Versicherungsvertrieb: Fünf Firmen sind unter dem Dach der vfm-Gruppe mit Sitz in Pegnitz und Frankfurt am Main organisiert, darunter ein eigenes Maklerunternehmen, ein Maklerpool und ein Softwarehaus. Unser besonderes Interesse erregte jedoch die "vfm Versicherungs- & Finanzmanagement GmbH", die Ausschließlichkeitsvertreter dabei begleitet, den Schritt zum Versicherungsmakler zu wagen. Versicherungsbote hat mit Geschäftsführer Stefan Liebig gesprochen, wie hoch die Zahl der wechselwilligen Vertreter ist und warum sich Vertreter für die Selbstständigkeit entscheiden.
Versicherungsbote: Sie bezeichnen sich u.a. als „Dienstleister für Umsteiger aus der Ausschließlichkeit zum Makler“. Wie hoch ist die Zahl der wechselwilligen Ausschließlichkeitsvertreter, die Sie pro Jahr betreuen?
Stefan Liebig: Wir führen jährlich hundertfach Gespräche mit wechselwilligen Ausschließlichkeitsvermittlern. Dabei analysieren wir die persönliche Situation und erarbeiten gemeinsam eine Entscheidungsgrundlage, ob der Wechsel in die Unabhängigkeit wirklich Sinn macht. In nicht wenigen Fällen raten wir auch etwa aufgrund fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit von einem Wechsel ab.
Wenn jedoch die erforderlichen Parameter passen, begleiten wir schlussendlich max. 20 Partner pro Jahr beim Umstieg in die Unabhängigkeit und leisten dabei personelle Unterstützung, indem beispielsweise Mitarbeiter aus der Zentrale vorübergehend im Betrieb des neuen Partners vor Ort mit anpacken. Unsere Philosophie ist auf Langfristigkeit ausgelegt. Deshalb mache ich auch keinen Hehl daraus, dass wir großen Wert darauf legen, ob die viel zitierte Chemie zwischen den handelnden Personen stimmt. Das ist die Grundlage für Vertrauen und eine langfristige Partnerschaft!
“Die Wechselbereitschaft liegt seit Jahren auf hohem Niveau“
Versicherungsbote: Haben Sie in den letzten Jahren einen Trend beobachten können, zum Beispiel, dass mehr oder weniger Vertreter in die Selbständigkeit wechseln wollen?
Liebig: Unter anderem der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) verfolgt diese Fragestellung bereits seit Längerem und seine Erkenntnisse decken sich mit unseren Erfahrungen, die zeigen, dass sich die Wechselbereitschaft der Ausschließlichkeitsvermittler seit Jahren auf konstant hohem Niveau hält. Natürlich spüren wir es, wenn einige Erstversicherer ihre jeweilige Ausschließlichkeitsorganisation zum Beispiel mit neuen Kooperationsverträgen konfrontieren oder mit Schließung ausgewählter Sparten diese damit unter Druck setzen. Unsere Kontaktfrequenz mit Kollegen der betroffenen Gesellschaft steigt in dem Moment sprunghaft an.
Ich möchte hier aber auch klar zum Ausdruck bringen, dass wir niemals aktiv auf Vertreter dieser Gesellschaften zugehen, um eventuelle Missstände zu unserem Vorteil zu nutzen. Wir arbeiten womöglich mit dem gleichen Erstversicherer über den unabhängigen Vertriebsweg zusammen und würden mit einer derartigen Strategie die Partnerschaft mit Füßen treten. Die vfm-Gruppe begleitet seit über 20 Jahren Umsteiger aus der Ausschließlichkeit.Es hat sich bewährt, den ersten Schritt voll und ganz dem ratsuchenden Vermittler zu überlassen. Erst wenn dieser anfragt und eventuellen Handlungsbedarf sieht, signalisieren wir von unserer Seite aus Gesprächsbereitschaft.
Versicherungsbote: Können Sie einen Einblick geben, welche Gründe Vertreter für ihre Wechselabsicht nennen?
