Unternehmensführung: Um die Kunden zu überzeugen, genügt es längst nicht mehr, dass Unternehmen gut wirtschaften. Mit dem Siegeszug von Internet und Social Media gewinnt auch das Thema "Werte" an Bedeutung, werden doch Missstände in Firmen schnell verbreitet. Ein Gastbeitrag von Keynote-Speaker Hermann H. Wala.
„Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht,
ist es sinnlos, miteinander Pläne zu schmieden.“
Konfuzius
Das Thema „Werte und Management“ ist nicht neu. Der Ruf nach Werten oder auch einem „Wertewandel“ wird seit vielen Jahren immer dann laut, wenn das Fehlverhalten einzelner Manager und Unternehmer Presse und Öffentlichkeit beschäftigt. Meist geht es dabei um monetäre Fragen, etwa um Millionenabfindungen für Topmanager trotz erwiesener Erfolglosigkeit oder um die Erhöhung von Vorstandsbezügen bei gleichzeitigen Sparmaßnahmen auf anderen Hierarchieebenen. Die medialen Auseinandersetzungen kreisen dann oft um den persönlichen Wertekodex Einzelner; im Zentrum steht deren tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten.
„Klaus Josef Lutz (BayWa): Man ist dann glaubwürdig, wenn man sich selbst treu bleibt, authentisch ist und niemandem ein X für ein U vormachen will.“
Starbucks und Johnson & Johnson: Moralisches Bewusstsein?
Auf seiner Website präsentiert sich die Kaffeehauskette Starbucks als Unternehmen, das sich seiner gesellschaftlichen Rolle voll bewusst ist. Soziale Verantwortung, Werte, Kaffee – in dieser Reihenfolge setzt man Schwerpunkte. Der Hinweis auf soziale Verantwortung, fairen Handel und nachbarschaftliches Engagement zieht sich durch die ganze Website.
Kein Wunder, dass das Unternehmen empfindlich reagiert, wenn die heile Welt Kratzer zu bekommen droht, etwa durch einen kritischen Bericht des Politmagazins „Frontal 21“ im Dezember 2010, der dem Unternehmen eine unfaire Behandlung der Mitarbeiter vorwarf. Starbucks reagierte mit einer langen Stellungnahme im Pressebereich der Website. Es genügt nur nicht, hehre Grundsätze niederzuschreiben – sie müssen authentisch mit Leben gefüllt werden. Verantwortlich dafür ist das Topmanagement des Unternehmens, das propagierte Werte nicht nur glaubwürdig verkörpern, sondern auch über deren Einhaltung im operativen Geschäft wachen muss.
Das ist heikel, denn Werte und Glaubwürdigkeit sind nicht teilbar: Werden Mitarbeiter in den Filialen schlecht behandelt, wirkt das Engagement für Nachhaltigkeit und fairen Handeln plötzlich wie eine aufgepfropfte Marketing-Strategie.
Wie man in Krisenzeiten Verantwortung übernimmt, bewies das Pharmaunternehmen Johnson & Johnson während der Tylenol-Krise. Tylenol war Marktführer unter den rezeptfreien Schmerzmitteln in den USA, als es binnen zweier Tage zu sieben Todesfällen nach Einnahme des Medikamentes kam. Es stellte sich heraus, dass Tylenol-Kapseln nach der Auslieferung in den Handel mit Zyanid vergiftet worden waren. Johnson & Johnson reagierte rasch und ohne zu zögern; man warnte in großen Stil öffentlich über Massenmedien vor der Einnahme des Medikamentes; landesweit wurden sämtliche Tylenol-Packungen aus dem Handel zurückgerufen. Dieses entschlossene Handeln entsprach der Selbstverpflichtung des Unternehmens, das Wohl der Kunden an die allererste Stelle zu setzen. Johnson & Johnson führte das Produkt sechs Wochen nach dem Anschlag mit einer dreifach versiegelten Packung neu ein und verfügte so als erstes Unternehmen überhaupt über eine fälschungssichere Medikamentenverpackung. Sechs Monate nach der Krise lag der Tylenol-Umsatz sogar um 24 Prozent höher als vor den Vergiftungsfällen. Ein Musterbeispiel für klare moralische Standards und deren Umsetzung in der Praxis.
