In Deutschland sorgen beunruhigende Nachrichten über Terror, Gewalt, Extremismus und eine polarisierte Debatte zum Thema der Flüchtlingskrise für eine verängstigte, sorgenvolle Stimmung. Das zumindest legen die Ergebnisse der R+V-Studie "Die Ängste der Deutschen 2016" nahe. "Nie zuvor im Laufe unserer Umfragen sind die Ängste innerhalb eines Jahres so drastisch in die Höhe geschnellt wie 2016", gibt der Versicherer zu bedenken.
Es ist vor allem der Terror, der den Deutschen Angst macht. So sagte Brigitte Römstedt als Leiterin des Infocenters der R+V Versicherung auf der Pressekonferenz in Berlin: "Die Attentate der Terror-Miliz IS in Europa schüren die Angst vor terroristischen Anschlägen massiv. Sie steigt um 21 Prozentpunkte und erreicht damit ihren bisherigen Höchstwert - und erstmals Platz 1 unseres Ängste-Rankings." So nimmt es nicht Wunder, dass in erster Linie die Angst vor politischem Extremismus und vor Spannungen angewachsen ist. Wobei einige Deutsche einen Zusammenhang zwischen diesen Themen und dem Zuzug von Ausländern herstellen: Mehr als zwei Drittel der befragten Bundesbürger fühlen sich dadurch verängstigt.
Außerdem gewachsen ist der Eindruck, dass auch Politiker mit der gegenwärtigen Situation überfordert sind und die Flüchtlingskrise nicht ohne Probleme bewältigen können. So nehmen zwei Drittel der Befragten an, die große Zahl der Flüchtlinge würde die Deutschen und ihre Behörden überfordern (66 Prozent) bzw. die Kompetenzen der Politiker übersteigen (65 Prozent). Teilgenommen haben an der Umfrage, die zum 25. Mal vom R+V-Infocenter durchgeführt wurde, rund 2.400 Bürger. Sie wurden befragt zu ihren größten politischen, wirtschaftlichen und persönlichen Sorgen.
Angstindex: Geld, Gesundheit, Umwelt? Das war gestern
Dieser R+V „Angstindex“, der den Durchschnitt der langjährig abgefragten Sorgen anzeigt, hat nun ein neues Niveau erreicht und liegt derzeit bei 49 Prozent – was zurückzuführen ist auf die ungewöhnlich starke Zunahme einzelner Sorgen. Von den insgesamt erfragten Sorgen beispielsweise übertreten bereits zwölf Sorgen ganz erheblich die 50-Prozent-Marke. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 schafften es nur vier Ängste, mehr als die Hälfte der Befragten schwerwiegend zu beunruhigen (siehe Grafik).
Angesichts dieser enormen Zunahme kommentierte Manfred G. Schmidt als Politologe an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg und Berater des R+V-Infocenters, das Jahr 2016 sei "das Jahr der Ängste". Er begründete das so: "Die Sorgen um Geld, Gesundheit und Umwelt - in früheren Jahren noch Top-Themen - sind nicht verschwunden. Aber jetzt werden sie von schwerwiegenden Gefährdungen wie Terror, Extremismus oder EU-Schuldenkrise überlagert." Und im aktuellen Jahr hat sich nun ein weiterer Angstfaktor stabil eingerichtet: "Die große Mehrheit der Deutschen ängstigt der Kontrollverlust des Staates in der Flüchtlingskrise und die Überforderung der Politiker - ein katastrophales Urteil für die politische Klasse."
Die täglichen Bilder von Attentaten der IS-Terrormiliz und von einer nicht abreißenden Flüchtlingswelle in Europa potenziert offenbar das Bedrohungsgefühl der Bundesbürger gravierend. Professor Schmidt begründet diese Entwicklung wie folgt: "Terroranschläge, Ausschreitungen von Extremisten, aber auch die politische Polarisierung infolge der unkontrollierten Massenzuwanderung erschüttern das ausgeprägte Sicherheitsbedürfnis der Deutschen."
Terror über allem - Spitzenplatz der Ängste
Insbesondere also ist die Angst vor Terror am stärksten gestiegen, gleichermaßen bei Männern und Frauen, wie in Ost so in West. Sie legt um 21 Prozentpunkte zu und liegt nun bei 73 Prozent, womit sie den Spitzenplatz der Umfrage erreicht hat. Im Vorjahr war diese Angst ebenfalls die mit dem stärksten Zuwachs, damals aber lag sie noch auf Platz drei.
Erstmals ins Bewusstsein rückte das Terrorthema in der westlichen Welt mit „9/11“ : "Nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York 2001 hat sich die Angst vor terroristischen Attentaten im Durchschnitt der Jahre bis 2014 nahezu verdoppelt - und nahm 2015 und vor allem 2016 noch weiter zu", erklärt Brigitte Römstedt (vergleiche Grafik 3).
Auch das Faktum des politischen Extremismus, das 2015 „nur“ die Hälfte der Befragten beunruhigt hatte, hat nun schon über zwei Drittel der Deutschen (68 Prozent) im Griff und rangiert damit auf Platz 2 des diesjährigen Ängste-Rankings. Die Angst, es könnte in Folge fortgesetzter Zuwanderung zu Spannungen zwischen Deutschen und hier lebenden Ausländern kommen, erlebte einen Zuwachs um 18 Prozentpunkte, steht aktuell bei 67 Prozent und gelangt somit von Platz 4 auf Platz 3 des Rankings.
Angst ums Geld - Ursachen im Wandel
Selbstverständlich wächst in so instabil wirkenden Zeiten auch die Sorge um den Wert des Geldes. "Nach der Einführung der Euro-Währung war die Furcht vor steigenden Lebenshaltungskosten jahrelang der Angstmacher Nummer 1 und stand insgesamt 11 Mal an der Spitze des Ängste-Rankings, zuletzt 2010", formulierte Römstedt. Seit dem Jahr 2010 aber drängten sich immer mehr die Kosten der Euro-Schuldenkrise in den Vordergrund. Das heißt, das aktuell 65 Prozent der Befragten Angst haben (2015: 64 Prozent), die Euro-Schuldenkrise würde teuer für den Deutschen Steuerzahler. Diese Angst hat im Vergleich zum Vorjahr aber nur um einen moderaten Prozentpunkt zugenommen.