Elementarschadenversicherung - Der Ruf nach der Pflichtversicherung

Quelle: mickyroo/Pixabay

Überschwemmungen durch Flüsse, Bäche und Starkregen in Bayern, Baden Württemberg sowie dem Rheinland und nun auch ein Tornado im östlichen Teil von Hamburg. Experten mutmaßen Schäden im Milliardenbereich. Und schon werden die Rufe nach einer staatlichen Pflichtversicherung für Elementarschäden wieder lauter. Diese Forderung war schon einmal da. Als Antwort warf die Bundesregierung den Versicherungen schon vor über einem Jahr "Marktversagen" vor, weil sie Häuser in Hochwasserzonen angeblich nur widerwillig versichern würde - aber ist diese Kritik berechtigt?

Ich hatte bereits Anfang 2015 dazu einen Artikel verfasst. Dieser wurde nun aus aktuellem Anlass überarbeitet.

Marktversagen in der Elementarschadenversicherung? Ein ganz klares „Jaein“!

Ja, denn natürlich ist es ein Marktversagen, wenn die Absicherung existenzbedrohender Risiken angeblich nicht möglich ist. Und gleichzeitig aber auch ein „nein“, denn mittlerweile dürfte erwiesen sein, dass die weitaus meisten Gebäude tatsächlich versicherbar sind. Dies gilt auch in Bezug auf Hausrat und gewerbliche Risiken. Versicherungsbote hatte dies anhand von zwei jüngst betroffenen Gebieten nachgewiesen. Zum einen für das Beispiel der Unwetterkatastrophe im Kreis Rottal-Inn (Versicherungsbote berichtete) und auch für das ebenfalls betroffene Braunsbach (Versicherungsbote berichtete).

Soll staatliches Versagen versichert werden?

Es ist wenig sinnvoll der gewinnorientiert agierenden Privatversicherungswirtschaft ein unkalkulierbares Risiko "aufdrücken" zu wollen. Insbesondere in den Fällen, wo den Risiken staatliches Versagen zu Grunde liegt. Schon allein aus kaufmännischer Sicht müssen sich die Versicherer gegen ein solches Ansinnen wehren.

Warum staatliche Organisationen zum Teil die Schuld tragen

Herausragendes Beispiel sind Flussbegradigungen, die zur deutlichen Erhöhung der Fließgeschwindigkeit von Gewässern und damit zu erhöhter Hochwassergefahr beigetragen haben. Solche Baumaßnahmen gingen oft mit einem Wegfall oder der Eingrenzung von Überschwemmungsflächen einher. Sodann wurden für frei werdende Flächen zum Teil Baugenehmigungen erteilt. Warum wurden und werden überhaupt Baugenehmigungen in ehemaligen Überschwemmungsflächen erteilt? Da aber solche Genehmigungen erteilt wurden, trifft die Schuld für Überschwemmungen dortiger Gebäude und Anlagen nach meinem Verständnis die entsprechenden staatlichen Institutionen und nicht etwa die Versicherungswirtschaft, die für derartige Standorte nun aus guten Gründen keinen flächendeckenden Versicherungsschutz anbieten möchte.

Weitere Probleme in Sachen Elementarschadenversicherung

Wenn nach den derzeitigen Plänen des Gesetzgebers keine staatliche, für Jedermann zwangsweise verpflichtend abzuschließende Elementarschadenversicherung geschaffen werden soll, dann bleibt tatsächlich nur der Weg über die Privatversicherungswirtschaft. Allerdings muss dabei beachtet werden, dass das Konzept für die Versicherer tatsächlich wirtschaftlich tragbar ist. Dies muss sich inklusive der Aussicht auf einen Gewinn verstehen, denn wie schon erwähnt sind Versicherer keine Sozialkassen, sondern gewinnorientierte Wirtschaftsunternehmen.

Versicherungsvermittler dürfen nicht vergessen werden

Auch auf den Vertrieb, der logischer Weise mit eingebunden werden muss, kommen hinsichtlich Beratungsaufwand und Dokumentationspflichten neue Aufgaben zu. Folglich muss es auch für den Vertrieb eine entsprechende Entlohnung geben. Die Sanktionen für eine nicht oder nicht vollständig erfolgte Beratung sind hingegen schon existent und erstrecken sich bekanntlich von Schadenersatz bis hin zum Verlust der Zulassung als Versicherungsvermittler beziehungsweise Versicherungsberater. Ein Umstand, den einige Marktteilnehmer aus aktuellem Anlass schmerzlich erfahren dürften. Schadenersatzklagen werden Versicherungsvermittlern oder Versicherungsberatern insbesondere dann drohen, wenn die gesetzlich vorgeschriebene Beratungsdokumentation fehlt, nicht vollständig oder falsch ist, beziehungsweise wenn die Original-Unterschrift des Kunden fehlt.

Elementarschaden-Pflichtversicherung: Lösungsvorschläge für den privatrechtlichen Versicherungsbereich

Wie könnte eine Pflichtdeckung im privatrechtlichen Versicherungssektor aussehen, wenn es keine staatliche Pflichtversicherung geben soll? Welche Riskiken sollten beinhaltet sein? Ein parr Lösungsansätze zu deren Ausgestaltung:

  1. Elementarschutz für die Gefahren Ausuferung von stehenden und fließenden Gewässern
  2. Eindringen von Oberflächenwasser in das Gebäude verursacht durch starke Niederschläge wie etwa Regen, Schnee und Hagel
  3. Rückstau
  4. drückendes oder eindringendes Grundwasser verursacht durch die in 1., 2. und/oder 3. genannten Gefahren,
  5. Beschädigung durch Schneedruck sowie Eis- und sonstige Niederschlagslast,
  6. alle Arten Lawinen (zum Beispiel auch Schlammlawinen)
  7. Erdrutsch, Felssturz
  8. sowie jede Form von Erdsenkungen und/oder Erdrutsch.
  9. Absicherung von Abbruchkosten, Dekontaminierungskosten, Schadennebenkosten, Unterbringungskosten bei behördlicher angeordneter Evakuierung oder Unbewohnbarkeit etc. zu allen vorgenannten Risiken (Punkte 1. bis 8.).

