GKV-Versicherte können sich wie Privatpatienten behandeln lassen, beispielsweise mit dem Prinzip der Kostenerstattung. Die Vorteile der PKV, wie kurze Wartezeiten, optimale Behandlungen und High-Tech-Medizin, sind damit auch für jene zugänglich, die sich keine private Krankenversicherung leisten können. Hagen Engelhard, Mitbegründer der Firma Medi-Kost, einem Dienstleister im Gesundheitswesen, erklärt im Versicherungsbote-Interview, wie das Prinzip der Kostenerstattung funktioniert - und wie Makler es nutzen können.
Versicherungsbote: Herr Engelhard, eines Ihrer Grundanliegen bei Medi-Kost-Net ist es, die Rechte von Kassenversicherten dahingehend zu stärken, dass sie wie Privatpatienten behandelt werden. Was ist damit gemeint?
Hagen Engelhard: Es geht um ein Recht, das der Gesetzgeber schon vor gut 30 Jahren eingeführt hat: Im 5. Sozialgesetzbuch ist in Paragraph 13 die Möglichkeit verankert, sich als GKV-Versicherter im ambulanten Bereich wie ein Privatpatient behandeln zu lassen – mit allen Vor- und Nachteilen, die das hat. Vorteil ist ein besseres Versorgungssystem. Nachteil ist, dass man die Rechnung beim Leistungserbringer – also etwa beim Arzt oder auch Physiotherapeuten – selbst stellen muss, man wird Vertragspartner des Arztes. Der Patient kann sich dann von seiner Krankenkasse den Teil der Rechnung erstatten lassen, den sie laut Leistungskatalog des Gesetzgebers sonst über die Chipkarte abrechnet. Dadurch ergibt sich gegebenenfalls eine Rechnungsdifferenz. Diese muss beglichen werden. Plan A: Man ist selbst so vermögend, dass man dies zahlen kann oder hat vielleicht einen reichen Ehepartner, der die zusätzlichen Kosten übernimmt. Plan B: Man hat eine private Krankenzusatzversicherung, die dafür aufkommt. Mit Medi-Kost engagieren wir uns vor allem dafür, dieses Wissen um das sogenannte Kostenerstattungsprinzip zu verbreiten.
Kostenerstattungsprinzip ist von Mitspielern auf dem Gesundheitsmarkt nicht gewollt
Wieso wird das Kostenerstattungsprinzip bisher so stiefmütterlich behandelt?
Es gibt viele Mitspieler auf dem Gesundheitsmarkt. Das sind die Kassen, die Versicherer, die Verbraucher und die Leistungserbringer. Sie alle haben nur in Teilen Interesse oder wegen Unkenntnis kein Interesse an dem Konzept. Die Kassen können das nicht wollen, da sonst für den Verbraucher eine Zwei-Klassen-Medizin offensichtlich wird – das ist politisch nicht gewollt. Die Versicherer fürchten Kannibalisierungseffekte für die Vollversicherung und hohe Kosten für die Schulung von Vermittlern, die etwas erklärungsbedürftigere Tarife verkaufen müssen. Die Kunden wollen es so einfach wie möglich und schlicht die Chipkarte abgeben – und wenn man das zusammenfasst, erhält man das Gesundheitssystem, das wir jetzt haben. Das könnte man jedoch mit gleichem Aufwand sehr viel hochwertiger gestalten.
Kassenpatienten können nach dem Kostenerstattungsprinzip so wie ein Privatpatient behandelt werden, also von High-Tech-Medizin, besonderen Therapien oder kurzen Wartezeiten bei Spezialisten profitieren. Wie funktioniert das konkret?
Grundlegend erfolgt die Gesundheitsversorgung der „großen Masse“ nach dem Sachleistungssystem. Dieses System wird gesteuert durch das SGB und darin ist geregelt, dass man ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich Medizin in Anspruch nehmen darf. Dieser Rechtsanspruch auf eine Gesundheitsversorgung ist besser, als er es in vielen anderen Ländern ist. Aber die Regelung bedeutet eben nicht, dass man Medizin aus dem „obersten Regal“ bzw. höchstwertige Versorgung erhält, sondern eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Behandlung. Wenn man sich privat behandeln lässt – und das meint noch nicht, dass man sich privat krankenversichert hat – greift der Gesetzgeber auf die Gebührenordnung für Ärzte zurück. Durch diese schreibt er dem Arzt vor, dass der nur dann eine Rechnung schreiben darf, wenn er nach den „Regeln der ärztlichen Kunst“ handelt. Stellt der Laie diese Behandlung nach ärztlicher Kunst einer „ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen“ Behandlung gegenüber, ahnt er schon, wann man die höherwertige Versorgung erwarten kann.
Nutzt der Versicherte das Prinzip der Kostenerstattung, dann schickt der Arzt eine Rechnung. Der Gesetzgeber hat geregelt, dass in diesem Fall dessen Krankenkasse die Kosten für Leistungen übernimmt, für die sie auch nach Sachleistungsprinzip aufkommen würde. Das heißt, der Versicherte bekommt die optimale medizinische Versorgung und diese ausreichend erstattet. Damit haben Versicherte selbst – und nicht Politiker oder die Krankenkasse – die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie eine optimale oder ausreichende medizinische Behandlung wünschen.
Das Kostenerstattungsprinzip kommt fast für jeden GKV-Versicherten in Frage
Kommt das Kostenerstattungsprinzip denn für jeden GKV-Versicherten in Frage? Könnte also ein Versicherungsmakler alle seine Kunden darauf ansprechen? Man muss Kosten ja theoretisch erstmal vorstrecken und nicht jeder hat das Geld für diese „optimale Versorgung“ auf dem Konto ...
