Auslandskrankenversicherung - Drei Millionen Deutsche halten sich Schätzungen zufolge im Ausland auf - und brauchen angepassten Versicherungsschutz. Versicherungsbote sprach mit Anne-Katrin Schulz vom Bund der Auslands-Erwerbstätigen (BDAE) über Risikozuschläge, Heimataufenthalte und Expatriates.
Versicherungsbote:
Der Bund der Auslands-Erwerbstätigen (BDAE) existiert seit 1995 und hat sich auf Versicherungslösungen für Personen spezialisiert, die längere Zeit im Ausland leben und arbeiten. Wie kam es zu der Spezialisierung? Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, derartige Versicherungslösungen anzubieten?
Anne-Katrin Schulz:
Die Idee entstand, weil unser Gründer und Geschäftsführer Andreas Opitz damals selbst beruflich viel im Ausland unterwegs war und als Einzelperson keine Auslandskrankenversicherung abschließen konnte, die auch den (längerfristigen) beruflichen Aufenthalt im Ausland abdeckte. Er stellte fest, dass viele Auslandserwerbstätige lediglich mit einer Urlaubs-Reiseversicherung abgesichert waren, die allerdings nur maximal sechs bis acht Wochen gültig war und bei beruflich bedingten Aufenthalten nicht geleistet hätte. Weil die Assekuranz damals für diese Zielgruppe lediglich Gruppenversicherungstarife aber keine Einzelpolicen anbot, gründete er den Bund der Auslands-Erwerbstätigen e.V., so dass Betroffene über den Verein langfristige Auslandskrankenversicherungen abschließen konnten. Inzwischen ist aus dem BDAE e.V. eine Unternehmensgruppe geworden, die eigene Versicherungslösungen für Deutsche im Ausland und Ausländer in Deutschland entwickelt und vermarktet.
Eine Auslandskrankenversicherung ist grundsätzlich erforderlich bei Aufenthalten außerhalb der EU, denn dort greift die GKV nicht oder nur eingeschränkt. Viele Länder setzen überdies für die Erteilung einer Arbeits- und/oder Aufenthaltserlaubnis voraus, dass die Einreisenden einen im Ausland gültigen Krankenversicherungsschutz vorweisen können. Von lokalen Versicherungen raten wir in der Regel ab, denn diese sind nicht immer international und auch nicht bei Aufenthalten im Heimatland gültig.
Bei Aufenthalten innerhalb der EU sollten Reisende ebenfalls immer eine Auslandskrankenversicherung im Gepäck haben, auch wenn dort – zumindest offiziell – die deutsche Krankenversicherung gültig ist. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen wird die Europäische Gesundheitskarte (auch EHIC) nicht von allen Ärzten akzeptiert und zum anderen ist der Krankenrücktransport ins Heimatland nicht mitversichert. Zudem weisen die Gesundheitssysteme in den einzelnen europäischen Ländern gravierende Unterschiede auf. Während ein spanischer Tourist in Deutschland bei einem medizinischen Notfall den Allgemeinarzt oder das Krankenhaus problemlos konsultieren kann, muss sich ein deutscher Patient in Griechenland, Italien oder Spanien an die staatlichen Gesundheitseinrichtungen wenden.
Das Problem: Vielen ist nicht bekannt, dass das Recht auf freie Arztwahl, das wir hier in Deutschland haben, in etlichen Ländern nicht existiert. In Spanien beispielsweise muss man im Krankheitsfall zu einem Gesundheitszentrum gehen, das dann den behandelnden Arzt zuweist.
Versicherungsbote:
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) verlassen jedes Jahr mehr als 150.000 Deutsche ihr Heimatland, um im Ausland einen beruflichen Neuanfang zu wagen. Viele werden von deutschen Unternehmen entsendet. Welche Versicherungen sollten Expatriates besitzen, wenn sie ins Ausland gehen?
Anne-Katrin Schulz:
Tatsächlich sind es weitaus mehr Deutsche, die zurzeit im Ausland leben und arbeiten. Destatis erfasst nämlich nur jene Deutschen, die ihren Wohnsitz beim Einwohnermeldeamt abmelden. Insbesondere Expatriates, die vom Unternehmen entsandt werden, behalten aber ihren Wohnsitz in Deutschland weiterhin bei. Wir schätzen, dass sich gegenwärtig rund drei Millionen Deutsche längerfristig im Ausland aufhalten.
