Insgesamt muss man sagen, dass Versicherer die Aufgabe ihre Vertragsbedingungen verständlich zu formulieren, immer ernster nehmen. Da ist viel Bewegung im Markt. Dies zeigt sich in der aktuellen Auflage beispielsweise schon daran, dass die Werte für die Verständlichkeit bei den untersuchten AVBs dieses Jahr doppelt so hoch waren, wie im Jahr zuvor. Dies ist ein sehr positives Ergebnis. Insgesamt liegen jedoch Licht und Schatten nah beieinander: Während einige Versicherer schon mit verständlichen AVBs punkten, schnitten andere Versicherer wiederum sehr schlecht ab. Daher lautet unser Fazit: Es gibt durchaus verständliche AVBs - aber leider noch zu wenige.
Mit gutem Beispiel voran: AVB der ERGO
Wer hat bereits gute AVBs?
In der Studie schnitten beispielsweise die AVBs von HUK24, DKV und CARDIF sehr gut ab. Hinzu kommen noch die ERGO oder die Gothaer, die ebenfalls schon gut verständliche AVBs aufweisen können.
Wie sollten gute AVBs aussehen, damit sie leicht verständlich sind?
Da gibt es einige Punkte, die zu beachten sind. Das beginnt schon bei einem vernünftigen Inhaltsverzeichnis und einer verständlichen Beschreibung der Versicherung. Dazu kommen dann einige Regeln, die bei der verwendeten Sprache beachtet werden müssen. Dazu gehört beispielsweise der Satzbau (keine komplexen Sätze), der übermäßige Gebrauch von Fachsprache, die unbedingt kontrolliert gehört, aber auch die persönliche und freundliche Ansprache des Kunden.
Zudem ist es wichtig, dass in einer AVB ausschließlich die relevanten Aspekte für den Kunden dargestellt werden. Hier hat die ERGO beispielsweise sehr schön gezeigt, wie AVBs drastisch gekürzt und auf die für den Kunden und das Produkt relevanten Inhalte reduziert werden können.
Kritikpunkte, die von unseren Testlesern oft angemerkt werden, sind beispielsweise, dass relevante Informationen wie Kosten oder Ausschlüsse gerne an mehreren Stellen im Dokument verteilt auftauchen. Dies erschwert es ungemein, einen Überblick über relevante Vertragsinhalte zu erhalten. Auch müssen Fachbegriffe für die Leser, die ja oft Laien sind, erklärt werden. Fachbegriffe, die alternativlos sind oder aus Gründen der Rechtssicherheit verwendet werden müssen, müssen wiederum in einem Glossar erklärt werden.
Zu guter Letzt müssen verständliche AVBs auch von den gestalterischen Merkmalen her so konzipiert werden, dass die Informationsaufnahme so einfach wie möglich für den Leser ist. Das beginnt bei der Schriftgröße und endet beim Dokumentenformat.
Ursache: Versicherungsbedinungen sind ein Kompromiss
Woran liegt es, dass immer noch viele AVBs schwer verständlich sind?
Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen sind an der Erstellung von AVBs verschiedene Abteilungen beteiligt, eine AVB ist also letztlich auch immer ein Kompromiss. Und die Ersteller von AVBs sind immer Fachabteilungen, keine Kommunikationsabteilungen. Diese Fachabteilungen kommunizieren zwangsläufig in Fachsprache miteinander und zum Kunden. Daher ist das Ergebnis auch Fachsprache, die oft nichts mit der Sprache zu tun hat, die Laien verwenden. Und bei der Erstellung einer AVB wird kaum auf externe Hilfe gesetzt, wie beispielsweise bei Webtexten oder Mailings.
Zudem müssen AVBs natürlich rechtssicher sein. Und da herrscht heute immer noch sehr oft die Meinung vor, dass sich Rechtssicherheit und Verständlichkeit gegenseitig ausschließen.
Ein anderer Grund ist, dass einige Versicherer noch nicht erkannt haben, dass sie beim Thema AVB handeln müssen. Nicht nur, dass verständliche Bedingungen ein immer wichtigerer Wettbewerbsfaktor werden, Verständlichkeit muss auch im Hinblick auf die zukünftige Rechtssicherheit heute schon beachtet werden. Denn im letzten Jahr wurde zum ersten Mal eine Klausel in einer Versicherungsbedingung wegen Unverständlichkeit gekippt. Dieses Urteil wird wegweisend sein für die nächsten Jahre. Und darauf müssen Versicherer heute schon reagieren. Allerdings fehlt oft noch das Bewusstsein für die Bedeutung von Verständlichkeit.
Was sind die häufigsten Verständlichkeitshürden bei AVBs?
Die häufigsten Verständlichkeitshürden sind zumeist immer die gleichen. Komplexer Satzbau, Fachsprache, undurchsichtige weil rechtssprachliche Formulierungen, fehlende Struktur und Gliederung sowie ein hoher Abstraktionsgrad. Alles Punkte, die eigentlich sehr einfach zu beheben sind, wenn man AVBs aus Kundensicht erstellt und die Sprache seiner Kunden spricht.
Was sollten Versicherer besser machen?
Als erstes müssten Versicherer die Bedeutung von verständlichen AVBs erkennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Dazu gehört, sich eine Einschätzung von außen einzuholen. Denn dieser Blick von außen ist wichtig, um ein möglichst verständliches Ergebnis zu erzielen.
Zudem müssen intern Strukturen und Kompetenzen geschaffen werden, um die sprachlichen Aspekte einer AVB aus Sicht der Verständlichkeit objektiv und fundiert beurteilen zu können. Denn letztlich müssen Versicherer selbst in der Lage sein, verständliche Texte zu erstellen. Auch unter der Prämisse der Rechtssicherheit. Dies ist ein Prozess, den Unternehmen anstoßen und gestalten müssen.
Auch die Verbände könnten hier eine größere Rolle spielen. Denn viele Versicherer nutzen die Vorlagen und passen diese nur noch auf die eigenen Produkte an. Diese Unternehmen sind also auf gut verständliche Vorlagen angewiesen. Auch hier herrscht durchaus noch Potential für Verbesserungen.
Die Studie wurde mit der Sprach-Software TextLab durchgeführt. Grundlage der Bewertung der Verständlichkeit war der von der Universität Hohenheim entwickelten Hohenheimer Verständlichkeits-Index. Die Studie kann über AMC bezogen werden.