Zwei neue Pflegestärkungsgesetze will die Große Koalition auf den Weg birngen. Von Verbänden, aus Politik und Gewerkschaft wird unter anderem bemängelt, dass die Pflegereform keine Maßnahmen zur Stärkung des Pflegepersonals bereithält. Weiterhin müssen sie für die Ausbildung selbst zahlen - trotz Fachkräftemangel. Auch die Einführung eines Pflegebedürftigkeitsbegriffes wurde noch aufgegschoben.
Aufgrund der demografischen Entwicklung wird es immer mehr Pflegebedürftige geben, bereits jetzt sind Kosten und Kapazitäten, vor allem auch Pflegepersonal in Deutschland knapp. Eine Reform der gesetzlichen Pflegeversicherung erscheint daher dringend notwendig. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf zur Stärkung der Pflege hat das Bundeskabinett kürzlich beschlossen. „20 Jahre nach ihrem Start beginnt jetzt eine Generalrenovierung der Pflegeversicherung. Das wurde auch höchste Zeit! Die konkreten Leistungsverbesserungen ab dem 1. Januar 2015 und die dann beginnenden Gesetzesarbeiten an dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff sind die richtigen Schritte für eine bessere Versorgung der Pflegebedürftigen“, meint Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes.
Pflegepersonal findet zu wenig Anerkennung
Doch stärken die geplanten Gesetze tatsächlich die Situation der Pflege? Es müsse mehr passieren, so Kiefer: „Der Pflege-Beruf muss attraktiver werden. Wir plädieren für eine Ausbildungsreform. Nach einer Grundausbildung sollte eine Spezialisierung in Alten-, Kranken- oder Kinderkrankenpflege folgen. Der Wechsel zwischen den Berufen der Pflege muss einfacher werden“ erklärt er.
Wer sich für den Pflegeberuf entscheidet und sich als Pfleger ausbilden lassen will, muss weiterhin Schulgeld zahlen. „Das ist ein Anachronismus, den wir uns bei der Knappheit in diesem Berufsfeld nicht leisten können. Das Schulgeld schreckt Menschen ab, sich für diesen Beruf zu entscheiden. Hier sind auch die Länder gefordert. Es wäre klug, wenn alle Länder die Ausbildungskosten auf alle Pflegeeinrichtungen umlegen würden. Heute sind die Einrichtungen im Wettbewerb benachteiligt, die ausbilden und die Kosten dafür alleine tragen müssen“, erklärt Kiefer.
Statt Pflegeversorgungsfonds Geld für Ausbildungsplätze in der Pflege
Grünen-Politikerin und Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik Elisabeth Scharfenberg Großen Koalition wirft der Regierung vor, dass sie ein Drittel der zusätzlichen Finanzmittel an den „völlig unsinnigen“ Pflegevorsorgefonds vergeude. „Die Fondsmittel können zudem nicht sicher vor politisch motiviertem Zugriff geschützt werden“, meint Scharfenberg.
Statt das Geld in den Fonds zu investieren und erst 2015 auszuzahlen, könnte man es auch in Ausbildungsplätze investieren, findet die Vereinte Dienstleistungsgesellschaft (ver.di). Dem Gesetzentwurf zufolge werde die Beitragsrückstellung stärker als ursprünglich geplant Kapitalmarktrisiken unterworfen. „Wir können nicht zulassen, dass das Geld der Versicherten einem unkalkulierbaren Risiko ausgesetzt wird“, so ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Wir dringen darauf, die Beitragsgelder für die Einrichtung von jährlich rund 10.000 zusätzlichen Ausbildungsplätzen zu nutzen.“ Das Bundesgesundheitsministerium hat vorgesehen, dass rund 1,2 Milliarden Euro jährlich (0,1 Beitragssatzpunkte) nicht der Verbesserung der Versorgung zugutekommen, sondern bis 2035 in einem Fonds bei der Bundesbank angelegt werden. Ein Wertverlust bis zu diesem Zeitpunkt ist allerdings nicht ausgeschlossen.
Nach Ansicht des Verbandes der privaten Krankenversicherer (PKV-Verband) spiegele der Aufbau des Pflegeversorgungsfonds die Erkenntnis, dass die Umalgefinanzierung nicht zukunftsfest sei.
Pflegebedürftigkeitsbegriff - längst überfällig
Grünen-Politikerin Scharfenberg kritisert außerdem die verschobene Einführung des Pflegebdürftigkeitsbegriffs: „Die überfällige Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs hat Gesundheitsminister Hermann Gröhe wie schon seine liberalen Vorgänger mal wieder vertagt.“ Die Reform sei „planloses und unsystematisches Stückwerk, das die Einführung des neuen Pflegebegriffs immer schwieriger macht“.
Auch die dringend erforderliche Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sei nur mit mehr Fachkräften zu schultern, so ver.di Zudem könnten mehr Arbeitsplätze die Sozialversicherung auf ein breiteres Fundament stellen und mithelfen, dass die Beiträge langfristig bezahlbar bleiben. Bühler ist überzeugt: „Die Investition in Ausbildung ist ein Gewinnerthema für alle in der Gesellschaft. Das Geld ist da und alles spricht dafür, es jetzt zu nutzen.“
Eine zukunftsorientierte Pflegepolitik dürfe sich zudem grundsätzlich nicht auf Reparaturen der Pflegeversicherung reduzieren, meint Scharfenberg: „Pflege ist mehr als die Pflegeversicherung. Deswegen muss auch in den Blick genommen werden, wie etwa die Kommunen die pflegerische Versorgung wieder mehr vor Ort gestalten und dabei unterstützt werden können“, erklärt sie.