Wegen der Zinskrise will die europäische Versicherungsaufsicht Eiopa den Zinssatz, mit dem die Versicherer die langfristigen Verbindlichkeiten gegenüber ihren Kunden berechnen, um einen halben Prozentpunkt senken. Hierdurch entstünden den Unternehmen Milliardenlöcher in den Bilanzen, vor denen die Bundesregierung die Versicherer bewahren will.
Wenn der Zins sinkt, dann muss der Sparer seine Rate erhöhen, will er sein Sparziel doch noch erreichen. Genau so geht es den Versicherern. Nur haben deren Zahlen einige Stellen mehr als der kleine Mann, der jeden Monat Geld für später zurücklegt. Bisher sieht die Eigenkapitalrichtlinie Solvency II vor, dass die Versicherer mit einem langfristigen Zinssatz (Ultimate Forward Rate, UFR) von 4,2 Prozent rechnen, mit dem sie den Vermögenszuwachs ihrer Gelder aufzinsen. Diese Zinsrate nannte der Solvency-Experte Sven Giegold, der für die Grünen im europäischen Parlament sitzt, bereits vor eineinhalb Jahren „völlig realitätsfern“.
„Große Auswirkungen" ist keine Angabe der Milliardenzahl
Giegolds These entsprechend plant die EU-Versicherungsaufsicht Eiopa, den Zinsansatz für langfristige Verbindlichkeiten der Versicherer gegenüber ihren Kunden von 4,2 auf 3,7 Prozent zu senken – und damit der Niedrigzinsrealität der Kapitalmärkten ein Stück näher zu kommen. Die Folge wären höhere Eigenkapitalanforderungen an die Assekuranzindustrie, Milliarden und Milliarden Euro. Der Versichererverband GDV, der die Zahlen eigentlich kennen müsste, spricht in einem Bericht auf seiner Internetseite von „großen Auswirkungen“, die die Zinssenkung auf die Rückstellungen der Unternehmen hätte.
Zugleich berichtet der Verband, Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU) habe an diesem Montag auf einer GDV-Konferenz zur Versicherungsaufsicht gesagt: „Ich halte eine Diskussion über eine Nachjustierung zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht“. Zehn Monate nach Einführung des neuen Solvency-Regelwerks lägen noch keine belastbaren Ergebnisse vor. Das ist Meister nicht abzunehmen, denn das Solvency-II-Verfahren steht seit Jahren. Und spätestens im Frühjahr 2015 waren die Rechenwege durchaus klar, wie aus Kapitalien, Fristen und Zinssätzen die Vermögen und Pflichten der Versicherer in die kommenden 30 Jahre etwa seriös zu projizieren sind.
Offizieller Eiopa-Zwischenbericht zu Solvency II nächstes Jahr
Ferner hat die Eiopa, die den Zinssatz wegen anhaltender Zinsflaute senken will, sicherlich nicht gewürfelt, sondern den zu senkenden Zinsansatz ihrerseits errechnet. Stattdessen habe CDU-Meister die Zinssenkungspläne der Eiopa „befremdlich“ genannt, berichtet der GDV. Allerdings ist „befremdlich“, das darf man nüchtern feststellen, kein mathematischer Wert.
Aktuell sehen die Solvency-Planungen vor, dass die Rechen(an)sätze zu Eigenkapitalrichtlinie erst 2021 einer Revision unterzogen werden. Dennoch solle die Eiopa die Solvency-Auswirkungen regelmäßig kontrollieren, berichtete der GDV und werde hierzu nächstes Jahr einen ersten Zwischenbericht liefern.