Lebt meine Lebensversicherung noch?

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Lebens- und Rentenversicherung – Jedes Jahr aufs Neue erhalten Inhaber einer Lebens- oder Rentenversicherung ein Jahresschreiben ihres Versicherers. Der Deutsche ist gründlich und heftet es ab. Vorheriges lesen, auch der älteren, bereits abgehefteten Mitteilungen, ist durchaus hilfreich, kann aber zur Schockstarre führen.

Die Wertmitteilung

Alle Inhaber von Lebensversicherungen, die einen Sparvorgang enthalten (anlagebasierte Versicherungsprodukte), erhalten alljährlich eine "Wertmitteilung". Diese nennt sich zum Teil auch "Standmitteilung" oder "jährliche Information" oder auch "Überschussmitteilung". Versicherungskunden erhalten diese Schreiben z.B. zu

  • klassischen Kapitallebensversicherungen
  • klassischen Rentenversicherungen
  • klassischen Riester-Versicherungen
  • klassischen Rürup-Versicherungen
  • klassischen bAV-Versicherungen (betriebliche Altersvorsorge, Direktversicherung)
  • Fondsgebundenen Lebensversicherungen
  • Fondsgebundenen Rentenversicherungen
  • Fondsgebundenen Riester-Versicherungen
  • Fondsgebundene Rürup-Versicherungen und
  • Fondsgebundene bAV-Versicherungen (betriebliche Altersvorsorge, Direktversicherung).

Der Fehler

Die Wertmitteilungen der Lebensversicherer werden von den Policeninhabern (Versicherungskunden) leider kaum gelesen oder gar kontrolliert. Das ist ein großer Fehler, denn die Schreiben zeigen auf, wie sich die erworbene Police entwickelt; mit welchem Geld die Versicherungskunden also später rechnen können. Insbesondere wird es von den Versicherungsnehmern versäumt das jeweils aktuelle Schreiben mit der Ursprungs-Police zu vergleichen - besonders hinsichtlich der nicht garantierten Überschüssen. Zu kontrollieren ist also der ursprünglich versprochene Wert inkl. Überschüsse in der Police mit dem nun im Jahresschreiben genannten voraussichtlichem Auszahlwert inkl. Überschüssen.

Schockstarre beim lesen

Wie wichtig ein solcher Vergleich ist, dies zeigt ein aktuelles Beispiel. Es geht hier um eine klassische Kapitallebensversicherung eines mittelgroßen deutschen Lebensversicherers; die Unterlagen liegen der Redaktion des Versicherungsbote vor. Die erste Wertmitteilung des Versicherers zur Ablaufleistung inklusive Überschüsse belief sich auf rund 40.000 Euro Auszahlung inklusive Überschüsse. Die letzte an den Versicherungskunden übersendete Wertmitteilung des Versicherers zur Ablaufleistung (inklusive Überschüsse) belief sich dagegen nur noch auf ca. 19.800 Euro.

Lebensversicherung - Ablaufleistung hat sich halbiert

Die mögliche Ablaufleistung inklusive Überschüsse hat sich also mehr als halbiert, von der ehemaligen Werbeaussage des Versicherers ist so gut wie nichts übrig geblieben.

Garantiezins - effektiv nicht vorhanden

Bei der Police zur vorgenannten klassischen Kapitallebensversicherung handelt es sich um einen Vertrag, dem ein Garantiezins von 4 Prozent zugrunde liegt. Rechnet man jedoch die derzeitige Wertmitteilung zur möglichen Ablaufleistung gegen die tatsächlich gezahlten Beiträge, dann ergibt sich (auf den gezahlten Gesamtbeitrag nach Kosten) ein Effektivzins von gerade einmal etwas mehr als 2 Prozent. Der angebliche Garantiezins von 4 Prozent ist daher völlig irreführend – zumindest in Bezug auf den Gesamtbeitrag nach Kosten. Es fehlt schlichtweg die Angabe, welcher Teil des Beitrages zur Kapitalanlage verwendet wird und welcher Teil des Beitrages den Kosten für den - meist viel zu geringen - Todesfallschutz zuzurechnen ist.

