Altersvorsorge - Wer spät mit dem Sparen für die Rente startet, der muss genau rechnen. Reicht das Geld mit 67 nicht, dann muss die Rente halt auf später verschoben werden - wenn das geht. Oder der Rentner von morgen muss ab heute mehr auf die hohe Kante legen. Wenn er so viel Geld zu Sparen überhaupt hat. Oder es braucht mehr Rendite, um aus wenig Geld viel Rente zu machen. In diesem Fall sind Aktien Pflicht – und reine Nervensache, oder? Nein, Aktien sind nicht bedrohlich, wenn man mit kühlem Kopf vorgeht. Ein Beispiel, wie Honorarberatung aussehen kann.
Unser Mustersparer heißt Jens Hauser. Er ist 47 Jahre alt und ihm fehlen später für den mit Alter 67 geplanten Ruhestand jeden Monat 1.500 Euro Rente. Häuslebauer Hauser konnte bisher keinen Cent auf die Seite bringen, um neben dem Hauskredit bei der Bank und Bausparverträgen noch eine Zusatzrente, wie er sagt, „schultern“ zu können. Nach Adam Riese gerechnet fehlen dem künftigen Anleger Jens Hauser, wenn er ab 67 noch 25 Jahre leben will, etwa 285.000 Euro Kapital. Dieser Betrag ist der Barwert seiner Rente, wenn man 4,0 Prozent Zins einrechnet.
Sechs Prozent Rendite sind nötig: Aktien
Vier Prozent?! Ja. Mit ein oder zwei Prozentchen Rendite kann man zwar auch rechnen. Aber bei 2,0 Prozent Zins auf das Rentenkapital sänke die monatliche Entnahme um 300 Euro. Hauser ist Häuslebauer, weswegen er in den letzten 10 Jahren, und davor auch, nicht auf seine Rente geachtet hat. Und seiner Meinung nach nie flüssig genug war, um etwas Geld auf die hohe Kante zu legen. Aber schauen wir auf heute. Aktuell sehr hilfreich ist, dass Hauser soeben ein Bauspardarlehen zurückgezahlt hat. 500 Euro im Monat sind vom Schuldendienst befreit und der Betrag steht unserem Mustersparer nun für Rente und Sparen bereit.
Wenn Hauser in den kommenden 20 Jahre jeden Monat 500 Euro anlegt, kommen am Ende 285.000 Euro heraus (gut, er muss noch 15.000 Euro, die aus einem kleinen Erbe stammen, dazu packen, dann passen die Zahlen). „285 Mille“, frohlockt Hauser, „das ist genau so viel Geld, wie ich mit 67 brauche“. Der Haken an der Sache ist freilich der erforderliche Anlagezins. Anschnallen! Gut sechs Prozent sind Pflicht. So viel Zins muss Hausers Portfolio in den kommenden 20 Jahren im Schnitt abwerfen. Sonst geht die Rechnung nicht auf.
Rendite, Risiken und Nebenwirkungen erklären
Sechs Prozent Zinsen sind das Soll. Oder Jens Hauser muss im Alter Verzicht üben, von weniger Geld leben oder früher sterben. Da Hauser beide dieser Szenarien nicht erleiden will, setzt er auf höhere Zinsen. Genauer gesagt, lautet der Ausdruck, weil wir jetzt in die Welt der Aktien eintauchen, Rendite. Sein Finanzberater empfiehlt unserem Musterkunden nun, sich an der Börse ein so genanntes offensives Portfolio zuzulegen. Sein Vermögen (90 Prozent Aktienanteil) muss so zusammengesetzt sein, dass am Ende nach 20 Jahren und nach allen Regeln der Börsenstatistik die erwartete Rendite von 6,2 Prozent eintritt.
