Versicherung 2020: Digitalisierung und das sich massiv verändernde Kundenverhalten läuten einen Wandel für Versicherer und Versicherungsmakler ein. Perspektivisch wird es erfolgsentscheidend sein, die Kundenschnittstellen zu besetzen. Andrea Helmerich, Strategie-Expertin der Standard Life Versicherung erläutert im Interview mit der AMC Finanzmarkt GmbH, dass Standardprodukte und qualifizierte Beratung nebeneinander bestehen werden und wie sich Makler und Versicherer künftig aufstellen können.
Auf dem 42. AMC-Meeting Ende Mai begeisterte Andrea Helmerich, Head of Strategy & Business Planning der Standard Life Versicherung, mit ihrem Vortrag „Versicherungen 2020: Kunden, Makler, Changeprozesse". Gemäß dem AMC-Motto aus der Praxis für die Praxis baten die Veranstalter Frau Helmerich im Anschluss um einen vertiefenden Einblick in Form eines Interviews.
Wie sich Versicherer und Versicherungsmakler künftig aufstellen können
AMC: Welche grundlegenden Veränderungen sehen Sie für Versicherer und Makler in den nächsten fünf Jahren?
Andrea Helmerich: Die gesamte Versicherungsbranche steht in den kommenden fünf bis zehn Jahren vor einem strukturellen Wandel. Die Gründe sind dafür vielfältig: Die Bedingungen an den Kapitalmärkten haben sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Auf der einen Seite hat die Volatilität und damit das potenzielle Risiko stark zugenommen. Auf der anderen Seite sorgt die anhaltende Niedrigzinsphase dafür, dass die Versicherer ihr Produktangebot grundlegend überarbeiten und klassische Versicherungsprodukte stark an Bedeutung verlieren werden.
Die Branche muss einen stärkeren Fokus auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden legen. Auch die zunehmende Regulierung wird zu grundlegenden Veränderungen führen. Die nächsten Regulierungsschritte werden auf mehr Transparenz, bessere Kundenergebnisse, einen höheren Verbraucherschutz und mehr Qualität in der Kundenberatung abzielen. Dies wird für die Berater einen deutlich größeren Qualifizierungs- und Weiterbildungsaufwand mit sich bringen.
Last but not least wird die Digitalisierung das Kundenverhalten nachhaltig verändern und ebenfalls Druck auf die Branche ausüben. Es ist eine Zweiteilung des Marktes zu erwarten: Auf der einen Seite wird das Geschäft mit standardisierten Online-Produkten im Zuge der Digitalisierung stetig wachsen, auf der anderen Seite werden unabhängige Makler mit ihrer hochwertigen Beratung im Premiumsegment punkten können.
Wie können sich Versicherer und Makler auf den Wandel einstellen und was wird entscheidend für ihren Erfolg sein?
Ganz entscheidend ist, dass sich Makler und Versicherer frühzeitig auf die anstehenden Veränderungen vorbereiten. Sie sollten bereits jetzt ihre Strategien und Geschäftsmodelle überprüfen und gegebenenfalls an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Ganz entscheidend wird es sein, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, ihn nachhaltig und qualitativ hochwertig zu beraten und ihm eine Lösung anzubieten, mit der er das gewünschte Ergebnis erzielen kann. Dies wird der Schlüssel zum Erfolg sein. Bei allen anstehenden Herausforderungen sollte man eines nicht vergessen: Die Veränderungen werden für hochqualifizierte, professionell aufgestellte Makler sehr große Chancen bieten.
Provision oder Honorar? Vermittler werden es schwer haben, den Wert der Beratung aufzuzeigen
Welche Rolle wird das Provisionsmodell in Zukunft noch spielen?
Ich erwarte, dass es auch in den kommenden Jahren ein Nebeneinander von Provisionsmodellen und Honorarberatung geben wird. Das Provisionsmodell wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Ländern ist in Deutschland bislang kein generelles Provisionsverbot erlassen worden. Daran wird sich wohl auch vorerst nichts ändern. Was sich aber ändern wird, ist die Art der Provision. Ich gehe davon aus, dass laufende Provisionen künftig einen deutlich größeren Stellenwert haben werden. Des Weiteren bin ich davon überzeugt, dass die Honorarberatung stark an Bedeutung gewinnen wird, weil sie für viele Berater das geeignetere Vergütungsmodell darstellt. Unabhängig davon, ob der Vermittler ein Honorar oder eine Provision erhält, wird es für ihn ganz entscheidend sein, dem Kunden den Wert der Beratung vermitteln zu können.
Warum hat die Standard Life sich bei ihren LV-Produkten von Garantien verabschiedet?
Standard Life steht traditionell für die renditefokussierte Anlage. Wir wollen unsere Kunden mit einer attraktiven Rendite dabei unterstützen, ihre Vorsorgeziele zu erreichen. Als wir im Jahr 1996 an den Markt gingen, boten wir mit den With Profits ein Produktkonzept, das sich auf ein sinnvolles Maß an Garantien beschränkte, um für den Kunden eine ausreichend hohe Rendite erwirtschaften zu können. Die Zeiten haben sich aber stark verändert. Unter den aktuellen Kapitalmarktbedingungen und der heutigen Zinssituation sind wir zu der Entscheidung gekommen, dass mit einem Garantieprodukt für den Kunden kein befriedigendes Ergebnis mehr erzielt werden kann. Daher war die Entscheidung auch unter Kundengesichtspunkten konsequent.