Rentenversicherung - Den Deutschen geht es offensichtlich noch immer viel zu gut. Oder die Deutschen wollen zur Rente nichts wissen. Anders kann man logisch nicht erklären, warum eine Großzahl der Bundesbürger in drohende Altersarmut rennt. Tragen die Deutschen finanzielle Blindenbinden? Oder sind die Deutschen völlig desinteressiert in Sachen Finanzen und Absicherung?
Probleme und Lösungsansätze
Der Versuch, die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) erheblich zu kürzen und auszuhöhlen, ist der damaligen SPD-Regierung unter Gerhard Schröder gut gelungen. Der gleichzeitige Versuch der Schröder-Regierung, die GRV über privatwirtschaftliche Vehikel zum Nutzen der Versicherungswirtschaft teilweise zu privatisieren, ist gescheitert.
Die Vehikel nennen sich z.B. Riester, Rürup oder auch betriebliche Altersvorsorge. Auf der Kostenseite völlig intransparent, beinhalten diese Vehikel weitere Probleme. Dazu zählen die ggf. drohende Verrechnung mit der Grundsicherung und je nach Produktart zusätzliche Steuer- und Sozialversicherungsabgaben auf die Auszahlungen.
Hinzu kommt die vielfältige Irreführung der Verbraucher in Sachen Altersvorsorge-Förderung, welche vom Gesetzgeber m.E. zumindest stillschweigend geduldet wird. Wohl nicht ohne Eigeninteresse der staatlichen Stellen. Denn je mehr derartige Verträge unter falschen Voraussetzungen abgeschlossen werden, umso mehr spart der Staat später an gegebenenfalls fällig werdender Grundsicherung im Alter.
Die Rente – wirklich ein Wahlkampfthema?
Gerade beginnt der Bundestagswahlkampf und einige Politiker sowie Experten entdecken plötzlich die Unstimmigkeiten der Altersrente für sich als Thema. Dabei ist es egal, ob es um die gesetzliche Rente oder private Vorsorge geht. Von diesen Politikern werden tolle Vorschläge gemacht, welche die schlechte Situation eher verschlimmbessern. Statt von den eigentlichen Problemen abzulenken, wäre aus meiner Sicht aber wünschenswert, wenn sowohl die GRV wie auch die private Vorsorge zu einem echten und vor allem ehrlichen Wahlkampfthema der Bundestagswahlen werden würden.
Die Nahles-Irritation
Bundesministerin Andrea Nahles (SPD) lässt sich gegenüber der Bild am Sonntag zu der Aussage hinreißen: "Um es ganz klar zu sagen: Der Staat garantiert, dass alle Riester-Inhaber ihr Geld ausgezahlt bekommen" (Versicherungsbote berichtete). Dieses Versprechen werte ich schlichtweg als weitere Irreführung der Verbraucher.
Kennt Nahles die eigenen SPD-Gesetze nicht? Was ist mit „ihr Geld“ gemeint? Auch die Förderung? Oder nur die selbst eingezahlten Beiträge? Ohne oder mit Zinsen? Welche Zinsen? Zinsen auf welchen Betrag? Die Fragen lassen sich beliebig fortsetzen. Was ist mit „ihr Geld ausgezahlt bekommen“ gemeint? Nach Grundsicherung? Oder eben (wie gesetzlich geregelt) vor Grundsicherung und der damit einhergehenden Verrechnung? Meines Erachtens führt Andrea Nahles mit ihrer undifferenzierten Aussage gerade Verbraucher mit geringem Einkommen und den damit einhergehenden niedrigen Eigenbeiträgen in die Verrechnungsfalle.
Blindenbinden ablegen
Die Deutschen müssen in Sachen Altersrente, Sparen und Anlegen schnellstens die Augen öffnen. Dazu gehört das Hinterfragen der eigenen Situation in Sachen GRV. Lesen Verbraucher ihren Rentenbescheid? Lesen sie ihn richtig? Verstehen sie ihn richtig? Merke: Auch der Verbraucher hat eine ureigene Pflicht, seine Rentenmitteilung aufmerksam zu lesen und bei Nichtverstehen auf seiner Rentenstelle zu hinterfragen.
