Bei der Talkshow mit Anne Will redete sich gestern Karl Lauterbach (SPD) um Kopf und Kragen. Neben Gästen wie Christian Lindner (FDP), Elisabeth Niejahr (Korrespondentin für Die Zeit), Heinz-Josef Bontrup (Wirtschaftswissenschaftler) und Christian Freiherr von Stetten (CDU), musste Lauterbach die aktuellen Rentenpläne der Großen Koalition verteidigen.
Titel der Sendung war "Koalitions-Zoff um Rente mit 63 - Kippt jetzt das ganze Projekt?“. Auffallend: Anne Will hatte keinen einzigen Politiker aus der Opposition eingeladen. Geschickt versuchte sie, die Differenzen zwischen CDU und SPD herauszuarbeiten.
Deutschland könne sich ein komfortables Rentensystem leisten
Da war der Wirtschaftswissenschaftler Heinz-Josef Bontrup, der die ganze Zeit darauf hinwies, dass sich ein Staat wie Deutschland ein komfortables Rentensystem sehr wohl leisten kann. Mehraufwände, wie durch die Rente mit 63 oder die Mütterrente, können locker weggesteckt werden. Eine Mehrbelastung von 160 Milliarden Euro seien „Peanuts“ für das Rentensystem, man müsse die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft dagegenhalten.
Völlig anderer Meinung war Christian Lindner. Die Rentenkasse werde 2017 pleite sein; die Rücklagen aufgebraucht. Für Karl Lauterbach kein wirkliches Problem: dann müsse man sich eben 2017 etwas einfallen lassen. Es sollte nicht das einzige Fettnäpfchen sein, in das er trat.
Christian Freiherr von Stetten befürwortete die Rente 63 ebenfalls, hatte aber ein Problem mit der Anrechnung von Arbeitslosenzeiten. Auf diese Weise würde Tür und Tor für Mißbrauch geöffnet, und zum Schluss würden zu viele schon mit 61 in Rente gehen. Lauterbach zeigte sich in diesem Punkt optimistisch: gegen die Frühverrentungswelle würde man schon eine Lösung finden, diese können er jedoch nicht öffentlich diskutieren. Anne Will hakte nach, denn genau diese Diskussion gehört in die Öffentlichkeit und nicht in geheime Tagungsräume der Fraktion. Karl Lauterbach lenkte jedoch nicht ein, seiner unglücklichen Wortwahl wohl bewusst.
Karl Lauterbach: Die Rente mit 63 sei nicht für kranke Berufstätige gedacht
Elisabeth Niejahr brachte es dann auf den Punkt: unser Sozialsystem habe bereits eine Antwort für Menschen, die nach einem langen Arbeitsleben aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, und das sei die Erwerbsunfähigkeitsrente. Diese wurde zwar in den letzten Jahren Stück für Stück beschnitten, aber sie existiert noch. Darauf fiel Karl Lauterbach als Argument nur eins ein: Die Rente mit 63 sei nicht für kranke Berufstätige gedacht, es soll hier die „kleine Gruppe“ von Gesunden berücksichtigt werden, die nach 45 Jahren sowieso nicht mehr lange zu leben haben. Sie haben meist ein kleines Einkommen und deshalb sei ihre Lebenserwartung auch nur gering.
Die Diskussion um die Rente mit 63 ist also gar keine ernstgemeinte Rentenpolitik? Wurde nur versucht, mit dem wohlklingenden Slogan „Rente mit 63“ Wählerstimmen einzufangen? Elisabeth Niejahr wies bei Anne Will darauf hin, dass die Kanzlerin im Ausland weiterhin für die Rente mit 67 wirbt, nur im eigenen Land will sie ein anderes Bild vermitteln.
Hier die vollständige Sendung: