Provisionen des Versicherers und seiner Vertriebe dürfen nicht gegen die Interessen des Verbrauchers wirken. Dieser Leitsatz lässt sich aus einem neuen Papier der EU-Versicherungsaufsicht Eiopa ableiten, mit dem die Vertriebsrichtlinie in gelebte Praxis des Verkaufs von Policen überführt werden soll. Wann Provisionspraktiken sich gegen den Verbraucher auswirken, das zählt EU-Aufsicht in ihrem Text haarklein auf.
Die beschlossene Vertriebsrichtlinie IDD gibt den Rahmen vor, wie Versicherungen in Zukunft an den Mann gebracht werden sollen. Konkretes für Produkte und ihren Verkauf formuliert die Eiopa nun ausführlich. Deren am 4. Juli erschienenes Papier ist weit mehr als nur eine „Konsultation“, wie die Aufsicht ihr Papier betitelt. Zwar dürfen die Staaten der EU weiterhin Provisionen erlauben, aber die Aufsicht steckt enge Grenzen, vor allem was Anreize für den Vertrieb betrifft, die den Interessen des Verbrauchers entgegenstehen.
IDD: Konsultation ist mehr Abhörmaßnahme, denn Umfrage
Konkret will die Eiopa von den Versicherern künftig geprüft und sichergestellt wissen, wie die Policen der Versicherten künftig aussehen sollen, damit diese den Bedarf der Verbraucher entsprechen. Außerdem konsultiert die Aufsicht die „Marktteilnehmer“ zur Frage, wie Interessenkonflikte zwischen Vertrieb und Kunden vermieden werden können. „Unangemessene Verkaufsanreize“ oder Fehlsteuerungen durch Provisionen sollen die Versicherer von vornherein organisatorisch verhindern.
Noch genauer will die Eiopa regeln, wann Anreize wie etwa ausgelobte Provisionen den Verbraucher benachteiligen. Auch sollen die Vermittler genauere Vorgaben bekommen, mit denen sie den Bedarf ihrer Kunden besser ermitteln. Also „fragt“ die Aufsicht die Markteilnehmer nach Meinungen oder Vorschlägen für eine bessere Vertriebswelt? Nein. Eher hört sie vor allem die Versicherer ab, wie in der Schule, ob die Assekuranz ihre Hausaufgaben gemacht hat – oder demnächst machen will. Antworten sollen die Versicherer an die Eiopa bis 3. Oktober.
171 Seiten des Leidens
Die EU-Aufsicht will von den Versicherern das Wie erfahren. Nämlich wie die künftigen Kunden bei Produkten und im Vertriebshandeln der Unternehmen in ihren Interessen geschützt werden. Die 171 Seiten ihres aktuell nur auf englisch veröffentlichen Papiers verwendet die Eiopa vor allem darauf, um listenweise und haarklein aufzuzählen, worauf neue Produkte der Versicherer zu prüfen seien. Oder welche Provisionen oder auch „nicht materielle“ Anreize dem Interesse des Kunden entgegenstehen können.
Fast jede der Listen, die die Eiopa in ihr Papier schreibt, endet mit dem Hinweis, dass diese Aufzählung „nicht abschließend“ sei. Man will also im wohlverstandenen Interesse des Verbrauchers jede Ausflucht der Anbieter und Verkäufer von Versicherungen unterbinden, Umgehungstatbestände möglichst ausschließen. Auf Seite 54 listet die Eiopa etwa auf, wann Provisionen, die ein Versicherer dem Vertrieb bezahlt, den Verbraucher benachteiligen. Diese „schwarze“ Liste steht buchstäblich für die Provisionspraxis der jüngsten Vergangenheit, der die Eiopa jetzt einen Riegel vorschieben will.
„Schädliche Auswirkungen“ von Provisionsanreizen
Die EU-Aufsicht sieht „schädliche Auswirkungen“ eines auf Provision basierenden Systems, also wenn der Produkthersteller die Vertriebsvergütungen bezahlt, in diesen Fällen:
- generell, wenn der Verbraucher benachteiligt wird
- wenn Provision ein für den Verbraucher besseres Produkt verdrängt
- wenn neben Quantität der Leistung eines Produktes dessen erforderliche Qualität nicht beachtet wird
- wenn Provisionen „unverhältnismäßig oder exzessiv“ hohe Anreize bieten, obwohl das Produkt selbst dem Verbraucher einen entsprechend höheren Nutzen bietet
- wenn die gesamte Provision sofort bei Abschluss der Police fällig wird (was bislang überwiegend der Verkaufspraxis bei Lebensversicherungen entspricht)
- wenn der Verbraucher etwa bei Kündigung keine (wenigstens anteilige) Kosten erstattet bekommt
- wenn der Vertrieb umsatzabhängig bezahlt oder bonifiziert
Ergänzend schreibt die Eiopa auch zu dieser Liste: „Diese Liste ... ist nicht abschließend.“