Im Mai bat die EU-Aufsicht der Versicherer (Eiopa) die Unternehmen zum Stresstest. Nun bekommt die Eiopa ihrerseits Stress mit der Allianz. Deren Manager für Regulierungs- und Aufsichtsfragen geht der aktuelle Stresstest der Eiopa auf die Ketten und nennt das Testszenario „halbgar“, weil die Aufsicht eine völlig verrückte Mess-Situation zeichne, realitätsfern. Streitpunkt ist der anzusetzende Zinsfuß für langfristige Verbindlichkeiten der Assekuranz.
Europas best insurer – Europas biggest Loser. Etwa in dieser Range werden die Ergebnisse des aktuellen Stresstests der EU-Aufsicht Eiopa zu erwarten sein, mit dem vor allem die langfristige Stabilität der Versicherer auf der Zeit- und Zins-Streckbank getestet wird. Neben zeitgleichen heftigen Einschlägen auf Aktien- und (vor allem Staats-)Anleihemärkten in einem Szenario prüft die Eiopa auch eine fiktive Situation, in welcher die zeitfernen Garantien und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen harten Teststrapazen ausgesetzt werden.
Kettenrasseln
Nun entbrennt zwischen der Allianz SE und dem Europa-„Wachhund“ (so pflegt sich die englische Presse gern auszudrücken) ein Methodenstreit, der über akademische und mathematische Fragen hinaus Stress erzeugt. Die Eiopa setzt aus Sicht der Allianz, die nun ihrerseits an der Kette – wenn auch nicht mit dem Säbel - rasselt, für das langfristige Leistungs-Szenario der Gesellschaften einen viel zu niedrigen Zinsfuß von nur 2,00 statt 4,20 Prozent an. Letztgenannter Wert entspricht dem aktuellen (noch realistischen?) Rechnungsansatz.
Es geht um die so genannte Ultimate Forward Rate (UFR), auf deutsch die Zinsrate, mit der die Leistungsfähigkeit der Unternehmen in die Zukunft hinein projiziert wird. Einfacher: Betrachtet wird der Zins, mit dem die Unternehmen ihre Leistungen der Zukunft – neben den Prämieneinnahmen - „ansparen“. Mathematisch ist all das ein kompliziertes, aber für Aktuare beherrschbares Rechenwerk.
Freak stress
Prognostisch ist der jetzt von der Eiopa im Szenario angesetzte Zins von lediglich 2,00 Prozent aus Sicht von Tobias Bücheler, bei der Allianz für Aufsichtsfragen zuständig, eine „freak stress situation“ (zu deutsch und höflich übersetzt: verrückt und unrealistisch), berichtet die britische „Financial Times“ an diesem Montag von ihrem Interview mit Bücheler.
Der Mann sieht sich und sein Unternehmen offenbar dafür bestraft, dass die Allianz im Branchenvergleich stabil dasteht und im Gegensatz zu weniger solventen Gesellschaften keine Marscherleichterung im Zusammenhang mit Eigenkapital- und Solvency II.-Management braucht. Deutlicher gesagt: Das harte Testszenario könnte die Unternehmen umso härter bestrafen – und mehr Eigenkapital fordern – je besser die Gesellschaften bisher bei Solvency II mit Eigenmitteln ausgestattet sind. Am 15. Juli müssen die Versicherer ihre Stresstest-Ergebnisse bei der Eiopa abliefern. Im Dezember wird die Aufsicht die Ergebnisse veröffentlichen.