Ulrich Rüther, Vorstandschef der Provinzial Nordwest, muss den Versicherungskonzern zum Jahresende verlassen. Das teilte der Aufsichtsrat der Provinzial Nordwest am Dienstagabend nach einer Sitzung mit. Eine Begründung für den anstehenden Führungswechsel wurde nicht benannt.
Was lange spekuliert worden war, ist nun offiziell: Ulrich Rüther wird zum Jahresende 2014 seinen Posten als Vorstandschef der Provinzial Nordwest abgeben, wie der Aufsichtsrat des Unternehmens am Dienstag mitteilte. Damit verliert der öffentliche Versicherer einen anerkannten Versicherungsexperten, der zuvor bereits als Manager für die Gerling-Konzern und die Ergo-Versicherungsgruppe tätig war. Ulrich Rüther ist seit Januar 2009 Vorstand der Provinzial Nordwest Holding, über die Nachfolge müsse das Kontrollgremium nun beraten.
Eine erfundene Schraubenzieherattacke – und Widerstand gegen Verkaufspläne
Gründe für die Trennung wurden nicht genannt. Beobachter vermuten, dass es ein Schraubenzieher war, der Ulrich Rüther den Job kostete. Dieser steckte in seiner Brust, als er am 05. Dezember 2012 in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Die Verletzung habe ihm ein Vermummter auf dem Weg zur Betriebsversammlung zugefügt, wird Rüther später bei der Polizei zu Protokoll geben, er sei in der Tiefgarage attackiert worden. Doch die Geschichte ist frei erfunden: Rüther hat sich die Stichwunden selbst beigebracht. Anschließend begründete er den Vorfall gegenüber Ermittlern mit den enormen Auswirkungen, die Spekulationen über einen Verkauf der Provinzial Nordwest auf seine Familie gehabt hätten (Versicherungsbote berichtete).
Auch Rüthers Widerstand gegen eine Privatisierung der Provinzial Nordwest könnte Ursache für die Trennung sein. Eigentümer des öffentlichen Versicherers ist zu 80 Prozent der Sparkassenverband Münster und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Im Herbst 2012 berichtete die Financial Times Deuschland, dass beide Verbände klammheimlich einen Verkauf der Provinzial an den privaten Mitkonkurrenten Allianz Versicherung vorantreiben. Bis zu 6.000 Jobs stünden dadurch auf dem Spiel, warnte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.
Als Strippenzieher der Verkaufsgespräche galt Rolf Gerlach, Aufsichtsratschef der Provinzial und einflussreicher Präsident des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe. Doch Rüther habe die Verkaufspläne laut informierten Kreisen abgelehnt. Zwar konnte eine Verscherbelung des öffentlichen Versicherers abgewendet werden, doch das Verhältnis zwischen Rüther und Gerlach gilt seitdem als zerrüttet. 2013 scheiterte zudem ein Fusionsgespräch der Provinzial Nordwest mit der Konzernschwester Provinzial Rheinland, daraufhin verordneten die Eigentümer strenge Sparvorgaben.
Provinzial Nordwest wuchs trotz einem schwierigen Marktumfeld
Keinen Zweifel kann es daran geben, dass Ulrich Rüther bei dem öffentlichen Versicherer einen guten Job machte. Mit einem Jahresüberschuss nach Steuern von 136,2 Millionen Euro konnte die Provinzial Nordwest 2012 ihr Geschäftsergebnis gegenüber dem Vorjahr steigern (116,2 Millionen). Der Versicherer kann auf der Habenseite rund 3 Millionen Kunden verbuchen sowie jährliche Beitragseinnahmen von über 3 Milliarden Euro. Im derzeitigen Niedrigzins-Umfeld ist das keine Selbstverständlichkeit.
Folglich fielen die Abschiedsworte des Aufsichtsratschefs Rolf Gerlach wohlwollend aus. “Herr Rüther hat die Provinzial-Gesellschaften in Kiel und Münster in einer herausfordernden Zeit als anerkannter Fachmann erfolgreich geführt und mit den Kollegen gute betriebswirtschaftliche Ergebnisse erzielt“, sagte Gerlach gegenüber Pressevertretern. Warum er sich trotzdem von seinem Vorstand trennen will, erklärte er nicht.