Die wichtigste Versicherung ist natürlich die Auslandskrankenpolice. Als besonders wichtig darüber hinaus erachten wir zudem die Auslandsrechtsschutzversicherung, da wir das Rechtssystem anderer Länder für gewöhnlich nicht so gut kennen wie das des Herkunftslandes. Bei Unkenntnis der Rechtslage in fremden Ländern, kann der Versuch, im Ausland sein Recht durchzusetzen, teuer und langwierig werden. Hinzu kommt, dass man beispielsweise in islamisch geprägten Ländern sehr schnell wegen scheinbarer Bagatelldelikte in Schwierigkeiten kommen kann. Denken Sie nur an all die Geschichten von Ausländern, die wegen „anzüglichen Verhaltens“ wie eine innige Umarmung in der Öffentlichkeit ins Gefängnis kamen. Auch die USA sind was Rechtsstreitigkeiten angeht für ahnungslose Ausländer ein „gefährliches Pflaster“.
Versicherungsbote:
Bieten Sie auch Versicherungslösungen für Deutsche an, die sogar planen, in ein anderes Land auszusiedeln?
Anne-Katrin Schulz:
Ja, tatsächlich sogar schon sehr lange. Vor gut 15 Jahren haben wir beispielsweise mit dem Tarif Expat Retired eine Auslandskrankenversicherung auf den Markt gebracht, die unbegrenzten Versicherungsschutz für Rentner im Ausland bietet. Seit etwa zwei Jahren haben wir einen ähnlichen Tarif im Angebot, der Residenten – also Personen und Familien die für immer ins Ausland gehen – absichert. Wir haben beispielsweise eine Auswandererfamilie, die aus dem TV bekannt ist, damit versichert.
Versicherungsbote:
Angenommen, ein deutscher Unternehmer oder Arbeitnehmer will sein „Know How“ in Staaten wie Afghanistan, dem Irak oder Libyen einbringen, wo das Sicherheitsrisiko sehr hoch ist. Bietet der BDAE auch für diese Menschen Möglichkeiten der Absicherung? Müssen sie Risikoaufschläge akzeptieren?
Anne-Katrin Schulz:
Selbstverständlich sichern wir auch Aufenthalte in Ländern mit Gefahrenpotenzial ab und zwar ohne Risikozuschläge. Wir haben lediglich in den Versicherungsbedingungen festgehalten, dass Verletzungen aufgrund von „aktiver Kriegsteilnahme“ beziehungsweise bewusste Involvierung in Krisensituationen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Wer also vorsätzlich an einer gewalttätigen Demonstration in Libyen teilnimmt oder als Soldat nach Afghanistan geht, hätte im Krankheitsfall keine Deckung durch die Versicherung.
Versicherungsbote:
Wie ist der Versicherungsschutz bei einem vorrübergehenden Heimataufenthalt?
Anne-Katrin Schulz:
Heimataufenthalte sind in fast allen Tarifen mitversichert – je nach Tarifwahl zwischen drei bis sechs Monaten pro Versicherungsjahr. Entscheidend ist, dass der Versicherte sich vorübergehend in Deutschland aufhält, also in absehbarer Zeit plant, ins Ausland zurückzukehren. Wer sich dauerhaft in Deutschland aufhält, wird hier versicherungspflichtig und kann nicht mehr über eine Langzeitreiseversicherung abgesichert werden.
Versicherungsbote:
Eine wichtige Zielgruppe für Auslandsversicherungen sind Studenten. Das Erasmus-Austauschprogramm erfreut sich in Deutschland wachsender Beliebtheit, zunehmend Praktika in Übersee und „exotischen“ Ländern. Wie hoch ist der Anteil der versicherten Studenten? Worauf sollten Studenten besonders achten, wenn Sie ins Ausland gehen?
Anne-Katrin Schulz:
Der Anteil der bei uns versicherten Studenten ist vergleichsweise gering, da diese nicht unsere wichtigste Zielgruppe sind. Nichtsdestotrotz bieten wir mit dem Tarif Expat Academic einen Krankenversicherungsschutz speziell für diese Klientel ab. In punkto Absicherung sollten Studenten darauf achten, dass ambulante und stationäre Heilbehandlungen zu 100 Prozent abgesichert sind und freie Arztwahl besteht, damit sie im Ausland auch zu Privatärzten gehen können und sich nicht in staatlichen Krankenhäusern behandeln lassen müssen. Studentinnen sollten zudem darauf achten, dass die Versicherung auch Schwangerschaft und Entbindung absichert, denn das kann im Ausland besonders teuer werden.
