Versicherungsvergleiche im Internet sind oft irreführend und wettbewerbsverzerrend

Quelle: TheAngryTeddy@Pixabay.com (Ausschnitt)

Online-Vergleiche für Versicherungen sind oft irreführend und wettbewerbsverzerrend, behauptet Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski von der Humboldt Universität zu Berlin. Anlass für Versicherungsbote, bei dem Versicherungsexperten nachzufragen: Warum hält Schwintowski Online-Abschlüsse über Vergleichsportale für rechtswidrig? Und wie schätzt der Rechtswissenschaftler die Zukunftsperspektiven für das persönliche Beratungsgespräch ein?

Versicherungsbote: Sehr geehrter Herr Schwintowski, auf einer Veranstaltung des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) haben Sie argumentiert, Online-Vergleichsplattformen für Versicherungen würden nicht die rechtlichen Anforderungen erfüllen. Welche Vergleichsportale haben Sie dafür untersucht?

Hans-Peter Schwintowski: Wir haben alle Vergleichsportale angeschaut, die Versicherungsprodukte anbieten - ganz besonders intensiv Check24.

Versicherungsbote: Können Sie bitte für unsere Leser begründen, warum die Onlineanbieter Ihrer Ansicht nach gegen geltendes Recht verstoßen?

Hans-Peter Schwintowski: Alle Portale, die die Vermittlung von Versicherungen anbieten, geben vor Beginn der Beratung nicht die erforderlichen Statusinformationen, also ob sie Makler oder gebundener Vermittler sind. Und sie beschäftigen sich nicht mit den individuellen Wünschen und Bedürfnissen der Kunden, so wie es das Versicherungsvertragsgesetz vorschreibt. Außerdem werden die Anforderungen an eine angemessene Dokumentation nicht oder nicht richtig erfüllt. Stattdessen tun die Portale so, als seien die Leistungen und die Art der Schadensregulierung bei den einzelnen Gesellschaften identisch, was aber nicht zutrifft, sodass beim Preisvergleich Äpfel mit Birnen verglichen werden. Das ist irreführend, wettbewerbsverzerrend und zugleich ein Beratungsfehler, der zu Schadensersatz führen kann.

Versicherungsbote: Wenn die Vergleichsportale gegen geltendes Recht verstoßen, dann müsste es möglich sein, Online abgeschlossene Verträge vor Gericht anzufechten. Wie können sich Kunden wehren, wenn sie mit einem Vertrag oder einer Beratung unzufrieden sind?

Hans-Peter Schwintowski: Kunden können wegen fehlerhafter Beratung nach § 63 VVG Schadensersatz verlangen - d.h. auch geltend machen, so gestellt zu werden, als hätten sie den Vertrag gar nicht geschlossen.

Versicherungsbote: Rechnen Sie mit einer Klagewelle unzufriedener Kunden, sollte es erste Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschlüsse geben?

Hans-Peter Schwintowski: Ich glaube nicht, dass es eine Klagewelle unzufriedener Kunden geben wird, weil ich vermute, dass die allermeisten Kunden mit den von ihnen gewählten Versicherungen einverstanden und letztlich auch zufrieden sind, aber: Ob ich mit dieser Annahme richtig liege, weiß ich nicht.

Versicherungsbote: Halten Sie Vergleichsportale für Versicherungen vor dem Hintergrund einer guten Beratungsqualität grundsätzlich für problematisch? Was müsste sich verbessern, damit Kunden von einem guten Online-Vergleich bzw. einer guten Online-Beratung profitieren können?

Hans-Peter Schwintowski: Nach meiner Meinung können auch Vergleichsportale eine gute Beratung durchführen. Sie müssten nur die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden im Einzelnen abfragen, daraus Risikoprofile erstellen und auf der Grundlage solcher Risikoprofile Vergleichsanalysen im Markt durchführen. Wenn das Portal das alles leisten würde, dann könnte man mithilfe des Portals tatsächlich sehr viel bessere Versicherungsangebote erreichen, als dies heute möglich ist. Vor allem aber müssten die Vergleichsportale auch die AVB (Allgemeinen Vertragsbedingungen) in ihre Vergleiche miteinbeziehen und die Transparenzanforderungen des geltenden Rechts bei den Vergleichen berücksichtigen.

Versicherungsbote: Versicherungsmakler sind zwar ihren Kunden verpflichtet, aber ebenso abhängig von Provisionen. Wie kann Ihrer Meinung nach die Qualität und Unabhängigkeit der Versicherungsberatung gewährt werden?

Hans-Peter Schwintowski: Die Unabhängigkeit der Versicherungsberatung wäre sehr viel größer, wenn die Vermittler mit den Kunden die Provisionen/Honorare vereinbaren würden.

Versicherungsbote: Muss auch der Gesetzgeber nachbessern, um eine gute Online-Beratung zu gewährleisten?

Hans-Peter Schwintowski: Nach meiner Meinung muss der Gesetzgeber nicht nachbessern, weil im VVG klar geregelt ist, dass jeder Vermittler seinen Status benennen und die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden erfragen und davon ausgehend auch beraten und empfehlen muss. So gesehen wäre es nur wichtig, dass im Vermittlermarkt selbst geklärt wird, dass auch die Portale die gleichen Anforderungen erfüllen müssen, die jeder Vermittler in Fleisch und Blut erfüllt.

Versicherungsbote: Wie sehen Sie die Chancen für ungebundene Versicherungsvermittler, sich auf dem Markt zu behaupten? Wird nach Ihrer Ansicht die Bedeutung des persönlichen Beratungsgespräches zu- oder abnehmen?

Hans-Peter Schwintowski: Nach meiner Meinung sind die Chancen für ungebundene Versicherungsvermittler nach wie vor gut - entscheidend ist, dass sie das persönliche Gespräch suchen und im persönlichen Gespräch zeigen, dass sie besser als Portale sind. Das wird den Vermittlern insbesondere dann gelingen, wenn sie zwar auf Vergleichssoftware zurückgreifen, aber dem Kunden klarmachen können, dass das, was im Vergleichsportal empfohlen wird, nicht unbedingt immer mit den Wünschen und Bedürfnissen des individuellen Kunden übereinstimmt. Jeder Vermittler, der seinem Kunden zeigen kann, dass er besser als ein Vergleichsportal ist, wird den Kunden auf Dauer gewinnen und an sich binden.

Versicherungsbote: Wir bedanken uns für das Interview! (Die Fragen stellte Mirko Wenig)