Bundespräsident Joachim Gauck hat angekündigt, das umstrittene Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) der schwarz-roten Bundesregierung eingehend zu prüfen. Damit könnte sich das Inkrafttreten des Gesetzes deutlich verzögern. Die Verbraucherorganisation Bund der Versicherten (BDV) hatte zuvor in einem offenen Brief verfassungsrechtliche Bedenken gegen das LVRG geltend gemacht.
Eigentlich sah es so aus, als ob das umstrittene Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) beschlossene Sache sei. Nach der Verabschiedung im Bundestag am 04. Juni war das Gesetzesvorhaben auch vom Bundesrat im Eiltempo durchgewunken worden. Doch da haben Politik und Versicherungsbranche die Rechnung ohne Bundespräsident Joachim Gauck gemacht, der das LVRG nun auf seine Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht überprüfen lassen will. Dies berichtet am Donnerstag der Bund der Versicherten e.V. (BdV) mit Berufung auf das Bundespräsidialamt.
Offener Brief des BdV an Gauck
Vorausgegangen war ein offener Brief des BdV an Gauck vom 04. Juli 2014, in dem die Verbraucherorganisation verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Lebensversicherungs-Reformgesetz anmeldete. In dem Schreiben wurde der Bundespräsident auch gebeten, das LVRG dahingehend zu überprüfen.
Offenbar mit Erfolg. „Wir sind froh, dass Herr Gauck unsere Bedenken ernst nimmt und die Bedeutung des Gesetzes für Millionen von Versicherungskunden erkannt hat“, begrüßt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV, das Vorgehen des Bundespräsidenten. Das LVRG räumt den Unternehmen unter anderem die Möglichkeit ein, den Kundenanteil an den sogenannten Bewertungsreserven zu kürzen oder ganz zu streichen.
“Denkzettel für Große Koalition“
Verbraucherschützer hatten immer wieder das Tempo kritisiert, in dem die Bundesregierung das LVRG durch die Instanzen gepeitscht hatte. Der BdV wertet das Vorgehen des Bundespräsidenten daher auch als einen Denkzettel für die Große Koalition.
„Verbrauchern und Kritikern des Gesetzes wurde nie ernsthaft die Möglichkeit eingeräumt, sich zum Gesetzesentwurf zu positionieren, sogar dem Normenkontrollrat hatte die Regierung keine Möglichkeit einer Bewertung gegeben“, kritisiert Axel Kleinlein.
Das Verhalten des Bundespräsidenten wird demgegenüber von Kleinlein begrüßt: „Herr Gauck hat erkannt, dass ein solches Vorgehen nicht im Sinne einer verbraucherfreundlichen Politik sein kann. Er zeigt sich nicht nur als Bürgerpräsident, sondern auch als Verbraucherpräsident“.
Könnte sich Einführung des LVRG verzögern?
Doch welche Konsequenzen hat das Intervenieren von Gauck? Sollte das Gesetz im Widerspruch mit dem Verfassungsrecht stehen, so darf es in der jetzigen Form wohl nicht verabschiedet werden - eine Neuverhandlung ist dann sehr wahrscheinlich.
Auch wenn die Verfassungsmäßigkeit bestätigt wird, ist nach Ansicht des BdV mit Verzögerungen bei der Einführung des Gesetzes zu rechnen. Eine umgehende Prüfung dauere sechs bis acht Wochen, ließ das Bundespräsidialamt wissen. Vor September tritt das LVRG also kaum in Kraft.
GDV: Prüfung durch den Bundespräsidenten ist "grundgesetzlich verankerte Regel"
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) will die Einschätzung des BdV jedoch nicht teilen. Der Dachverband der Versicherer sieht in der Prüfung durch den Bundespräsidenten weder einen außerordentlichen Vorgang noch einen "Denkzettel" für die Koalition.
"Aus unserer Sicht gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass es zu Verzögerungen bei der Ausfertigung des Lebensversicherungsreformgesetzes kommt", teilt ein Sprecher des GDV gegenüber Versicherungsbote mit. "Dass der Bundespräsident ein Gesetz vor der Unterzeichnung eingehend prüft, ist nicht die Ausnahme, sondern die grundgesetzlich verankerte Regel im Gesetzgebungsverfahren. Eine Prüfung kann mehrere Wochen dauern."