Liebig: Die Bandbreite möglicher Beweggründe ist breit gefächert und ergibt in der Summe ein vielschichtiges Bild. Allerdings, sehr vereinfacht ausgedrückt: wechselbereite Vermittler wollen endlich „echte Unternehmer“ sein und freie Entscheidungen treffen. Zudem erkennen viele die außerordentliche Bedeutung und hervorgehobene Wertstellung, die ein selbst aufgebauter Kundenstamm mit sich bringt. Um sein damit verbundenes Kapital ohne Einschränkung disponibel halten zu können, ist zum Beispiel der Mantel einer GmbH oder GmbH & Co KG unerlässlich. Beide Rechtsformen sind für Makler und Mehrfachagenten selbstverständlich, in der Ausschließlichkeit aber aus nachvollziehbarem Grund unerwünscht.
“Idealerweise kennt ein Vermittler seine Kunden mindestens 5 Jahre“
Versicherungsbote: Welche Probleme können bei einem Wechsel von der Ausschließlichkeit zum ungebundenen Vermittler entstehen – und welche Lösungen bieten Sie hierfür an?
Liebig: Die alles entscheidende Grundvoraussetzung für einen erfolgsversprechenden Umstieg liegt in einem großen Kundenbestand, der zudem mit einer möglichst engen Kundenbindung einhergeht. Idealerweise kennt ein wechselwilliger Vermittler seine Kunden mindestens fünf, besser noch zehn Jahre und länger. Sofern diese Voraussetzung nicht gegeben ist, steigt die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns extrem. Wir raten in solchen Fällen von einem Wechsel ab.
Gerade in den ersten zwei Jahren nach dem Vertriebswegewechsel gestaltet sich im Besonderen die Kompositbestandsumdeckung als äußerst arbeitsintensiv, wofür wir ein Bestandsumdeckungskonzept entwickelt haben. In vielen Fällen ist ein Wechsel zudem mit einer Finanzierung verbunden. Wir assistieren bereits im Vorfeld mit einer Rentabilitätsberechnung für eine nachhaltige Unternehmensplanung. Zu guter Letzt ist ein gewisser Einsatz an Eigenkapital ebenfalls einzukalkulieren. Sollte darüber hinaus eine Finanzierungslücke bestehen, füllen wir diese mit unserer Starthilfe auf.
Versicherungsbote: Die Zahl der Versicherungsvermittler ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen, auch im ersten Halbjahr 2015 verlor die Branche laut Vermittlerregister 4820 Fachkräfte. Ist ein „Vermittlersterben“ zu befürchten, wie manche Experten warnen? Oder schrumpft sich die Branche gesund?
Liebig: Sowohl als auch. Die Anzahl der Vermittler verringert sich derzeit nachhaltig, was allerdings im Gegenzug gleichzeitig zu einer Gesundung der Beraterlandschaft beiträgt. Es werden die Unternehmer im Markt verbleiben, die einen hohen Qualitätsanspruch an sich selbst und im Umgang mit ihren Kunden haben. Diese Entwicklung wird dazu führen, dass sich das derzeit – zu Recht oder Unrecht – etwas angeschlagene Image unserer Branche richtungsweisend verbessert.
Versicherungsbote: Sie kooperieren sowohl mit gebundenen als auch ungebundenen Vermittlern. Während die Zahl der Vertreter sehr stark eingebrochen ist, zeigt sich die Zahl der Makler hingegen stabil. Haben Sie eine Vermutung, was die Gründe hierfür sind?
Liebig: Der qualitätsbewusste Vermittler weiß, dass er für eine kompetente Beratung eine erstklassige und dabei möglichst breit aufgestellte Produktpalette benötigt, zumal sich der Verbraucher, dank Internet & Co., heute weit aufgeklärter zeigt als noch vor wenigen Jahren. Der hierdurch verursachte Druck erhöht den Handlungsbedarf, sich betriebswirtschaftlich möglichst selbstbestimmt wie zukunftssicher aufzustellen. Dies bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht automatisch, dass die Ausschließlichkeit aussterben wird. Deren vorhandene Bestände bedürfen ja ebenfalls weiterhin Betreuung. Will man allerdings als „echter“ Unternehmer agieren, wird dies mittel- und langfristig gesehen nur über die Makler- oder Mehrfachagentenschiene machbar sein.
"Einzelkämpfer werden es in Zukunft schwerer haben"
Versicherungsbote: Die Hälfte der Versicherungsmakler erlöst weniger als 50.000 Euro im Jahr, so eine gemeinsame Studie von Towers Watson und Versicherungsjournal. Was können nach Ihrer Einschätzung umsatzschwache Makler machen, um das Geschäft anzukurbeln?
