Altersvorsorge: Erneut Kritik an Riester, Rürup und Co.

Quelle: Unsplash@Pixabay.com

Altersvorsorge: „Die Rente ist sicher“, so die Aussage des damaligen Politikers und Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, Norbert Blüm. Dies verfestigte sich in den Köpfen der deutschen Bevölkerung. Als dieser Slogan infolge der demografischen Entwicklung nicht mehr galt, sollte eine zusätzliche Privatvorsorge Abhilfe schaffen. Doch am sogenannten Drei-Säulen-Modell aus gesetzlicher, privater und betrieblicher Altersvorsorge regt sich erneut Kritik.

Ein späteres Leben ohne größere finanzielle Nöte - eine Illusion? Laut der Bundesregierung wird die Altersvorsorge durch das Drei-Säulen-Modell (gesetzliche, betriebliche und private Rente) ermöglicht. Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Bremens, verneint dies allerdings: „Auch wer heute über alle drei Wege spart, wird nicht an das einstige Leistungsniveau der gesetzlichen Renten herankommen“.

Lebensstandardsicherung möglich?

In der aktuellen Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen mit dem Titel: „Die Illusion von der Lebensstandardsicherung. Eine Analyse der Leistungsfähigkeit des Drei-Säulen-Modells“ wird die Problematik beschrieben. Die Lebensstandardsicherung versteht sich als das Verhältnis zwischen Rente und versichertem Einkommen, auch als Versorgungsniveau bezeichnet.

Laut dem bis 2001 gültigen Leitmotiv, sollte die gesetzliche Rente mit einem Durchschnittsverdiener mit 45 Beitragsjahren auch ohne zusätzliche kapitalgedeckte Altersvorsorge eine Lebensstandardsicherung bieten. Der Autor der Studie und Fachreferent der Arbeitnehmerkammer Bremen, Ingo Schäfer, gibt an: „Das Drei-Säulen-Modell kann dies jedoch höchstens zum Zeitpunkt des Renteneintritts sicher zusagen.“ Er ergänzt: „Über die Jahre wird die Rente gemessen an den Löhnen erheblich an Wert verlieren und das Verhältnis ständig schlechter“.

Die Struktur des Modells sei problematisch. Politisch gewollt sinke das Rentenniveau, während die privaten Vorsorgeprodukte kaum ansteigen. Die Alterseinkommen sind somit von der Lohnentwicklung vollständig abgetrennt. „Dadurch sinkt das Versorgungsniveau Jahr für Jahr während des gesamten Rentenbezuges“, so Schäfer.

Auch andere Leistungen verschlechtern sich nach Ansicht von Schäfer. So wird die Absicherung bei Erwerbsminderung und im Todesfall für Angehörige zunehmend schwächer. Im Gegensatz zu einer gesetzlichen Rente seien diese Risiken bei den Privatversicherungen nicht oder nicht gleichwertig abgedeckt. Dieser Sachverhalt bleibt bei der Modell-Rechnung der Bundesregierung unberücksichtigt. Laut Schäfer wird das Drei-Säulen-Modell mit seinen Leistungen als „zu positiv“ dargestellt.

Zudem werde das Drei-Säulen-Modell mit einem summierten Beitragssatz von fast 30 Prozent teurer, jedoch nicht besser als die gesetzliche Rente. Anfang der 2000er Jahre gab es Berechnungen, dass der Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung ohne Leistungskürzungen auf 24 bis 26 Prozent ansteigen dürfte. Wirtschaftsnahe Forscher gingen sogar von 28 bis 29 Prozent aus. "Wenn man jetzt das Regierungsmodell von 22 Prozent Beitragssatz zur gesetzlichen Rente im Jahr 2030 plus vier Prozent Riester und zwei bis drei Prozent zusätzlicher Vorsorge nimmt, bewegen wir uns also am oberen Rand dessen, was einst vorhergesagt wurde", so Ingo Schäfer. Dabei werde nicht berücksichtigt, dass dieser Beitragssatz im "Drei-Säulen-Modell" bei weitem nicht ausreicht, um eine Lebensstandardsicherung wie früher die gesetzliche Rente zu gewähren und alle drei Risiken (Alter, Erwerbsminderung und Tod) abzusichern.

Rückkehr zur gesetzlichen Rente?

Aber was ist die Lösung für die vermeintliche Ungenügsamkeit des 3-Säulen-Modells: einfach die Rückkehr zur Zeit vor Rürup, Riester und Co.? Das zumindest fordern die Ökonomen der Arbeitnehmerkammer. Hauptgeschäftsführer Schierenbeck sagt: „Noch gibt es das Drei-Säulen-Modell nicht allzu lange, noch ist die Rückkehr zur gesetzlichen Rente weitgehend problemlos möglich“. Basierend auf dem Demographischen Wandel müssten höhere Beitragssätze zur Rentenversicherung akzeptiert werden, aber teurer als das Drei-Säulen-Modell wäre dies nicht, so Schäfer. Dabei wäre auch eine Erwerbsminderung sowie die Absicherung der Hinterbliebenen gewährleistet.

Die Folgen für eine Rücknahme der genannten Rentenreform wären, laut Bert Rürup, die Erhöhung des Beitragssatzes sowie die Bereitstellung von hohen zusätzlichen Steuermitteln. „Und da jede Erhöhung des Beitragssatzes - unabhängig von diesen Reformen - mit einer niedrigeren Rentenanpassung einhergeht, bliebe das Rentenniveau nicht stabil, sondern würde dennoch zurückgehen", so Rürup.

Laut Schäfer soll die gesetzliche Rente gestärkt werden, schließlich beruhe sie auf dem paritätischen Solidaritäts-Prinzip, sei demokratisch legitimiert und kontrolliert. In Zeiten der Wirtschaftskrise könnte die gesetzliche Rente ihre Stabilität nun zeigen. Ein Kritikpunkt: Die Schwächen des Umlageverfahrens angesichts einer alternden Bevölkerung würden damit auch "reproduziert".

Hintergrundinformationen zur Studie: Für seine Berechnungen ist Ingo Schäfer einen neuen Weg gegangen. Während bisher vor allem analysiert wurde, wie teuer die private Altersvorsorge ist und wie viel Rendite sie abwirft, oder dass zu wenige Menschen für das Alter vorsorgen, fragt sich der Experte: Funktioniert das Drei-Säulen-Modell denn überhaupt im idealtypischen Fall? Der idealtypische Fall ist eine Person, die immer durchschnittlich verdient, nie arbeitslos wird und auf allen Vorsorgewegen spart – also gesetzlich, privat und betrieblich, so Schäfer. Von dieser Voraussetzung geht auch die Bundesregierung seit den frühen 2000er Jahren bei ihren Modellrechnungen zum sogenannten "Gesamtversorgungsniveau in der Alterssicherung" aus.