Rund 300 Angestellte der altehrwürdigen Hamburger Feuerkasse fürchten um ihren Job. Laut einem Zeitungsbericht planen die Eigner der Konzernmutter Provinzial Nordwest, die Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand umzustrukturieren oder sogar zu verkaufen. Der Versicherer dementiert alle Gerüchte - doch bereitet wohl tatsächlich eine Umstrukturierung vor.
Die 1676 gegründete Hamburger Feuerkasse gilt als älteste Versicherung der Welt. Viele Leistungen, die heute zum Standardrepertoire von Versicherungsverträgen zählen, gelten als Innovationen des traditionsreichen Hauses – unter anderem führte man 1833 die Neuwertentschädigung bei Wohngebäudepolicen ein. Doch die Zukunft des Versicherers ist ungewiss, 300 Beschäftigte bangen um ihren Arbeitsplatz.
Ulrich Rüther und zwei weitere Vorstände sollen gehen
Der Grund für die Unruhe sind Umstrukturierungspläne bei der Konzernmutter des öffentlichen Versicherers, wie Welt Online berichtet. Der Versicherungskonzern gehört komplett zur Provinzial Nordwest mit Sitz in Münster. Dort läuft zum Jahresende der Vertrag des Vorstandsvorsitzenden Ulrich Rüther aus, der zugleich Vorsitzender im Aufsichtsrat der Hamburger Feuerkasse ist. Auch zwei weitere Vorstände, ebenfalls im Aufsichtsrat der Feuerkasse, sollen wohl ihren Hut nehmen. Angeblich werden bereits Nachfolger für die scheidenden Führungskräfte gesucht.
Warum jedoch die Vorstände gehen sollen, ist zumindest fraglich, denn sie machen einen guten Job. Mit einem Jahresüberschuss nach Steuern von 136,2 Millionen Euro konnte die Provinzial Nordwest 2012 ihr Geschäftsergebnis gegenüber dem Vorjahr steigern (116,2 Millionen). Auch die überwiegend im Hamburger Raum tätige Feuerkasse erzielte einen Überschuss von 3 Millionen Euro. In dem derzeit schwierigen Marktumfeld ist das keine Selbstverständlichkeit.
Der Betriebsratsvorsitzende Ralf Neidhardt fürchtet deshalb, dass der angestrebte Personalwechsel auf einen Verkauf der Feuerkasse hindeutet. „Wenn fast der gesamte Vorstand ausgetauscht wird, der bisher sehr erfolgreich gearbeitet hat, dann ist zu vermuten, dass auch das bisherige Geschäftsmodell in Frage gestellt wird“, sagte Neidhardt gegenüber Welt Online. Die Beschäftigten seien über mögliche Verkaufspläne sehr beunruhigt.
Eigentümer dementieren Verkaufspläne
Doch was ist dran an den Gerüchten? Eigentümer der Konzernmutter Provinzial Nordwest ist zu 80 Prozent der Sparkassenverband Münster und der Landschaftsverband Westfallen Lippe. Ein Sprecher beider Verbände erklärte umgehend, aktuell stehe ein Verkauf der Hamburger Feuerkasse nicht zur Debatte. Auch zu Personalspekulationen wollte sich der Eigentümer nicht äußern. Zugleich heißt es in einer Erklärung, die Aufsichtsräte wollen sich mit denkbaren Änderungen befassen. Also alles nur heiße Luft?
Die Arbeitnehmervertreter bleiben skeptisch. Das hat auch damit zu tun, dass die Eigner der Provinzial Nordwest schon einmal das Vertrauen ihrer Mitarbeiter verletzt haben: 2012 trieben die Verbände klammheimlich einen Verkauf des Versicherers an den privaten Mitkonkurrenten Allianz Versicherung voran. Laut der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi standen damals alle 6.000 Jobs auf dem Spiel. Nur ein massiver Protest von Beschäftigten und Lokalpolitikern konnte die Verscherbelung des öffentlichen Anbieters verhindern (Versicherungsbote berichtete).
Auch aktuell kommen aus dem Unternehmen widersprüchliche Aussagen. „Es gibt interne Pläne, die Sachversicherer der Provinzial Nordwest in einem Unternehmen zu bündeln“, erklärte Uwe Grund, Mitglied des Konzernaufsichtsrats der Provinzial Nordwest, gegenüber Welt Online. Dies würde bedeuten, dass die Hamburger Feuerkasse ihre Selbstständigkeit verliert und nur den traditionsreichen Namen behält. Auch einen Verkauf wollte Grund nicht ausschließen. Ein Insider erklärte dem Blatt, dass sogar der Abschied von Ulrich Rüther längst beschlossen und mit ihm abgesprochen sei.
Sparkassen leiden unter Altlasten aus der Finanzkrise
Als Strippenzieher bei den Umstrukturierungen gilt Rolf Gerlach, der auch schon die Verkaufsgespräche mit der Allianz vorangetrieben hatte. Der einflussreiche Präsident des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe trägt dabei sogar eine Mitschuld, dass die von ihm betreuten Institute in eine Schieflage gerieten. Von 2004 bis 2007 war Gerlach Vorsitzender des Verwaltungsrates der WestLB - zu einer Zeit, als das Geldhaus sich mit Subprime-Krediten auf dem amerikanischen Kapitalmarkt verzockte.
Obwohl die WestLB 23 Milliarden Euro schwere Ramschpapiere in eine Zweckgesellschaft ausgliederte und unter den staatlichen Rettungsschirm schlüpfte, musste sie mittlerweile abgewickelt werden. Die Altlasten freilich quälen die Sparkassen in Westfalen-Lippe noch heute. In Schleswig-Holstein hingegen müssen die öffentlichen Institute für die Fehler der HSH Nordbank geradestehen.
Doch speziell die öffentlichen Versicherer haben sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Die kleine Feuerkasse Hamburg konnte 2012 einen Jahresüberschuss nach Steuern von 3 Millionen Euro erzielen, nachdem sie in den Jahren zuvor ein Sorgenkind war. Die Konzernmutter Provinzial Nordwest verbucht auf der Habenseite rund 3 Millionen Kunden sowie jährliche Beitragseinnahmen von über 3 Milliarden Euro. Hinzu kommt ein breites Filialnetz und eine starke regionale Verankerung. Auch weil es den öffentlichen Versicherern insgesamt gut geht, stoßen die Umstrukturierungspläne auf Misstrauen.