Dies gilt ebenso für die ihm derzeit angebotenen oder bereits abgeschlossenen Produkte zur privaten Altersvorsorge. Wenn Verbraucher hier zweifeln oder etwas nicht verstehen, so muss der Rat eines unabhängigen Maklers oder Beraters eingeholt werden. Verbraucher sollten darauf bestehen, dass die Beratung schriftlich zu dokumentieren und vom Verbraucher und dem Makler/Berater zu unterzeichnen ist. Im Weiteren sollte der Verbraucher darauf achten, dass er eine unterzeichnete Kopie der Dokumentation erhält.
Stellen Sie Fragen!
Wer sich tatsächlich mit diesen wichtigen, höchst persönlichen Dingen beschäftigt, dem werden sich plötzlich viele Fragen stellen. Wenden Sie sich mit diesen Fragen an ihren Bundestagsabgeordneten.
Stellen Sie dort Ihre Fragen oder auch Fragen zu den nachfolgend aufgeführten Problemen und verlangen Sie Antworten! Ja, die Deutschen selbst sollten ihre Rente zum Wahlkampfthema machen und dabei die nachfolgenden Problematiken ansprechen:
- Die fehlende Pflichtversicherung in der GRV für alle Bürger, also insbesondere auch Politiker selbst, Beamte, alle Selbständige und Freiberufler sowie auch sonstige derzeit von der Rentenversicherungspflicht befreite Personenkreise.
- Staatliche Pensionen sind abzuschaffen – die Pflicht zur Einzahlung in die GRV gilt für alle Bürger. Erinnert sei an das Solidarprinzip.
- Wegfall aller Bemessungsgrenzen zur GRV während der Beitragszahldauer. Wer viel verdient muss viel zahlen! Auch hierzu sollte man sich das Solidarprinzip in Erinnerung rufen.
- Grundlagen zur Funktionsweise der Sozialversicherungen, der privaten Versicherungen, der Geldanlage und zur Funktionsweise von Krediten müssen zwingend als Pflichtstunden im Schulwesen eingeführt werden.
Darüber hinaus wären deutliche, nicht irreführende Angaben in der Renteninformation der GRV wünschenswert. Rentenmitteilungen der GRV haben lediglich vier Werte zu enthalten:
- Den zum Zeitpunkt ermittelten Anspruch auf gesetzliche Rente zum Regelrenten-Beginnalter (welches als Jahr und Alter des Versicherten anzugeben ist), anzugeben monatlich in Euro ohne Eventualitätswerte.
- Den zum Zeitpunkt ermittelten Anspruch auf halbe gesetzliche Erwerbsminderungs-Rente, anzugeben monatlich in Euro ohne Eventualitätswerte.
- Den zum Zeitpunkt ermittelten Anspruch auf volle gesetzliche Erwerbsminderungs-Rente, anzugeben monatlich in Euro ohne Eventualitätswerte.
- Den zum Zeitpunkt ermittelten Anspruch aus der gesetzlichen Pflegeversicherung, anzugeben monatlich in Euro ohne Eventualitätswerte und zwar übersichtlich in Tabellenform für alle Pflegestufen und entsprechend nach Leistungsart unterteilt.
Vertreter, Makler und Berater...
sollten im Detail wissen, was sie Ihren Kunden anbieten. Ihr Wissen müssen Vertreter, Makler und Berater nicht allein aus Produktschulungen und Unterlagen der Produktanbieter beziehen. Viel wichtiger ist hier das Selbststudium mit Materialien aus eigenen, unabhängigen Informationsquellen sowie der eigene Taschenrechner. Das ist dieser Berufsstand seinen Kunden schon rein moralisch schuldig!
Gerade Maklern und Beratern sei nochmals in aller Deutlichkeit gesagt, dass sie mit ihrer Vermittlungs-/Beratungsleistung stets allein ihrem Mandanten gegenüber verpflichtet sind und dafür vollumfänglich selbst haften. Der Staat oder die Produktgeber haften eher nicht. Halbwissen und Gläubigkeit an schöne, bunte Werbeprospekte der Produktgeber führen ggf. ohne Umweg in die Beratungshaftung.
Genauso verhält es sich mit dem Glauben an Sprüche von Politikern. Wer eine Riester-Rente abgeschlossen habe, habe "alles richtig gemacht", so Andrea Nahles. Ob die Gerichte dies ebenso sehen? Wenn der falsch beratene Verbraucher klagt, dessen Riester-Rente mit der Grundsicherung verrechnet wird, erscheint mir dies mehr als zweifelhaft.
In diesem Sinne grüßt Sie herzlichst Ihr
Freddy Morgengrauen