Versicherungsbote:
Dritte Zielgruppe: ich bin ein Backpacker und will zwei Jahre lang zu Fuß die Welt bereisen. Ich nehme nicht viel mehr mit als einen Rucksack, auf meiner Reiseroute liegen Staaten wie Pakistan oder der Iran. Welche Versicherungslösungen empfehlen Sie?
Anne-Katrin Schulz:
Auch hier ist eine weltweit gültige Auslandskrankenversicherung das A und O. Diese sollte auf jeden Fall Assistance-Leistungen integriert haben, damit der Backpacker auch in entlegenen Gegenden ein adäquates Krankenhaus findet und im Notfall aus dem Land ausgeflogen werden kann. Assisteure sind rund um die Uhr über eine Notfall-Hotline erreichbar und organisieren Evakuierungen und Verlegungen in spezialisierte Krankenhäuser. Unsere Tarife haben neben diesen Assistance-Leistungen übrigens auch eine Patientenrechtsschutzversicherung eingeschlossen, die bei Fehlbehandlungen und Kunstfehlern leistet. Nicht in jedem Land ist sichergestellt, eine Behandlung auf dem deutschen medizinischen Niveau zu erhalten.
Versicherungsbote:
Das deutsche Gesundheitssystem gilt als eines der besten der Welt. Haben Versicherte im Ausland Anspruch auf eine „bessere“ Behandlung? Gibt es einen Anspruch auf adäquate Behandlung oder Privatbehandlung? Wie kann man die Absicherung im Ausland vergleichen: Mit der gesetzlichen Grundversorgung?
Anne-Katrin Schulz:
Bei uns sind alle Versicherten Privatpatienten und haben im Ausland Anspruch auf Behandlung durch Privatärzte. Je nach Tarifwahl ist bei Krankenhausaufenthalten entweder die Unterbringung im Einbett- oder Zweibettzimmer versichert. Die gesetzliche Grundversorgung ist im Prinzip bei all unseren Tarifen gewährleistet – bei höherwertigen Produkten ist oftmals noch mehr drin. Eines müssen Versicherte sich aber bewusst machen: Ähnlich wie in der PKV sind in fast all unseren Tarifen Vorerkrankungen und bestehender Behandlungsbedarf ausgeschlossen. Wer also bei Versicherungsabschluss unter einer chronischen Erkrankung wie beispielsweise Diabetes leidet, bekommt Medikamente für diese und im Zusammenhang mit Diabetes bestehende Erkrankungen nicht erstattet. Lediglich bei unseren Tarifen für die von Unternehmen entsandten Mitarbeiter sind Vorerkrankungen und bestehender Behandlungsbedarf mitversichert.
Versicherungsbote:
Wie schätzen Sie den Zukunftsmarkt für Auslandsversicherungen ein? Erasmus stellt bis 2020 für alle Bereiche 40 Prozent mehr Fördergelder bereit als das Vorläuferprogramm. Laut EU-Kommissarin Androulla Vassiliou könnte Erasmus plus in den nächsten sieben Jahren knapp 600.000 jungen Deutschen helfen ins Ausland zu gehen. Wieviel Vorfreude herrscht in der Branche?
Anne-Katrin Schulz:
Wie bereits erwähnt sind Studenten nicht die wichtigste Zielgruppe für Auslandskrankenversicherer – es sei denn ein Anbieter hat sich ausschließlich auf diese spezialisiert. Was uns erfreut, ist die Tatsache, dass die Zahl der Auslandsentsendungen massiv steigt. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Entsendungen weltweit um 25 Prozent erhöht und auch der deutsche Mittelstand – einer unserer wichtigsten Zielgruppen – schickt immer häufiger Mitarbeiter ins Ausland. Hinzu kommt, dass vor allem die heutigen Berufseinsteiger vermehrt den Wunsch und die Bereitschaft äußern, ein paar Jahre im Ausland zu arbeiten. Als wir vor fast 20 Jahren gegründet worden sind, befanden wir uns in einer absoluten Nische. In den letzten Jahren ist diese Nische signifikant größer geworden und davon profitieren wir durchaus. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass nun auch andere Versicherer diesen lukrativen Markt für sich entdeckt haben und ein Stück vom „Kuchen“ abhaben wollen. Wir heben uns aber vor allem über unsere Erfahrung vom Wettbewerb ab und ganz besonders durch unsere Beratungskompetenz sowie die spezialisierte Schadenregulierung in unserem Haus. Unser Consulting-Team besteht aus Juristen, die insbesondere im Bereich der internationalen Sozialversicherung versiert sind.
Vielen Dank für das Interview. Die Fragen stellten Björn Bergfeld und Mirko Wenig für Versicherungsbote.