Weil einige gesetzliche Kassen ihre Vertragsärzte aufforderten, ihre Patienten kränker als tatsächlich zu machen, prüft die Alte Leipziger Hallesche nun als Arbeitgeber Schadenersatzklagen gegen diese Kassen. Das Eingeständnis von Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse (TK), dass „manche Kassen die Ärzte um eine ,Optimierung’ der Diagnose bitten“, so schreibt es das „Handelsblatt“ am Mittwoch, könnte demnächst Schadenersatzforderungen zur Folge haben. Von Arbeitgebern nämlich, die auch stellvertretend für ihre Mitarbeiter Klage führen.
"Die Kassen bezahlen zum Beispiel Prämien von zehn Euro je Fall für Ärzte, wenn sie den Patienten auf dem Papier kränker machen", sagte TK-Chef Jens Baas im Oktober der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (der Versicherungsbote berichtete). Dieses so genannte Umcodieren der Krankheiten verschaffte den betreffenden Kassen einen größeren Anteil am noch größeren Kuchen des Gesundheitsfonds. Aus diesem Topf erhalten die Kassen mit den kränkeren Versicherten mehr Geld wegen eines entsprechend vorgesehenen Ausgleichs (Kenner kennen den Morbi-RSA). Durch dieses Vorgehen soll bei einigen Kassen deren Beitragssatz um bis zu 0,3 Prozentpunkte nach oben getrieben worden sein.
Alte Leipziger handelt als Arbeitgeber
Inzwischen hat das Bundesversicherungsamt aufgrund der Umcodierungen manche Kassen zur Kasse gebeten und zu viel gezahlte Krankheitszuschläge wegen zu krank gemachter Versichertenkollektive zurückgefordert. Das Handelsblatt berichtet: „Die AOK Rheinland-Hamburg akzeptierte bereits eine Rückzahlung samt Strafzuschlag über insgesamt sieben Millionen Euro des BVA, weil formal nachträgliche Änderungen nicht erlaubt seien.“
Nun berichtet die Zeitung, die Alte Leipziger Hallesche denke daran, rechtlich gegen Kassen als mutmaßliche Missetäter vorzugehen: „Wir prüfen, ob wir Schadensersatz von diesen Kassen fordern“, wird Walter Botermann, Vorstands-Chef der Alte-Leipziger Hallesche (AL), zitiert. Der Grund zur Klage des Versicherers ist nicht versicherungstechnisch zu verorten. Das Unternehmen prüft Klagen als Arbeitgeber, der wegen falsch verteilter Zuwendungen an die Krankenkassen fürchtet, zu hohe Beiträge entrichtet zu haben (und damit, sofern zutreffend, auch die Mitarbeiter des Versicherers).
„Vier Milliarden Euro durch illegales Handeln zu viel bezahlt“
Die AL dementiert den Vorgang nicht. Gegenüber dem Versicherungsboten erklärte ein Sprecher auf Anfrage nach den Rechtsgründen des Unternehmens: "In diesem Fall hat unser Vorstandsvorsitzender (...) vor allem als Arbeitgeber für knapp 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesprochen. Die Mehrheit davon ist GKV (gesetzlich, Anm. d. Red.) versichert. Wir ziehen also für unsere Arbeitnehmer den GKV-Beitrag vom Gehalt ein und führen diese an die GKV ab. Wenn deren Beiträge zu hoch sind, schädigen wir unsere Mitarbeiter.“
Der Unternehmenssprecher bestätigt auch die Aussagen, die im „Handelsblatt“ wiedergegeben werden. Dort wurde AL-Chef Walter Botermann wie folgt zitiert: „Wir lassen uns jetzt eine Liste vom Bundesversicherungsamt geben, welche Krankenkassen einen Strafbefehl akzeptiert haben, weil sie ihre Kunden durch aktives Handeln kränker beurteilen ließen und damit höhere Zuführungen aus dem Gesundheitsfonds erhielten und immer noch erhalten“. Botermann zeigt sich auch optimistisch: „Die 0,3 Prozentpunkte, um die die betroffenen Kassen die Auszahlungen nach Auskunft der Techniker-Krankenkasse so in die Höhe getrieben haben, klingt zwar nach wenig.“ Es geht um Milliardenbeträge, sagt Botermann. „Die Einnahmen zum Gesundheitsfonds betrugen im vergangenen Jahr 206 Milliarden Euro. Wir reden also über knapp vier Milliarden Euro, die durch illegales Handeln zu viel bezahlt wurden."
Der Chef der Alten Leipziger Hallesche sieht gute Chancen, einen Teil der Gelder zurückzubekommen. „Da einige Kassen einen Strafbefehl bereits akzeptiert haben, sollten wir vor Gericht gute Chancen haben.“