Das Lebensversicherungs-Reformgesetz (LVRG) wird vor allem kleinere Anbieter vor die Frage stellen, ob sich zukünftig der Bereich Leben noch finanzieren lässt. Der Grund: Bereits ab Januar 2015 entsteht bei den Vertriebs- und Abschlusskosten eine Finanzierungslücke von bis zu 40 Prozent. Denn der zulässige Höchstsatz, um diese Ausgaben aus Beitragszahlungen von Versicherten zu decken, sinkt. Zu dieser Einschätzung kommt die Unternehmensberatung Q_Perior.
„Die Versicherer müssen künftig deutlich stärker als bisher in Vorleistung treten, um das aktuelle Vergütungsniveau im Vertrieb zu halten“, sagt Frank Hammer, Experte für Vertriebs- und Kundenmanagement bei Q_Perior. „Nach den neuen Regeln dürfen die Versicherungsunternehmen nur noch 2,5 statt vier Prozent der Abschlusskosten für eine Lebensversicherung bilanziell geltend machen, um Verbraucher während der ersten Beitragsjahre vor zu niedrigen Rückkaufwerten zu schützen. Das wirkt sich jedoch nachteilig auf Gesellschaften aus, denen der finanzielle Spielraum für zusätzliche Vertriebsaufwände fehlt und die vermutlich gezwungen sind, bei den Provisionen zu sparen.“
Das LVRG sieht zudem vor, Provisionen spartenübergreifend offenzulegen. Nach dem Willen des Bundesrats sollen die Versicherer künftig maximale Transparenz gewährleisten und sämtliche Abschlusskosten beim Vertragsabschluss angeben. Geldwerte Vorteile fallen ebenfalls unter diese Regelung. Die Transparenz auf Euro und Cent berge jedoch noch nicht nur Vorteile, mahnt der Experte. „Allein der Blick auf die Kosten verrät noch nichts über die Qualität einer Beratung oder von empfohlenen Versicherungsprodukten“, so Hammer. „Vielmehr setzt eine qualifizierte Entscheidung, ob die aufgerufenen Kosten gerechtfertigt sind oder nicht, genau diese Beratung erst voraus. Die Katze beißt sich in den Schwanz.“
Damit keine falschen Erwartungen auf Kundenseite entstehen, dürften viele Versicherungen jetzt damit beginnen, Vertriebs- und Vergütungsstrukturen auf den Prüfstand zu stellen. Insbesondere alternative Bezahlmodelle wie laufende Provisionen im Ausschließlichkeitsvertrieb oder Konzepte zu Honorarberatungen rücken dabei in den Fokus. „Das LVRG betrifft den gesamten Vertriebsapparat der Gesellschaften. Provisionskürzungen sorgen beispielsweise bei Maklerpools und strukturierten Vertrieben für Finanzierungsengpässe bei unterstützenden Prozessen etwa durch Spezialisten, Führungskräfte oder Marketing. Wegen der üblichen Querfinanzierungen gilt das auch über die Sparte Leben hinaus“, sagt Frank Hammer.
Insgesamt rechnet der Experte damit, dass die seit längerem zu beobachtende Anbieterkonzentration im Versicherungsmarkt noch weiter zunimmt. Sinkende Provisionen verstärken voraussichtlich Abwanderungen von Vermittlern zu zahlungskräftigen Gesellschaften. Dadurch nimmt die Angebotsvielfalt ab. Bei Lebensversicherungen droht darüber hinaus bereits zu Beginn des Jahres 2015 weiteres Ungemach. Dann sinkt der Garantiezins um 0,5 Prozentpunkte auf nur noch 1,25 Prozent. Niedrige Rendite und sinkende Attraktivität sowie steigende Vertriebskosten veranlassen womöglich nicht wenige Gesellschaften dazu, das Neugeschäft bei Lebensversicherungen endgültig einzustellen (Run-Off).