Justitia - Unparteiisch oder blind?

Quelle: rivansyam@istockphoto.com

Versicherungsvertrieb: Aufregung ging letzte Woche durch die deutsche Maklerschaft. Empörung über ein Gerichtsurteil. Makler mit besonders enger Bindung an Maklerpools bekamen es mit der Angst zu tun. Protagonisten der Pools versuchten die Schnellheilung mit Worten der Besänftigung. Was war passiert? AssekuranzDoc Peter Schmidt bittet in seiner aktuellen Sprechstunde Justitia ins Behandlungszimmer.

Es gibt in unserer Zeit immer mal wieder Urteile von Gerichten, die den Leser unwillkürlich an die Statuen der Justitia mit dem Richtschwert in der einen und der Waage in der anderen Hand sowie der Augenbinde erinnert. Die Augenbinde, die heute eher als Symbol der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit gesehen wird, wurde Ende der 1490er Jahre als Zeichen der Blindheit gesehen und vom Volk verspottet. Und diesen Eindruck bekommt man in einem aktuellen Fall.

Ist der Makler dem Pool oder dem Kunden verpflichtet?

Das Bayrische Landessozialgericht hatte in einem seit 2014 beim Sozialgericht Landshut anhängigen Fall in zweiter Instanz zu entscheiden und traf am 3. Juni 2016 ein Urteil zur Sozialversicherungspflicht eines Maklers. Der Fall begann, als der Makler bereits 2010 einen Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige auszufüllen hatten.

Der Makler gab in dem Fragebogen zur Feststellung der SV-Pflicht an, dass er seit 2010 als Versicherungsmakler nach §34d der Gewerbeordnung tätig sei, er keine Angestellten habe und er für seine von ihm akquirierten zirka 500 Kunden tätig sei. Außerdem fügte er eine Bestätigung einer Service AG vor, für die er als freier Versicherungsvermittler tätig war.

Bereits gegenüber dem Sozialgericht Landshut gab der Makler an, dass seine mit den Kunden abgeschlossenen Maklerverträge auf seinen Namen und nicht des Pools lauteten und er die Versicherungsinteressen des Kunden wahrnehme und an keine Versicherungsgesellschaft gebunden sei. Über die Maklerverträge wurde er beauftragt und bevollmächtigt, seine Kunden gegenüber den Versicherungsgesellschaften zu vertreten.

Der @AssekuranzDoc

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Dr. Peter Schmidt ist Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc.

Doch diese Argumente genügten den Landshuter Richtern nicht und mit Verweis auf die ausschließliche Arbeit für einen Pool und der ausschließlichen Vermittlung der Produkte dieser Pool AG. „Folglich erhalte er bislang auch nur Provisionen, die aus seinem Mitarbeiterkonto bei der AG stammten. Als deren Vertragspartner erhalte er auch Vertriebsunterstützung und könne Serviceleistungen kostenlos nutzen (z.B. objektive Analyse-, Vergleichs- und Angebotssoftware zur Archivierung der Dokumente und online-Kundenverwaltung).“

Einspruch: Gleiche Argumente bringen nur gleiches Urteil

Viele Makler, die vom noch nicht rechtskräftigen Urteil der zweiten Instanz über das Landessozialgericht Bayern (LSG) gehört oder gelesen hatten, würden spontan die Argumentation des klagenden Maklers teilen. Dieser verwies vor dem LSG wieder darauf, dass er trotz der Vertriebsvereinbarung mit dem Pool ein unabhängiger Makler sei, der im Auftrag seiner Kunden arbeite.

Zu seinen Argumenten gehörte auch, dass er jederzeit auch mit anderen Maklerpools Vereinbarungen eingehen könne und eine Pflicht für die Übertragung seiner Kundenbestände an die zur Rede stehende Pool AG nicht bestehe. Doch diesen Argumenten folgte das LSG nicht. Vielmehr wurden die Herangehensweise der Erstinstanz gestärkt, die sich auf die Unterscheidungsmerkmale nach §2 Satz 1 Nr. 9 des Sozialgesetzbuches für arbeitnehmerselbständige Selbständige bezog.

Die Gerichte beider Instanzen gehen inhaltlich, anders als die Makler selbst, davon aus, dass der Maklerpool der Auftragsgeber des Maklers sei und damit eine Art Ausschließlichkeit vorliegen würde. Für Gerichte scheint die Analogie zu selbständigen Kurierfahrern dennoch näherzuliegen als das persönliche Empfinden der Makler. Auch beim Kurierfahrer.

Aber selbst wenn man sich von der Sichtweise des Maklers leiten lässt, nur mit diesem einen Pool zusammenarbeiten zu wollen, bleibt unberücksichtigt, dass der Vertrag zwischen Pool und Makler und zwischen Makler und seinen Kunden etwas anderes aussagt.

