Die Axa Versicherung kooperiert zukünftig mit Samsung, um Fitnessdaten ihrer Kunden per App zu sammeln. Man wolle erreichen, dass sich die Kunden rundum geschützt fühlen, erklärt der Versicherungskonzern. Doch Kritiker warnen vor den Konsequenzen derartiger Telemonitoring-Tarife: Sogar die Idee der Versicherung als Solidargemeinschaft stehe auf dem Spiel. Vorerst gilt das Angebot der Axa nur für Frankreich.
Wie weit darf der Datenhunger der Versicherungen gehen? Diese Frage sorgt in Deutschland bereits für kontroverse Debatten. Nachdem die Generali bereits Ende November angekündigt hatte, per App Gesundheitsdaten von Kunden zu sammeln und eine gesunde Lebensweise mit Rabatten zu belohnen, startet nun die Axa Versicherung einen ähnlichen Vorstoß. Dafür kooperiert der französische Versicherungsgigant mit dem Elektronikhersteller Samsung.
Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung will die Axa zukünftig die Samsung-Armbanduhr Gear 3 für die Erfassung von Fitnessdaten nutzen. Dabei können die Versicherten individuelle Gesundheitsziele mit der Axa vereinbaren – per App gibt es dann regelmäßig Erinnerungen, diese auch tatsächlich umzusetzen. Vorerst ist das Angebot nur im Axa-Mutterland Frankreich nutzbar, eine Einführung hierzulande nicht geplant.
Axa-Health-App: “24 Stunden am Tag beschützt fühlen“
Was für Datenschützer wie ein Alptraum klingt, wird von der Versicherung in schöne Worte gefasst. „Wir wollen die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Kunden steigern“, zitiert die Süddeutsche eine Konzernsprecherin. „Die Axa-Health-App will erreichen, dass die Kunden sich 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche beschützt fühlen“. So könnten die Versicherten für sich und ihre Familien einen gesunden Lebensstil erreichen. Die Versicherung – dein Partner auf dem Weg zu einem perfekten Leben?
Ganz anders schätzt Autorin Juli Zeh den Datenhunger der Versicherungen ein. In ihrem Roman „Corpus Delicti“ hatte sie die Dystopie einer Gesundheitsdiktatur entworfen. Die Bürger müssen monatlich Schlaf- und Ernährungsberichte vorlegen, sich den Blutdruck messen lassen und Urinproben abgeben. Küsse sind aus hygienischen Gründen untersagt, Zigaretten sowieso: Wer gegen die Bestimmungen verstößt, landet vor Gericht oder sogar im Gefängnis.
Für Juli Zeh sind derartige Gesundheits-Apps von Versicherungen der erste Schritt hin zu ihrer düsteren Roman-Vision: selbst dann, wenn sie auf Belohnungen wie Preis-Rabatten beruhen. „Wir folgen dem Irrglauben, unser Schicksal, sprich unsere Zukunft beherrschen zu können, indem wir ständig alles „richtig“ machen und uns unentwegt selbst optimieren – auf der Arbeit, bei Gesundheit und Ernährung, selbst bei Liebe und Sex“, sagt die Schriftstellerin im Interview mit der Süddeutschen. „Alles ist Leistungssport. Wir glauben, dadurch Kontrolle über unser Leben zu gewinnen. In Wahrheit werden wir manipulierbar und unfrei“.
Steht Idee der Solidargemeinschaft auf dem Spiel?
Die studierte Juristin Zeh warnt vor einer weiteren Gefahr des Datensammelns. Wenn die Daten zunehmend individualisierte Tarife gestatten, stünde die Idee der Versicherung als Solidargemeinschaft auf dem Spiel. „Die Leute fangen an zu vergessen, dass persönliche Freiheit nicht aus individueller Höchstleistung resultiert, sondern aus gemeinschaftlichem Zusammenstehen. Denn Freiheit braucht Absicherung, und die gibt es nur durch Solidarität“, so Zeh.
Bereits jetzt führt die Rosinenpickerei der Anbieter dazu, dass manche Menschen überhaupt keine Absicherung mehr erhalten. Beobachtbar etwa in der Berufsunfähigkeitsversicherung, wo viele Handwerksberufe nur schwer versicherbar sind. Schutz wird stattdessen Antragstellern gewährt, die ein geringes Kranken- und Kostenrisiko haben. Zwar sind Versicherungen durchaus im Sinne des Versichertenkollektivs angehalten, Risikofaktoren zu minimieren. Doch Versicherungsexperten sind alarmiert: Hierbei handle es sich um eine Fehlentwicklung, die langfristig sogar den Gesetzgeber auf den Plan rufen könnte.
Der Trend zum Datensammeln dürfte auf lange Sicht kaum aufzuhalten sein. Neben der Generali und der Axa verfolgen auch andere Anbieter sogenannte Telemonitoring-Projekte: Unter anderem der deutsche Riese Allianz. Befürworter betonen, dass derartige Tarife bisher freiwillig sind, der Kunde also selbst wählen kann, ob er einen Telemonitoring- oder einen „herkömmlichen“ Tarif bevorzugt. Aber das könnte sich zukünftig ändern.