Werte im Unternehmen leben
Kunden sind heute kritischer und besser informiert als jemals zuvor. Verbraucherorganisationen von Food Watch bis zur Stiftung Warentest, NGOs von Amnesty bis Greenpeace, Presse und Gewerkschaften beobachten Unternehmen argwöhnisch. Und dank Twitter, Facebook, Google+ und weiteren Social Media Plattformen verbreitet sich ein tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten in Windeseile. Dabei geht es häufig um geschäftliche Transaktionen: Sperrt Google in China auf Druck der Kommunistischen Partei Seiten? Es geht aber auch um die Kultur im Unternehmen. Wenn der Spiegel den Siemens-Konzern in einem ausführlichen Titelbeitrag als abgeschottete Welt mit eigenen Gesetzen porträtiert, durch die Korruption erst möglich wurde, dient das weder dem Unternehmen noch der Marke.
Lange Zeit wurde eine positive Unternehmenskultur als Kuschelfaktor eingestuft: nice to have, für den Geschäftserfolg jedoch sekundär. In vielen Unternehmen gilt das offenbar bis heute: Eine von Respekt und Offenheit geprägte Kommunikation, Fairness im Umgang miteinander, eine Leistungskultur ohne permanente Überforderung, all das ist nach wie vor nicht selbstverständlich. Klaus Josef Lutz (BayWa): „Mit einer Kultur von starren Hierarchien, Intransparenz, Angst und Druck kann man heute keine Erfolge mehr erzielen.“
Die Vorbildfunktion des Managements
Natürlich ist es begrüßenswert, wenn die Werte, die im Unternehmen gelebt werden sollen, in einem Leitbild oder einem Verhaltenscodex schriftlich niedergelegt sind. Schwerer als schöne Worte wiegen jedoch Taten: Werte müssen vorgelebt werden. „Klaus Josef Lutz (BayWa): Manager müssen glaubwürdig, authentisch und jederzeit zitierfähig sein; politische Spielchen, Opportunismus oder gar Unehrlichkeit zahlen sich nicht aus.“
Ein werteorientiertes Management muss sich dabei der Symbolkraft seiner Handlungen bewusst sein: Wer Nachhaltigkeit betont, setzt für Kurzstrecken eher auf die Bahn als auf den Businessflug und fährt einen Hybrid-Dienstwagen. Werte beweisen sich überdies nicht nur in dem, was getan, sondern auch in dem, was geächtet wird. Wie wird mit Mitarbeitern umgegangen, anhaltend gegen den Wertekanon des Unternehmens verstoßen? Unternehmenskultur ist ganz wesentlich Führungskultur, und diese lebt davon, was die Spitze vormacht und wie die Topebene mit Managern und exzellenten Unternehmern verfährt, die möglicherweise (noch) gute Zahlen liefern, Mitarbeiterinteressen jedoch mit Füßen treten. Stimmt das Klima, stimmt die Kultur und die Chance ist am größten Mitarbeiter zu begeisterten und sie zu Markenbotschaftern zu machen: Mitarbeiter-Commitment führt dann zu Kunden-Commitment. Eine WIR-MARKE entsteht.
Fazit: Werte
Die Zeiten, in denen sich die unternehmerische Verantwortung darauf beschränkte, Gewinne zu machen, sind eindeutig vorbei. Die von einem Unternehmen verkörperten Werte tragen zum Erfolg einer WIR-MARKE bei. Dabei zählen eindeutig Faktoren, die über die Beachtung juristischer Vorschriften und ökonomischer Zweckrationalität hinausgehen.
- Gemeinsame Werte sind Sympathieträger und Bindeglied zwischen Kunden und Unternehmen. Sie tragen stark dazu bei, aus Marken WIR-MARKEN zu machen.
- „Nachhaltigkeit“ ist der Schlüsselbegriff für moderne Kundensprüche an Unternehmen. Er bündelt den schonenden Umgang mit Ressourcen, Energieeffizienz und Umweltfreundlichkeit sowie sozial verantwortliches Verhalten vor Ort.
- Lippenbekenntnisse sind gefährlich: Noch nie war es dank engagierter NGOs und Verbraucherorganisationen, kritischer Presse und Medienvielfalt von Facebook bis Twitter für Kunden einfacher, sich über Unternehmen zu informieren. Ein glaubwürdiger Versicherungsmakler muss daher authentische Werte vorleben um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen.
- Topmanager und einzigartige Unternehmer stehen stärker denn je im Fokus der Öffentlichkeit. Von ihnen erwarten kritische Verbraucher persönliche Integrität. Zu ihren Aufgaben zählt es ferner, die Werte, für die das Unternehmen steht, deutlich zu formulieren und nach innen wie außen authentisch vorzuleben.
Ein Gastartikel von Hermann Wala. Der Keynote-Speaker wurde u.a. mit dem Begriff Wir-Marken bekannt.