Rechtsanwalt Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des Vermittlerverbandes AfW e.V., lenkt deshalb auch in einer Stellungnahme zum vorliegenden LSG-Urteil die Argumentation darauf, dass die Vertragsbeziehungen zwischen Makler und Maklerpool, anders als das LSG Bayern meint, nicht mit einem Franchisemodell vergleichbar sind.

„Denn der Makler vertreibt insbesondere keine Produkte des Maklerpools, sondern Produkte der Gesellschaften als Produktgeber. Der Maklerpool bietet weder eigene Produkte zum Vertrieb an noch akquiriert der Maklerpool in der Regel eigene Kundenbeziehungen. Richtiger Weise ist der Kunde des Maklers als dessen Auftraggeber anzusehen“, wie Wirth feststellt.

Unterschiedliche Reaktionen auf das Urteil

Norman Wirth sieht als Rechtsanwalt und Vorstand des von ihm vertretenden Maklerverbandes das Urteil als inhaltlich und handwerklich bedenklich an und weiß sich hinsichtlich der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils mit vielen Praktikern einig. Natürlich gibt es Versuche von Pools, ihre Makler als quasi Ausschließlichkeit an sich zu binden. Dann wird dies aber auch in den entsprechenden Verträgen deutlich und auch so sanktioniert.

Für die Masse der Makler gilt dies aber eben nicht. Denn in der Praxis, wie ich auch immer wieder bei Unternehmensberatungen oder Bewertungen von Maklerbeständen feststellen kann, arbeitet die Übergroße Anzahl der Makler mit zwei oder drei Pools zusammen und befindet sich in keinem Weisungsberechtigten Vertragsverhältnis mit dem Pool.

Rechtsanwalt Martin Stolpe empfiehlt Maklern, die mit Pools zusammenarbeiten, eine Überprüfung der Verträge mit ihren Pools besonders unter dem Aspekt, wem die Bestände gehören „oder ob etwaige Rechte aus den Beständen einzig und allein beim Maklerpool liegen. Mithin sollten zum Beispiel eine rechtsgültige und auch von einem Insolvenzverwalter nicht anfechtbare Abtretung der Bestände zugunsten des Versicherungsmaklers Vertragsbestandteil sein“, wie Stolpe in einem Beitrag für den Versicherungsboten hervorhebt.

Das Schweigen des einen oder anderen Poolchefs ist also in erster Linie so zu deuten, dass man sich von dem Urteil „ertappt“ fühlt und Befürchtungen hinsichtlich der Reaktionen der „fest“ angebundenen Makler hat. Denn so mancher Pool sieht durchaus in einer eigenen Vertriebsmannschaft einen Weg zur Sicherung der Existenz des Pools für die Zukunft, wenn man die Meldung zur Gründung von JDC Plus vom Ende des vergangenen Jahres denkt.

Offensiver mit der Thematik des aufgeführten LSG-Urteils geht der Poolchef von blau direkt, Oliver Pradetto, um. Im Blog von blau direkt heißt es, dass anders als bei einer Vielzahl von Pools bei blau direkt niemals die Gefahr bestünde, dass der Partnermakler als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger eingeordnet würde. Dazu werden sechs Argumente aufgeführt, die die Rolle von blaudirekt als ausführendes und nicht als anweisendes Organ belegen sollen.

Pradetto lässt dennoch ein Rechtsgutachten erstellen, um bei eventuellen Auseinandersetzungen mit den Rentenversicherungsträgern gewappnet zu sein. Außerdem überlegen die Lübecker, ob eine Garantie zur Rentenversicherungspflicht-Freiheit den eigenen Poolpartnern mehr Sicherheit bringen könnte. Er ist sich im Ergebnis der vielschichtigen Diskussion aber auch im Klaren, dass es zur eigenen Auffassung eine Vielzahl von andere Meinungen von Maklern und Kollegen gibt.

Fazit

Dem verunsicherten und Rat suchenden Makler, der sich umfassend zur Problematik Rentenversicherung von Versicherungsmaklern informieren will, sei eine Empfehlung von Rentenberater Andreas Nienhof im Informationsdienst für Versicherungsvermittler zum Nachlesen empfohlen.

Nienhof ist der Meinung, dass die Rentenversicherungspflicht von Versicherungsmaklern davon anhängt, ob er Mitarbeiter hat, mit einem oder mehreren Versicherern, Pools oder Servicegesellschaften zusammenarbeitet oder ob er Untervermittler eines Makler sei. Darauf sollten sich Makler einstellen.

Inwieweit das Urteil des LSG Bayern als fehlerhafte und praxisfremde Einzelfall-Entscheidung anzusehen ist, werden wir sehen. Empörte Makler sollten dennoch bedenken, dass zwei Gerichte verschiedener Instanzen der gleichen Argumentation im konkreten Fall gefolgt sind.

Dem deutschen Naturforscher und Dichter französischer Herkunft, Adelbert von Chamisso, wird ein für Makler in dieser Sache ganz passendes Zitat nachgesagt: "Du bist im Recht; nun sieh zu, wie du da wieder herauskommst.“