Katastrophe für Immobilienfinanzierung

Versicherungskunden, die zur Immobilienfinanzierung ihres Eigenheims eine endfällige Tilgung gegen Auszahlung einer Lebensversicherung eingesetzt haben, stehen vor einer Katastrophe. Bei dieser Finanzierungsart werden stets nur die Zinsen zum Darlehn gezahlt, es wurde aber nichts getilgt. Denn die Tilgung soll am Ende des Darlehens durch die gleichzeitig zur Tilgung abgeschlossene Lebensversicherung erfolgen. Bei den Berechnungen dazu wurde aber nicht etwa auf Garantiewerte der zur Tilgungsaussetzung verwendeten Lebensversicherung abgestellt. Vielmehr wurde oft so gerechnet, dass die nicht garantierten Überschüsse in die Tilgungsrechnung einbezogen wurden. Wenn aber nun – wie im vorgenannten Beispiel – die Überschüsse quasi gegen „Null“ gehen und nach Kosten nicht einmal der Garantiezins erreicht wird, dann kann der Kredit nicht wie eigentlich geplant getilgt werden. Nicht geplante, oft erhebliche Mehrausgaben durch eine Anschlussfinanzierung werden dann fällig.

Hilfe in Anspruch nehmen

Versicherungskunden sollten zu dieser Problematik dringend Hilfe in Anspruch nehmen. Lassen Sie sich von Ihrem Versicherungsvermittler bzw. Versicherungsmakler oder einem Versicherungsberater zu Ihrer bestehenden Lebens- bzw. Rentenversicherungen (die einen Sparvorgang enthalten) beraten und verlangen Sie eine Dokumentation zu dieser Beratung. Lassen Sie sich den Unterschiedsbetrag zwischen ehemaliger werblicher Zusage des Versicherers und dem tatsächlichen, jetzigen Stand aufzeigen.

Auch die Verbraucherzentralen bieten Hilfe an. "Aus unserer Beratungsarbeit wissen wir, dass es Verbrauchern häufig schwer fällt, anhand der jährlichen Standmitteilung zu entscheiden, ob sie die Versicherung behalten oder kündigen sollten", sagt z.B. Andrea Heyer, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Sachsen. Verlangen Sie auch hier eine Dokumentation zur Beratung. Sollten Sie von den Verbraucherzentralen keine Dokumentation zur Beratung erhalten, dann können Sie dies gern der Redaktion des Versicherungsbote mitteilen.

Der wiederholte Hinweis - Altersvorsorge und Sparen sind wichtig

Fakt ist, dass in vielen Fällen - wahrscheinlich eher bei der Mehrheit - die gesetzliche Rente im Alter nicht ausreichen wird, um den bisherigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Wer nichts tut, der läuft Gefahr keine Rente zu erhalten, sondern eher Grundsicherung zu beziehen. Es geht also nicht darum ob man spart (dies ist zwangsläufig erforderlich), sondern wie und in welchen Produkten man spart. Und es geht auch darum vollmundige Werbeaussagen von Produktanbietern im Fernsehen, Rundfunk, Internet und in Hochglanzprospekten von den oft ernüchternden Tatsachen zu trennen.

Tipp: Verbraucherzentralen raten grundsätzlich zu einer Trennung von Versicherung und Geldanlage/Altersvorsorge. Und geförderte Produkte gibt es nicht nur als Riester, sondern auch in sehr sinnvoller Ausprägung, so z.B. bei Vermögenswirksamen Leistungen (VL) - ohne Versicherungsmantel. Einige Tipps zu Versicherungen, Altersvorsorge, Sparen und Geldanlagen finden interessierte Leser in einem weiteren Artikel auf Versicherungsbote.