Bei Betriebsrenten tut Finanzminister Schäuble immer noch so, als würden die Unternehmen für ihre Kapitalanlagen jedes Jahr sechs Prozent Zins erwirtschaften. Tatsächlich müssen die Unternehmen aber mehr Geld für ihre Betriebsrentner zurückstellen, weil der reale Zins an den Kapitalmärkten am Boden liegt. Diesen Widerspruch bezeichnen Wissenschaftler in einer neuen Studie als verfassungswidrig.
Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Universität Mannheim kommt zu dem Ergebnis, dass der steuerliche Rechnungszins von 6,0 Prozent für Betriebsrenten in dieser weil völlig kapitalmarktfernen Höhe kaum noch zu rechtfertigen ist. Einerseits müssen die Arbeitgeber für ihre Betriebsrenten Kapital aufbauen, andererseits können sie nach dem Gesetz diesen Aufwand steuerlich geltend machen.
Materiell gesehen müssen die Arbeitgeber wegen schrumpfender Zinsen ihre Rückstellungen erhöhen, können aber immer weniger Anteil ihrer Sparleistungen gewinnmindernd beim Finanzamt geltend machen. Auf den Internetseiten des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) berichtet Thomas Hagemann, Chefaktuar des Beratungshauses Mercer, von den Erkenntnissen der ZEW-Studie.
„Der Rechnungszins ist in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen’
Der mit 6,0 Prozent seit einigen Jahren bereits zu hohe Rechnungszins für Pensionsrückstellungen, vor allem bei Direktzusagen gemäß § 6a EStG, verstößt der Studie zufolge dem grundgesetzlichen Gleichheitssatz, schreibt Hagemann. Der zu hohe Zins sei sachlich nicht gerechtfertigt, also willkürlich gewählt und damit möglicherweise verfassungswidrig. In der Tat will Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Rechnungszins aus fiskalischen Gründen nicht senken, kurz gesagt weil der Staat auf die einer Zinssenkung folgenden Steuerausfälle nicht verzichten könnte.
Die Rechenmodelle, mit denen der Staat den Rechnungszins rechtfertigt, seien aus Sicht und Erkenntnis der Studienautoren von ZEW und Uni Mannheim überholt und nur noch dann gerechtfertigt, wenn das Unternehmen als Betriebsrentenzahler eine Eigenkapitalverzinsung von 6,0 Prozent erreiche, also mit dem eigenen Geschäftsbetrieb mehr Zins erwirtschaftet als auf dem Kapitalmarkt zu kriegen. Aktuar Hagemann zitiert aus der Studie; der Rechnungszins nach § 6a EStG sei „in die Verfassungswidrigkeit hineingewachsen“.
Zum Hintergrund: Wenn Unternehmen ihren Belegschaften Betriebsrenten zusagen, dürfen sie für diesen (Spar-)Aufwand Rückstellungen bilden, die bekanntlich den steuerlichen Gewinn senken. Im Jahr 1981 schrieb der Gesetzgeber den hierfür anzusetzenden Rechnungszins mit 6,0 Prozent fest. Ein hoher Zins erfreut den Finanzminister, denn je höher dieser ist, desto geringere Beträge müssen die Unternehmen für ihre Betriebsrenten zurückstellen. Umgekehrt ist es umgekehrt:
Inzwischen rechnen die Arbeitgeber in ihrer Handelsbilanz nur noch mit rund 4,0 Prozent Zins, nachdem sie - der Zinskrise geschuldet - den Prognosezeitraum für die Verzinsung ihrer Kapitalanlagen von 7 auf 10 Jahre strecken durften (der Versicherungsbote berichtete). Dadurch steigt der Zins zwar nicht, aber zumindest „verwässert“ der längere Zeitraum die aktuellen niedrigen Zinsen. Im Effekt steigen die Pensionsrückstellungen. Mit der Steuerrealität hat die Handelsbilanz aber nichts zu tun.