Sparkasse muss sich erneut wegen mutmaßlicher Falschberatung von Rentnern rechtfertigen

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Die Hamburger Sparkasse verkaufte hunderten ihrer betagtesten Kunden riskante Immobilien- und Schiffsfonds. Die meisten Fälle wurde durch Entschädigungen bereinigt und kamen nie an die Öffentlichkeit. Ein Fall mutmaßlicher Falschberatung durch Sparkasse-Berater wurde nun aber doch publik, der von Gerda Schinkel, die ihr Erspartes zum großen Teil durch Anlagen in geschlossenen Fonds verlor.

Zunächst galten geschlossene Fonds als schlauer Geheimtipp für Gutverdiener und als renditestarke Anlageform mit steuerlichen Vorteilen, auch in vielen Fachmagazinen wurden sie so angepriesen. Doch ab 2005 ließen die Abschreibungsmöglichkeiten nach und viele Sparer dieser Zielgruppe wendeten sich ab, so stieg der Druck auf die Geldinstitute. Statt weniger Reicher versuchten die großen Banken und Sparkassen die inzwischen riskanten Beteiligungen zuhauf an vertrauenselige Kleinanleger abzugeben, die die undurchsichtigen Beteiligungen nicht verstanden und ihren Beratern vertrauten. Dass dabei hohe Provisionen an die Bankberater flossen, mag eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben.

Volles unternehmerisches Risiko für 79-Jährige

Welt Online widmet sich in einem aktuellen Artikel ausführlich dem Beispiel der geschädigten Rentnerin Gerda Schinkel. Sie hat durch geschlossene Fonds knapp die Hälfte ihres Ersparten verloren, gut 105.000 Euro. Im hohen Alter von 79 Jahren folgte sie den Worten ihres Beraters, - „habe ich Sie jemals enttäuscht?“ - verabschiedete sich von ihrer bisherigen sicheren Geldanlage des Sparbriefs und kaufte plötzlich geschlossene Immobilien- und Schiffsfonds, risikoreiche, spekulative und langfristige Kapitalanlagen mit der Aussicht auf Totalverlust. Aber das wusste sie zu dem Zeitpunkt noch nicht. Frau Schinkel übernahm in ihrem Alter also volles unternehmerisches Risiko und haftete als Miteigentümerin bis zur Höhe ihrer Einlage, für Schulden der Gesellschaft, Leerstand oder den Fall einer Pleite.

Vermittlerprovision höher als Gewinn für den Kunden

Der Schwiegersohn von Frau Schinkel verklagte nun die Haspa wegen Falschberatung. Am Mittwoch wird die Angelegenheit vor dem Hamburger Landgericht verhandelt. Dem Sparkassen-Mitarbeiter wird vorgeworfen, weder auf die Risiken hingewiesen zu haben, noch auf die hohen Vermittlerprovisionen, die die Sparkasse für jeden Fondsverkauf einstrich. Als Vermittler konnten die Banken mit üppigen Provisionen rechnen, den sogenannten Kick-backs. Was genau üppige Provisionen sind, beziffern Verbraucherschützer als zehn bis siebzehn Prozent des Kaufwertes. Der Bundesgerichtshof urteilte im Jahr 2009 darum, Banken und Sparkassen seien verpflichtet, die Provisionen dem Anleger vor dem Kauf offenzulegen. Unterschlägt die Bank diese Angabe ist sie zum Schadenersatz verpflichtet.

Haspa: Fall-Dokumentation unvollständig & fehlerhaft?

"Er hat alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann. Meine Schwiegermutter kannte weder den Unterschied zwischen offenen und geschlossenen Immobilienfonds, noch wusste sie, was ein Komplementär oder ein Kommanditist ist und welche Risiken sich daraus ergeben", sagt der Schwiegersohn, der sich in der Materie etwas sicherer bewegt als seine Schwiegermutter, über den Sparkassen-Berater. Neben der Falschberatung verstärkt auch die mangelhafte Dokumentation der Beratungsgespräche den zwielichtigen Eindruck der Haspa, die Unterlagen seien unvollständig bis fehlerhaft, drei von vier Formularen bei der Sparkasse einfach nicht mehr auffindbar. Ganz schön abenteuerlich, aber bei weitem kein Einzelfall. Nur weiß man davon kaum, denn "eigentlich werden diese Fälle von der Sparkasse außergerichtlich geklärt."

So schlug die Haspa auch den Erben von Gerda Schinkel vor der Verhandlung vor, zwei der vier Fonds zurückzunehmen, während die anderen beiden im Besitz der Schinkels verbleiben sollten und der Schaden mit einer einmaligen Kulanzzahlung von 55.000 Euro beglichen werden sollte. Aber die Erben von Frau Schinkel hatten auf einen solchen Deal keine Lust, sie wollten unbedingt die "toxischen Papiere" loswerden und den Status von Unternehmern wider Willen. Zudem wollten sie nicht nur den Kaufpreis der Fonds zurück erstattet bekommen, sondern besten Falles zugleich alle entgangenen Gewinne, die durch Sparbriefe in der selben Zeit eingespielt worden wären.

„Besonderer Einzelfall“ in dreitausend Fällen

Einige Geschädigte hatten von der Bank teilweise Entschädigungen in Höhe von bis zu 90 Prozent der Einlagesumme erhalten, dafür mussten sie einer Stillschweige-Klausel zustimmen, die sowohl die Vereinbarung selbst als auch die (Falsch-)Beratung betraf, so wurden die wenigsten Fälle bekannt. Doch die Verbraucherzentrale kennt tausende Opfer der Geldinstitute. Innerhalb der letzten drei Jahre, so die Angaben der Zentrale, hätten sich jede Woche mehr als 20 Geschädigte vor Gabriele Schmitz, der Expertin für Falschberatung, eingefunden, um sich Rat zu holen. Das sind in der Summe etwa 3000 Kunden. "Vier von fünf derer waren Haspa-Kunden, und sehr oft waren es ältere Damen", sagt Schmitz. Doch schwächt sich der Run in die Verbraucherzentrale allmählich ab. Nicht, weil es nichts mehr zu beklagen gäbe, aber weil die Verjährungsfrist von zehn Jahren bei den meisten Geschädigten allmählich ausläuft, womit die Option zur Klage verfällt.

Die Erben von Frau Schinkel haben früh genug reagiert. In ihrem Fall stehen die Chancen auf eine Rückabwicklung des Kaufs nicht schlecht. Zumindest gab es in Essen im Mai des vergangenen Jahres einen vergleichbaren Fall, bei dem das Landgericht entschieden hatte, dass der Kauf rückabgewickelt werden müsse. Damals noch sprach die Sparkasse von einem "besonderen Einzelfall".

Quelle: Welt Online