Versicherung: Bei der Vermittlung von Neugeschäften verließ sich ein Versicherungsvertreter auf einen angeblichen Tippgeber. Offenbar hielt es sich dabei um Scheinanträge und der Versicherer kündigte dem Vertreter fristlos. Diese Verdachtskündigung war gerechtfertigt, so das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München (Az.: 23 U 3932/14)
Ein Vertreter hatte 16 dunkel policierte Versicherungsanträge eingereicht. Der Versicherer hatte daraufhin 60.000 Euro Vorschuss gezahlt. Für die Versicherungen ging allerdings kein Geld ein.
60.000 Euro Vorschüsse für Scheinanträge
Die Versicherung hakte nach und der Vertreter gab daraufhin zu, die Anträge mittels eines Tippgebers generiert zu haben. Der Versicherer verlangte von dem Vertreter unter Fristsetzung nähere Angaben zum Tippgeber und stellte eine Strafanzeige gegen diesen in Aussicht.
Der Vertreter beteuerte, den Tippgeber zu einer Selbstanzeige auffordern zu wollen und bei einer Weigerung selbst Anzeige gegen ihn zu erstatten. Außerdem wolle er die finanzielle Verantwortung für den Schaden übernehmen. Dem Versicherer reichte dies nicht aus und er forderte den Vertreter abermals unter Fristsetzung auf, Beweise für den Betrug vorzulegen.
Versicherer kündigt fristlos
Nachdem diese Frist um mehr als einen Monat verstrichen war, kündigte die Versicherung den Vertreter schließlich fristlos. Daraufhin klagte dieser erfolglos in zwei Instanzen gegen die Kündigung. Das OLG München schloss sich diesen Urteilen an und entschied nun, dass die Kündigung rechtmäßig sei. Auf das Urteil macht das Fachportal Cash Online aufmerksam.
Das OLG München sieht einen hinreichend erhärteten Verdacht, dass der Tippgeber nicht existiere. Es läge nahe, dass der Vertreter bewusst Scheinanträge eingereicht habe, um so Provisionsvorschüsse zu erlangen. Dies reiche für eine Verdachtskündigung des Vertreters aus.
Vertrauensbruch rechtfertigt Kündigung
Darüber hinaus wiege bei der Höhe der Vorschüsse der Verdacht einer vorsätzlichen Schädigung so schwer, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Versicherer und dem Vertreter zerstört sei. Allein dies berechtige zu einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund. Es sei dem Versicherer nicht zuzumuten, das Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.
Als unerheblich sah es das Gericht an, dass der Vertreter mit einer Aufdeckung des Falls und Rückforderung der Vorschüsse rechnen musste. Den Vorschuss könne er zur Überbrückung eines finanziellen Engpasses genutzt haben. Ebenso spiele es keine Rolle, dass der Vertreter nicht vorbestraft sei und bis dahin tadellos gearbeitet habe. Auch eine Begleichung des Schadens könne das Vertrauensverhältnis nicht wiederherstellen.
OLG: Kündigung erfolgte fristgerecht
Das Gericht sieht kein Verstreichen der Überlegensfrist bei der außerordentlichen Kündigung. Die geltende Zwei-Wochen-Frist des Paragrafen 626, Absatz zwei des BGB greife hier nicht. Vielmehr richte sich die Frist nach den Umständen des Falls.
Aus der Tatsache, dass die Policen von Anfang an unbezahlt blieben, musste der Versicherer laut OLG München nicht auf bewusst eingereichte Scheinanträge schließen. Auch begründe das Geständnis des Vertreters, die Anträge nicht geprüft zu haben, lediglich den Verdacht einer fahrlässigen Pflichtverletzung.
Fristgerechte Kündigung umstritten
Daher beginne die Überlegungsfrist erst ab sicherer Kenntnis der Umstände. In diesem Fall ab Verstreichen der Frist für die Vorlage der Beweisen seitens des Vertreters. Die Kündigung im Folgemonat sei daher rechtens, so das OLG München.
Das sahen andere Oberlandesgerichte in ihren jüngsten Entscheidungen anders. Sie hatten fristlose Kündigungen nach mehr als vier Wochen für unwirksam erklärt. Rechtsanwalt Jürgen Evers sieht in einem Artikel für Cash Online einen früheren Beginn der Überlegensfrist. Der Versicherer hätte seiner Meinung nach spätestens bei Kenntnis der „schweren Verdachtsmomente“ handeln müssen.
Anträge von Tippgebern unbedingt prüfen
Das sei bereits der Fall gewesen, als er erfuhr, dass die Kunden zu den Geschäftsanträgen in erheblicher Zahl, die darüber hinaus dunkel policiert waren, nicht existierten und der Vertreter den Tippgeber nicht nannte. Evers rät Vertretern Anträge von Tippgebern vor der Weiterleitung unbedingt eingehend zu prüfen.