Mit einer Bankenunion soll der Finanzkrise etwas entgegengesetzt werden. Um europäischen Banken mehr Stabilität zu geben, verabschiedete die Bundesregierung gestern Gesetzesentwürfe zur Umsetzung europäische Vereinbarungen einer Bankenunion. Bundesfinanzminister Schäuble betonte, er wolle das Risiko ausschließen, dass Steuerzahler für finanzielle Krisen haften. Das könne man jedoch nicht erwarten, so Finanzexperten.
Die Bundesregierung hat am 9. Juli 2014 mehrere Gesetzentwürfe beschlossen: Das Gesetz zur Umsetzung der europäischen Bankenabwicklungsrichtlinie (BRRD-Umsetzungsgesetz) sowie das Gesetz zur Ratifizierung des intergouvernementalen Übereinkommens vom 21. Mai 2014. Damit sollen die national erhobenen Bankenabgaben auf einen künftigen einheitlichen Abwicklungsfonds übertragen werden und die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge geregelt werden. Weiterhin enthält das Maßnahmenpaket zwei Gesetzentwürfe, mit denen die Einführung des neuen ESM-Instruments der direkten Bankenrekapitalisierung umgesetzt wird, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium.
Bankenunion - eine Lehre aus der Finanzkrise
„Die Bankenunion schaffen wir als Lehre aus der Finanz- und Bankenkrise und als Lehre aus der Eurokrise. Die heute beschlossenen Maßnahmen sind ein wichtiger Schritt, um den Finanzsektor weiter zu stabilisieren und um das Vertrauen in die Stabilität unserer gemeinsamen europäischen Währung weiter zu stärken“, so Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble. „Wir lassen Haftung und Verantwortlichkeit dort angesiedelt, wo auch die Zuständigkeit für die Entscheidungen ist. So wollen wir das Risiko, dass wieder die Steuerzahler wie in der Finanzkrise in die Haftung eintreten müssen, ausschließen“, erläutert der Minister.
Ausschlaggebend für das Projekt einer europäischen Bankenunion waren Erfahrungen mit der Finanzkrise: Nach dem Lehman-Crash sahen sich viele Regierungen genötigt, Banken mit Steuergeld zu retten. Dadurch stieg die Gefahr von Staatsbankrotten, was über den Wertverlust von Staatsanleihen wiederum die Bilanzen der Banken belastete. Diesen Teufelskreis solle die Bankenunion durchbrechen, schreiben Fabian Lindner, Nicolas Soemer und Thomas Theobald und bezweifeln, dass das gelingt. Ihrer Analyse zufolge ist das beschlossene Konzept zwar "ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", denn es gebe nun klarere und einheitliche Regeln zur Abwicklung von Kreditinstituten.
Geraten Banken in Schwierigkeiten, so gibt es künftig einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus: Europäischer Zentralbank (EZB) oder nationalen Überwachungsbehörden sollen Eingriffe möglich sein. Sie dürfen etwa überschuldete Institute zwingen, Geschäftsbereiche zu veräußern, oder anordnen, dass sich Anteilseigner oder Gläubiger an einer Rekapitalisierung beteiligen. Falls diese Instrumente nicht ausreichen, soll ein Abwicklungsfonds bereitstehen, dessen Vermögen die Banken selbst aufbringen müssen. Dafür sollen sie abhängig von ihrer Größe und ihrem Geschäftsrisiko Abgaben leisten. Bis 2023 soll der Fonds ein Gesamtvolumen von 55 Milliarden Euro erreichen, berichten die Autoren einer aktuelle Untersuchung des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.
Steuerzahler bleiben in Haftung - Fondsvolumen zu gering
Dass Steuerzahler nicht erneut für Bankenrettungen einstehen müssen, sei kaum zu erwarten, meinen die IMK-Experten: Die geplanten Fonds seien nicht ausreichend ausgestattet, zudem werde gegen das Problem zu großer Banken nicht genug unternommen.
Das Volumen des Fonds von 55 Milliarden Euro könnte schon durch die Krise einer einzigen Großbank aufgezehrt werden. Die maximal mögliche Hilfe in Höhe von 5 Prozent der Bilanzsumme würde selbst nach einer vorgesehenen Beteiligung der Gläubiger (Bail-In) allein bei der Deutschen Bank 74 Milliarden Euro betragen. Und dabei seien die Folgewirkungen noch gar nicht eingerechnet, warnen die Autoren. Auch ein Vergleich mit den Vorschriften für amerikanische Banken deute auf eine zu geringe Ausstattung hin: Abwicklungsfonds und Einlagensicherungsfonds zusammen entsprächen in Europa nur 1,8 Prozent der versicherten Gelder, in den USA seien es dagegen 2 Prozent.
Ebenso weist der Präsident des Ifo-Instituts in München, Hans-Werner Sinn, in einem FAZ-Beitrag auf die Beteilung von Steuerzahlern hin: Eigentümer und Gläubiger werden mit zusammen 8 Prozent der Bilanzsumme einer Bank an der Bankenrekapitalisierung beteilgt, die Beteilgung des Rettungsfonds liegt bei den genannten 5 Prozent. Es verbleibt eine rechnerische Deckungslücke von 87 Prozent, für die Steuerzahler aller Länder in gemeinschaftlicher Haftung geradestehen müssen. „Deutschland haftet im Prinzip für 28 Prozent von 87 Prozent dieser Summe, also für 2145 Milliarden Euro“, erläutert Hans-Werner Sinn.
Nidrigzinspolitik muss weiterhin hingenommen werden
Sinn kritisiert zudem, dass garantiegebene Staaten „erpressbar“ geworden sind. Um Risiken klein und Abschreibungsverluste von vornherein unter 13 Prozent der Bilanzsumme halten zu können, wären haftende Länder gezwungen, die Rekapitalisierung der Banken Südeuropas durch eine exzessive Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank noch sehr lange hinzunehmen.
Risiko durch Bewertung der Bankbilanzen - Lösung: Sonderfonds für Altlasten
Die derzeit laufende Bewertung von Bankbilanzen könnte sich nach IMK-Einschätzung als "offene Flanke" erweisen. Klarheit über Altlasten sei eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen der Bankenunion. Die Bestandsaufnahme dürfe auf keinen Fall politisch weichgespült werden. Für den Fall, dass Schieflagen offenbar werden, wäre mit zusätzlichem Finanzierungsbedarf zu rechnen. Das IMK empfiehlt, einen zusätzlichen Sonderfonds für Altlasten durch eine gesamteuropäische Bankenabgabe zu finanzieren. Die Höhe der Abgabe sollte größenabhängig und so bemessen sein, dass Großbanken langfristig Vermögenswerte veräußern und damit schrumpfen müssen.
Das systemische Risiko durch Banken, die "too big to fail" sind, könne so begrenzt werden. In diesem Zusammenhang wären zudem effektive Grenzen für Schulden und für die Geschäftstätigkeit sinnvoll.