Lebensversicherer müssen ab heute in Singapur Standardtarife anbieten. Die Sparer sollen online vergleichen und kaufen können. Durch diesen Zwangsschritt will die Finanzaufsicht des südostasiatischen Staates ein Gegengewicht zu teuren, kostenbeladenen Sparverträgen schaffen. Dieses Parallelmodell von Online- und Provisionsverkauf könnte eine Blaupause auch für europäische Regulierer sein.
Weltweit regulieren und regieren immer mehr nationale Aufsichtsbehörden in den Vertrieb der Finanzanbieter hinein. Ein neues, nach Ansicht der Finanzaufsicht verbraucherorientiertes, Modell startet an diesem Dienstag in Singapur. Das Land ist laut „Human Development Index“ der Vereinten Nationen am Wohlstand der Bürger gemessen der neuntreichste Staat der Welt. Getrieben von der nationalen Aufsichtsbehörde „Monetary Authority of Singapore“ müssen die Lebensversicherer jetzt neben bekannten Policen auch direkt vergleichbare Produkte anbieten.
Lebensversicherung: Erst vergleichen
Die Bürger von Singapur, insgesamt 5,5 Millionen Einwohner, sollen ab heute und in Zukunft zunächst das Angebot vergleichen und dann erst kaufen. Hierfür wurde das Online-Portal „Compare First“ eingerichtet. Auf deutsch: „Erst vergleichen“. Im Angebot sind Risiko- und Kapital-Lebensversicherungen (LV) mit und ohne Invaliditäts-Schutz. Der Todesfallschutz soll bei 50.000 Singapur-Dollar (knapp 34.000 Euro) starten und bis mindestens umgerechnet 270.000 Euro zu berechnen sein – bei allen Lebensversicherungs-Anbietern und mit Standardprodukten.
Einfache Produkte für einfache Risiken
Die „Monetary Authority“ verfolgt als Aufsicht mit dem Zwang zum Standard-Angebot das Ziel: Einfache Produkte für einfache Lösungen. Auf ihrer Internetseite erklärt die Behörde im Zusammenhang mit „Compare First“, die meisten Menschen hätten keine besonders zu klärenden oder kompliziert zu deckenden Bedarfe. Einfachen Vorsorgerat könne auch ein Webportal geben, auf dem die Verbraucher sodann direkt ihren Versicherungsschutz kaufen können.
Keine Vertriebskosten
Was „einfache“ Bedarfe sind, das hat die Finanzaufsicht Singapurs allerdings nicht definiert. Dies zu beurteilen, ist Sache des Verbrauchers, sobald er sich ausschließlich auf das Webportal verlässt. Immerhin bietet das Portal mit einer Hotline auch telefonischen Rat für den Bürger. Neben der Markttransparenz, zumindest für „einfache“ Bedarfe, haben die Produkte, die über „Compare First“ zum Kauf angeboten werden, einen weiteren Vorteil. Sie sind frei von Abschlusskosten aller Art, ist aus den Informationen der „Monetary Authority“ zu entnehmen.
Direktkauf-Versicherungen
Der neue LV-Produktstandard wird als „Direktkauf-Versicherungen“ bezeichnet, womit der Staat Singapur eine neue Standard-Produktkategorie geschaffen hat, die quasi neben die existierenden Provisions-Produkte gestellt wird. Im Grunde handelt es sich (ähnlich Deutschland) um Nettopolicen, wie geschaffen für Honorarberater, die komplexere Vorsorgeanliegen ihrer Kunden gegen Geld klären und erklären. Steht der Bedarf dem Grunde und der Höhe nach fest, kann der Verbraucher - dann hoffentlich das richtige - Produkt im Internet via „Compare First“ kaufen.
Webportal bei Biometrie-Produkten „nicht zielführend“
Philip Wenzel, Experte für biometrische Risiken bei Freche Versicherungsmakler in Kemnath, hat sich das Singapur-Modell für den Versicherungsboten angesehen. Zu dem Prinzip sagt Wenzel, grundsätzlich seien „einfache und standardisierte Leistungsauslöser ein Vorteil, was die Vergleichbarkeit betrifft.“ Allerdings schränkt der Makler ein: Beim Schutz gegen biometrische Risiken ohne individuelle Beratung sei der Online-Abschluss nicht zielführend, da der Kunde für gewöhnlich seinen Bedarf vor allem zu Berufsfähigkeit oder Erwerbsfähigkeit nicht richtig einschätzen könne.
Zur These Standardprodukte für Standardprobleme meint Wenzel: „Das ist eine billige Alternative für Standard-Menschen, besser als nichts, aber kein Ersatz für individuelle Beratung“. Dennoch: „Auch in Deutschland wäre besonders im Bereich der biometrischen Absicherung unterhalb der Berufsunfähigkeit ein Standard wünschenswert“, so Philip Wenzel.