Grundsätzlich kommt es für Jeden in Frage. Denn wenn ich eine Rechnung von einem Mediziner bekomme, habe ich einen gewissen Zahlungszeitraum. Diesen könnte man auch mit dem jeweiligen Leistungserbringer vereinbaren und z. B. sagen, dass man die Rechnung bei der GKV einreicht und nach Geldeingang zahlt. Die Angst vor überhöhten Rechnungen ist an sich unbegründet, denn die meisten Ärzte sind bei diesem Thema recht offen und zugänglich: Selbst wenn man in vier Wochen zahlt, ist es für sie nämlich oft noch besser als das bisschen Geld, was sie in acht Monaten für Kassenleistungen erhalten. Das einzige, was man als finanzielle Grenze sehen muss, ist die Frage, ob man sich als Bürger eine Zusatzversicherung leisten will bzw. kann, sollte man die Rechnungsdifferenz nicht selbst zahlen können. Und da kommt es dann nur noch auf die Beitragshöhe an. Solche Versicherungsbeiträge kann z. B. ein Hartz IV-Empfänger nicht zahlen, es ist also für jene interessant, die ein entsprechend verfügbares Einkommen haben. Ein Versicherungsmakler weiß dann, dass die Bandbreite der Beiträge sehr weit auseinander liegt und könnte demnach flexibel Kunden ansprechen – aus meiner Sicht kann er also sicher 70 Prozent der Bürger auf das Kostenerstattungsprinzip ansprechen.
Lässt sich das Prinzip auf ambulante und stationäre Behandlung anwenden? Wenn sich jemand ein künstliches Kniegelenk einsetzen lässt, wird er wohl kaum die Operationskosten, durchschnittlich 16.000 Euro, vorstrecken ...
Richtig. Die private wie auch die gesetzliche Pflichtversicherung trennt grundsätzlich drei Versorgungssysteme: das ambulante, das zahnmedizinische und das stationäre bzw. Akutversorgungssystem. Die Abrechnung und Versicherung medizinischer Leistungen verläuft dabei jeweils nach eigenen Bestimmungen, die untereinander nicht kompatibel sind. Bei einer Vollversicherung werden alle drei Bereiche abgedeckt, in Zusatzversicherungen jeweils nur einer. Demnach kommt je nach Wunsch des GKV-Versicherten eine Zusatzversicherung in Frage, wenn man möchte, dass Behandlungskosten im Fall des Falles gezahlt werden. Verbraucher versichern häufig als erstes Zusatzkosten beim Zahnarzt, welche die Kasse nicht vollständig übernimmt. Damit sind Patienten am ehesten konfrontiert – und es ist recht kurzfristig gedacht. Auch stationäre Zusatzversicherungen werden abgeschlossen, dabei geht es allerdings häufig um den Komfort eines Einbett- oder Zweibettzimmer im Krankenhaus – das hat mit der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses in puncto Medizin aber nichts zu tun. Im ambulanten Bereich erkennen Patienten viel schwieriger, wann eine hochwertigere Behandlung durchgeführt werden kann und Ärzte haben ein größeres Problem, das aufzuklären.
Kostenerstattungsprinzip – Ein gutes Thema für Versicherungsmakler
Wie können Makler das Thema Kostenerstattungsprinzip ansprechen? Was müssen sie dabei beachten?
Als Vermittler müsste man sich zunächst mit der Frage auseinandersetzen, wie jeweils Sachleistungssystem und Privatbehandlung funktionieren. Er muss seinem Mandanten die Frage stellen: „Warum lassen Sie sich nicht privat behandeln?“ Die Antwort lautet meist: „Ich kann mich ja nicht privat versichern.“ Der Vermittler müsste daraufhin erklären, dass privat versichern und privat behandeln grundlegend zwei Paar Schuhe sind, denn man kann sich privat behandeln lassen und in der gesetzlichen Versicherung bleiben. Da werden die Mandanten dann hellhörig und fragen „Wie geht denn das?“ – jetzt muss man als Vermittler nur noch technisch Bescheid wissen. Das Thema ist nicht schwer, es ist nur ungewohnt. Dazu muss sich der Makler informieren, recherchieren, im Zweifel eben auch einmal eine Schulung besuchen. Anschließend trifft er eine Vorauswahl der Tarife und berät seinen Kunden.
Die Vorteile für den Makler: Es ist ein sehr stornosicheres Geschäft, denn bei Zusatzversicherungen beträgt die Stornohaftungszeit zwölf Monate – im Gegensatz zur Vollversicherung. Die Abschlussprovisionen sind nicht gedeckelt, der Makler kann also verdienen. Und es schafft aus meiner Sicht eine besondere Kundenbeziehung, weil der Kunde etwas hört, was ihm bisher noch niemand erzählt hat. Fast alle erzählen von Zahn- oder stationär-Behandlungen, gegebenenfalls etwas zum Thema Pflege oder Berufsunfähigkeit. Aber wie man sich vom Hausarzt privat behandeln lässt – darüber redet sonst keiner. Mit diesem Thema gewinnt der Makler an Expertise, an Ansehen und kriegt andere Geschäfte mit dem Kunden schneller und einfacher.
Herr Engelhard, vielen Dank für das Interview!
Das Interview führte Hanna Behn. Das komplette Gespräch mit Hagen Engelhard ist zuerst im Versicherungsbote Fachmagazin 01-2015 veröffentlicht worden. Teil II des Interviews mit dem Schwerpunkt: „Pflege - Das ist unser Thema!“ erscheint am 19. Juni hier auf Versicherungsbote.de