Nachrechnen können etwas kundigere Verbraucher das etwa beim Finanzportal Ginmon, einem FinTech-Startup und neumodischem „Robo-Adviser“. Ginmon ist ein Internet-Portal, wo der Kunde sich und sein Anlegerprofil selbst klassifiziert und ihm der Roboter anschließend sagt, was er kaufen soll. Zurück zu unserem Mustersparer, Neuaktionär Jens Hauser. Ausgerechnet Aktien! Dieses unsichere Börsenzeugs scheut Finanz-Laie Hauser mangels Wissen wie der Teufel das Weihwasser, wie er sich auch sonst – wie viele Deutsche – um Geld und Finanzen sei Leben lang kaum bis gar nicht interessiert, geschweige denn gekümmert hat.
Also muss der sachkundige Finanzberater dem Kunden Jens Hauser erläutern, dass an der Börse erwarteten sechs Prozent Rendite eben auch Risiken des Anlegers entgegenstehen. Das Vermögen kann auch mal um zehn, in selteneren und volatileren Jahren auch mal um zwanzig Prozent schwanken. Bewegte sich der Wert von Hausers angelegtem Geld nach oben, wäre das ja toll. Aber wehe, es geht mal zehn Prozent nach unten mit dem Vermögen, dann wird mancher Anleger panisch reagieren. Weswegen wir einmal ein konkretes Beispiel zu Aktien und Anlage anschauen wollen.
1.700 Firmen gehen nicht alle pleite
Da wir hier keine zusammengesetzten Portfolien betrachten können, schauen wir uns einen Index-Fonds (ETF) an. Den iShares MSCI UCITS ETF (WKN: A0RPWH; unter diesem Link finden Sie dort bei „Fonds Kategorievergleich“ auch die Vergleichs-Produkte, die weiter unten im Text angesprochen werden). Dieser ETF-Fonds, wir nennen ihn im Folgenden kurz MSCI 1700, verlangt keinen Ausgabeaufschlag und kostet 0,2 Prozent Pauschalvergütung plus eine Handvoll Euro je Kaufauftrag (etwa bei Flatex pauschal 5,90 je Kauf). Der MSCI 1700 streut das Geld seiner Anleger weltweit auf 1.700 internationale Großunternehmen wie etwa Apple, Microsoft oder Exxon Öl. Die Genannten sind auch die größten Einzeltitel des Fonds.
So banal es klingt, aber zur Beruhigung des unfreiwilligen Neuaktionärs Hauser (weil der auf Biegen und Brechen in 20 Jahren 285.000 Euro braucht), könnte sein Berater ihn darauf hinweisen, dass die 1.700 Firmen des Fonds aller Wahrscheinlichkeit nach nicht alle pleitegehen werden. Vielmehr geben die meisten Vorstände der Unternehmen täglich ihr Bestes, weil sie neben Umsatz und Gewinn auch am Börsenwert des ihnen anvertrauten Unternehmens beurteilt und oft auch danach bezahlt werden.
Fonds Nr. 1: Nicht schlecht
Und wie hat der MSCI 1700 sich entwickelt? In den letzten 5 Jahren mit 29 Prozent Zuwachs, macht pro Jahr gut 5,2 Punkte. In den letzten 3 Jahren legte der Fonds um 21 Prozent oder knapp 6,6 Prozent pro Jahr zu. So gesehen könnte Anleger Hauser seiner Soll-Rendite von 6,2 Prozent nahekommen. Wären da nicht die vergangenen 2 Jahre: nur 1,4 Prozent pro Jahr, immerhin ein Plus. Auf ein Jahr betrachtet sieht es grauselig aus: Minus 6,46 Prozent. Hätte Anleger Hauser also mit dem MSCI 1700 in diesem Jahr einfach nur Pech gehabt? Nein.
Fonds Nr. 2: wie Fonds Nr. 1
Der vergleichbare Schroders Fonds (WKN 933389) hat in den letzten 12 Monaten mit 6,41 Prozent Minus genau so viele Federn gelassen wir der MSCI 1700. Zufall? Übrigens investiert auch der Schroders am stärksten in Apple, Microsoft oder Exxon. Ein „Klumpenrisiko“ muss man dennoch nicht befürchten. Alle drei Konzerne zusammen machen weniger als 5 Prozent des Gesamtvermögens aus (Zufall? So ist das auch beim MSCI 1700). Nachrichtlich: In den letzten 2 bis 5 Jahren hat der Schroders auf ähnlichem Niveau (zuletzt nicht) performed wie der MSCI 1700.