Eine solche Pflichtdeckung muss nach dem Prinzip äquivalent anderer (nicht abwählbarer) Bausteine in jeder betroffene Versicherungssparte erfolgen. Dazu gehören unter anderem:

  1. alle Arten von Gebäudeversicherungen (zum Beispiel Wohngebäudeversicherung, gewerbliche Gebäudeversicherung etc.)
  2. alle Arten von Inhaltsversicherungen (zum BeispielHausratversicherung, Betriebsinhaltsversicherung, Bauleistungsversicherung, technische Versicherungen, Transportversicherungen etc.).
  3. alle Arten von Folgeschadenversicherungen (zum Beispiel Betriebsunterbrechungsversicherung, Praxisausfallversicherung etc.)

Dabei sollte es sich zu den Punkten 1. und 2. jeweils um eine Versicherung zum Neuwert handeln.

Weitere Bedingungen

  • Leer stehende Gebäude sind nur unter bestimmten Voraussetzungen (zum Beispiel vorübergehendes unbewohnt sein) versicherbar. Der Grundbeitrag zur individuellen Prämienberechnung für diese Pflichtversicherung, die Versicherungsbedingungen und die Annahmerichtlinien sind bei jeder Versicherungsgesellschaft gleich und nicht zonen- oder betriebsartenabhängig.
  • Der Beitrag beinhaltet für den Vertrieb die übliche laufende Courtage äquivalent der entsprechenden Hauptversicherung sowie für die Versicherer eine gewinnorientierte Inkasso- und Bearbeitungsgebühr (Policenerstellung, Schadenbearbeitsgebühren etc.).
  • Der jeweilige Beitrag errechnet sich allein an der jeweiligen Grundfläche, welche bei Gebäudeversicherungen mit der Geschossanzahl (inklusive Keller- und Dachgeschoss) zu multiplizieren ist.
  • Bei gewerblichen Versicherungsarten wie z.B. Betriebsunterbrechungsversicherungen, Maschinenversicherungen, technischen Versicherungen etc. bzw. im Bereich der Industrieversicherung sind gesonderte, jeweils einheitlich geltende Berechnungsarten festzulegen.
  • Der Beitragsteil der Pflichtversicherung ist nach Abzug der Vermittlungscourtage und der Gebühren des Versicherers an einen Versicherer mit Staatsgarantie zu überweisen. Denselben gibt es in Deutschland bereits, es handelt sich hierbei um die Extremus Versicherungs-AG
  • Die Schadenbearbeitung und Schadenregulierung wird von den jeweiligen Policengebern (Versicherern) gegen entsprechende Gebühr übernommen. Als hundertprozentiger Rückversicherer fungiert allein die Extremus Versicherungs-AG. Dies gilt sowohl für die festgestellte Schadenhöhe, wie auch hinsichtlich der Schadenbearbeitungs-, Gutachter- und sonstiger Schaden- bzw. Schadennebenkosten. Die Staatsgarantie deckt Schäden, die nicht durch Beiträge gedeckt sind.
  • Die Extremus Versicherungs AG wird verpflichtet, nach Abzug sämtlicher Schaden- und Schadennebenkosten und kaufmännisch sinnvoll anzusetzenden Rückstellungen, den jährlichen Gewinn an eine von staatlicher Seite zu schaffenden Stelle „Präventiver Hochwasserschutz und Renaturierung“ abzugeben.
  • Die staatliche Stelle „Präventiver Hochwasserschutz und Renaturierung“ wird hinsichtlich aller Eigenkosten vom Staat (aus Steuermitteln) bezahlt. Die aus evtl. Gewinnen der Extremus Versicherungs-AG dort einkommenden Gelder dürfen ausschließlich dafür verwendet werden, dass menschlich geschaffene Ursachen von Überschwemmungen beseitigt werden. Dazu gehören z.B. folgende Aufgaben: Renaturierung von Polderflächen,
  • Entsiedlung von Polderflächen durch großzügige finanzielle Entschädigung der Angesiedelten, auf Wunsch alternativ die zur Verfügungstellung von Ersatzbauland / Ersatzbauten derart, dass die Betroffenen nicht aus ihrem gewohnten Lebensumfeld „vertrieben“ werden,
  • Renaturierung von Flussläufen bei gleichzeitiger Sicherstellung von Erhalt eventueller wirtschaftlicher Nutzung (z.B. Schifffahrt),
  • Neuschaffung von Polderflächen, örtlich insbesondere dort, wo die Punkte b. oder c. nicht (mehr) sinnvoll möglich erscheinen.

Fazit

Die Errichtung einer nach dem Solidarprinzip funktionierenden Pflichtversicherung im privatrechtlichen Versicherungssektor für den Bereich Elementarversicherung, bei gleichzeitiger Beseitigung der menschlich geschaffenen Ursachen von Überschwemmungen, erscheint mir durchaus möglich – mit gutem Willen von allen Beteiligten und Betroffenen ...

... meint herzlichst Ihr


Freddy Morgengrauen