Liebig: Zunächst: Die Frequenz des Kundenkontakts erhöhen, Administration verschlanken und das Tätigkeitsfeld erweitern. Hierzu benötigen Vermittler dem Grunde nach besser heute als morgen umfassende Unterstützung in beinahe allen Produkt- und Servicebereichen. Einzelkämpfer werden es in Zukunft noch schwerer haben, überleben zu können. Die große Chance liegt demzufolge eindeutig in der Kooperation mit einem Partner. Ein Dienstleister, der operativ schlanke Prozesse zur Verfügung stellt, ist praktisch unerlässlich. Allen voran ist hier ein funktionierendes CRM-System zu nennen. Ebenso gilt es, die vertriebliche Aktivitäten zu intensivieren: Netzwerke schaffen, unternehmerische Ausrichtung erweitern und zusätzliche Vertriebskraft, beispielsweise in Form von Untervermittlern an sich zu binden, ist eine Herausforderung, die es anzugehen gilt.
Bei der Erschließung neuer Umsatzquellen ist häufig die Rede davon, dass sich Vermittler lieber noch heute als morgen dem gewerblichen Kompositgeschäft zuwenden und sich dafür weiterbilden wollen. Das ist ein guter Ansatz, aber ohne entsprechende Kontakte brotlose Kunst. Der Vertrieb hat sich im Vergleich zu früher nicht wesentlich verändert. Es wird immer zuallererst darum gehen, aktiv zu sein und Kunden im eigenen Bestand und natürlich auch außerhalb anzusprechen.
Versicherungsbote: Die Vermittlerbranche hat ein Nachwuchsproblem, der Altersschnitt liegt bei ca. 50 Jahren. Die Kürzung der Abschlussvergütung im Zuge des LVRG könnte dazu führen, dass gerade junge Selbstständige unter Druck geraten, da sie noch keinen großen Bestand aufgebaut haben. Wird das LVRG das Nachwuchsproblem verschärfen – und was kann dagegen getan werden?
Liebig: Das LVRG wird vermutlich auch dahingehend eine Auswirkung haben. Aber nachdem es auch nach LVRG noch diskontierte Abschlussprovisionen geben wird, steht unsere Branche noch vergleichsweise gut da. In allen anderen Branchen benötigen Existenzgründer für den Start einen Kredit und/oder Eigenkapital. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass dies auch in der Finanzdienstleistung künftig notwendig sein wird, wenngleich aufgrund nach wie vor vorhandener Abschlussprovisionen in geringerem Umfang. Das ist doch ein positiver Umstand. Trotz aller Herausforderungen, die wir meistern müssen, dürfen wir den Blick für die positiven Dinge nicht verlieren.
Die gesamte Versicherungswirtschaft darf auch nicht müde werden, ihre systemrelevante Daseinsberechtigung weiterhin offensiv nach außen zu tragen. In Verbindung mit gezielter Ansprache junger Menschen und intelligenten Finanzierungskonzepten, die nicht auf dem Rücken des Versicherten basieren, kann man Einsteiger sehr gut in bestehende Konstrukte integrieren - und ihnen damit den Start in unserer attraktiven Branche erleichtern.
Versicherungsbote: Sie betonen auf Ihrer Webseite, dass die vfm-Gruppe von keinen externen Geldgebern unterstützt wird und folglich unabhängig ist. Sollte dann auch die Maklerweiterbildung unabhängig sein? Und wie bewerten Sie die vom GDV initiierte Initiative „Gut beraten“, bei der Weiterbildung eng an Versicherer und Produktgeber gebunden ist?
Liebig: Als akkreditierter Bildungsdienstleister steht die vfm-Gruppe der Initiative bekanntermaßen positiv gegenüber. Wir begrüßen es daher, wenn die Umsetzung der Weiterbildungsverpflichtung in nationales Recht über „Gut beraten" erfolgen sollte. Dies allerdings verknüpfen wir mit der Maßgabe, die derzeitige Kostenstruktur moderater zu gestalten. Weiterhin muss es unserer Meinung nach bei Vergabe von Punkten künftig eine Unterscheidung dahingehend geben, ob allgemeines, neutrales Fachwissen oder produktgeberlastige Inhalte geschult wird. Beides ist vom Grundsatz her wichtig, nichtsdestoweniger sollte es eine Mindestanforderung für Weiterbildungsthemen geben, die nicht im Zusammenhang mit einem Produktgeber stehen.
Versicherungsbote: Vielen Dank für das Gespräch! (Die Fragen stellte Mirko Wenig)