Fonds Nr. 3 bis 6: ähnlicher Inhalt – ähnliche Performance
Nein, wir müssen keine weiteren Fonds durchdeklinieren, weil dies zu keinem brauchbaren, neuen Ergebnis führte. Finanzen.net nennt zum MSCI 1700 fünf vergleichbare Fonds, die im vergangenen Jahr bis fast auf die zweite Nachkommastelle identisch um 6,41 bis 6,46 Prozent Schwund erlitten haben und die auch in den drei oder fünf Jahren davor ähnlich mit fünf bis sechs Prozent performten. Das sagt uns, vereinfacht erklärt, dass all diese Fonds beziehungsweise deren Manager im Grunde das Gleiche tun und wirtschaftlichen Geboten folgend ihre Aktienkörbe untereinander vergleichbar ähnlich zusammenstellen.
Was bedeutet das für unseren Anleger Jens Hauser, der nun zwar doch zu fast 100 Prozent in Aktien gehen will (er muss ja, sein Anlageziel „verlangt“ es), aber unserem ersten Fondsbeispiel, dem MSCI 1700, nicht traut? Statt seine 500 Euro jeden Monat in einen Fonds zu investieren, sollte er sein Geld halt streuen und fünf Mal je 100 Euro in fünf ähnliche Fonds packen (Hinweis: es wurde nicht geprüft, ob die Beispiel-Fonds Sparpläne anbieten). Vergleichbare Produkte, kostengünstige ETFs, sucht sein Berater ihm auf Knopfdruck heraus.
Leben und Leid mit dem Aktien-ETF
Auf den meisten Finanzportalen dauert ein Vergleich mit ähnlichen Fonds genau null Sekunden. Unser Testportal für die Recherchen dieses Beitrags, Finanzen.net, listet vergleichbare Fonds automatisch auf, wenn man dort ein ETF aufruft. Jens Hauser kauft sich nun ein oder bis zu fünf ETFs ähnlich den oben beschriebenen, investiert jeden Monat 500 Euro und kann aller Wahrscheinlichkeit, gewiss ist an der Börse nichts, mit etwas mehr als sechs Prozent Rendite rechnen.
Sein Anlageziel, 285.000 Euro Barwert für 1.500 Rente, wäre erreicht. Mit 67 schichtet Hauser sein Depot einmal um auf weniger Risiko und planmäßigen vier Prozent Rendite. Dann passt die Sache. Will er auf Nummer sicher gehen, dann abschließend noch ein unmathematischer Tipp: Hauser sollte einfach jeden Monat 50 oder 100 Euro mehr sparen. Sicher ist sicher.
„Kaufen sie sich Aktien, gehen sie 30 Jahre schlafen, danach sind sie reich“ (frei nach André Kostolany, 1906-1999, Börsenlegende)
Schnell beraten, schnell erledigt
Einen fitten Finanzberater „kostet“ diese Beratung: 5 Minuten auf dem Finanzrechner rumtippen. 5 Minuten die Anlagestrategie (einschließlich Portfolio) ermitteln. Hier ist die Ermittlung der Strategie sogar recht einfach, denn dieser Kunde muss mit Aktien in die Vollen gehen, um sein Ziel zu erreichen. 50 Minuten dem Kunden das mit den Aktien erklären (seine ETFs kauft der Kunde hinterher selbst).
Macht insgesamt eine Stunde Aufwand mal Honorar für den Berater. Sagen wir 300 Euro. Angesichts der Lösung eines 285.000 Euro großen Problems für den künftigen Rentner Jens Hauser sind 300 Euro Beratungshonorar aus Kundensicht wahrlich nur Kleingeld. Wobei „Lösung“ angesichts des Anlagegegenstands Aktien nicht mit einem Rendite-Versprechen zu verwechseln ist! Aber gut beraten kann der Kunde die Risiken und Nebenwirkungen seiner Aktien-Anlage durchaus überschauen.