GDV-Präsident Alexander Erdland verlangt, nein er kämpft als Oberlobbyist der Versicherer zu Andrea Nahles’ (SPD) Sozialpartnermodell für ein Wahlrecht der Beschäftigten und ihrer Chefs auf eine Beitragsgarantie. Nur säßen dann die Betriebsrentner der Zukunft vermutlich bald mangels Zinsen im Cash-Lock, weil je nach Alter des Sparers die freie Kapitalanlage und damit die Chance auf Zins schmilzt wie Softeis am Äquator. Bei seiner Kritik an der fehlenden Beitragsgarantie hat der Präsident wohl den in Nahles’ Gesetzentwurf vorgesehenen Sicherheitspuffer vergessen.
Jeder Finanzmathematiker könnte dem kürzlich kurz für ein Jahr wiedergewählten GDV-Präsidenten Erdland vorrechnen, wie teuer Beitragsgarantien sind und deswegen aufgrund der flachen Zinslandschaften in den so genannten Cashlock führen beziehungsweise neben sicheren Anlagen kaum noch Geld für die freie Kapitalanlage übrigbleibt. Weswegen übrigens die Lebensversicherer als Mitglieder und Mitleider (kein Schreibfehler) des GDV immer mehr garantiefreie Produkte entwickeln – oder deren Vertrieb seinen Kunden gleich Fondspolicen ohne Rettungsleine anbieten. Also ebenso vermeintlich unsichere private Renten der Sparer wie jetzt beim Sozialpartnermodell vorgesehen. Wo bleibt da der Aufschrei des GDV?
Das Wunder: Die Politik hat Finanzkompetenz gezeigt
Bisher müssen Chefs ihren Mitarbeitern gegenüber für Beiträge in die Betriebsrente einstehen. Weil dieses Geld arbeitsrechtlich als Arbeitslohn sakrosankt ist und nicht gekürzt werden darf. Auch nicht mittelbar über den zeitlichen und organisatorischen Umweg bei dem Träger einer betrieblichen Rentenzusage. Bisher gilt: Egal, was passiert, die Beiträge der Mitarbeiter bei Betriebsrente sind heilig. Allerdings sind Garantien auf Erhalt eingezahlter Beiträge teuer.
Ohne Garantien und mit „freierer“ Kapitalanlage besteht für den Anleger eine höhere Aussicht auf eine höhere Rendite. Das haben sich offenbar auch Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) und ihr Expertenkreis gedacht und, oh Wunder, als Politikschaffende außerordentliche Finanzkompetenz gezeigt. Und bei dem Sozialpartnermodell förmliche Beitragsgarantien gestrichen.
15 Prozent Arbeitgeberzuschuss vergessen?
Erdland zur Nahlesrente: „Wir werden dafür kämpfen, dass es hier ein Wahlrecht gibt”, sagte er auf einer Veranstaltung seines GDV-Verbands in der vergangenen Woche. Übersehen, Herr Erdland? Die Beiträge der Beschäftigten im Sozialpartnermodell der Ministerin werden laut Gesetzentwurf zum Betriebsrenten-Stärkungsgesetz durch einen Arbeitgeberzuschuss gepäppelt: Dort steht auf Seite 6 im § 23, dass der Arbeitgeber bei einer reinen Beitragszusage auf Beiträge der Arbeitnehmer mindestens 15 Prozent Zuschuss gewähren muss. Rechnen wir einmal für einen Arbeitnehmer, der 30 Jahre lang monatlich 100 Euro Lohn in Betriebsrente umwandelt. Dessen Beiträge summieren sich auf 36.000 Euro. Erforderlicher Zins hierfür: null. Bekäme derselbe Beschäftigte zu seinen 100 Euro Eigenanteil weitere 15 Prozent oder 15 Euro Arbeitgeberzuschuss, dann wären seine Beiträge selbst bei knapp -1,00 (Minus!) Zins am Ende noch erhalten: 36.000 Euro. Und bei Nullzins? 41.400 Euro.
30 Jahre Minuszins?
Erwarten wir, jetzt mal realistisch betrachtet, wirklich über 30 Jahre einen Minuszins? Und wäre eine solche Aussage als Theorem aus dem Munde eines GDV-Chefs zu erwarten? Formulierungsversuch, Visualisierungsversuch - reine Theorie: „Liebe Kunden, wir empfehlen eine Beitragsgarantie, denn wir können nicht ausschließen, dass die Zinsen in den kommenden 30 Jahren im Durchschnitt -1,00 Prozent betragen“. Nein, das könnte ein Verband, der einen Bestand von 90 Millionen Sparverträgen im Mantel der Lebensversicherung bewahren und wachsen lassen will, nicht ernsthaft sagen.
Welche weiteren un/denkbaren Weltuntergangsszenarien noch gegen die garantielose Nahlesrente mit 15-Prozent-Pflichtzuschuss sprechen, das ist überlebensgroßer Fantasie eines bisher unbekannten Mathematikers überlassen. Also sollte Erdland nicht den Teufel an die Wand malen, die Betriebsrenten in der Version Sozialpartnermodell seien schlecht, weil die Beitragsgarantie fehlt. Materiell und aller Wahrscheinlichkeit der Kapitalmärkte nach schaffen die fehlenden Garantien des Nahles-Modells plus der 15-Prozent-Zuschuss auf diese reinen Beitragszusagen den Beschäftigten mehr Betriebsrente und Rendite als null Prozent. Mindestens. Weswegen ein Kampf für Zinsgarantien hier dank des Luxus von 15 Prozent Zuschuss und damit Sicherheitspuffer ein argumentativer Krampf ist.
Ein Eifersuchtsdrama?
Aber der Autor vermutet andere Motive hinter der durchschaubaren, oben durchgerechneten Unlogik Erdlands: Ein Eifersuchtsdrama der alten Betriebsrentenwelt, Futterneid der Versicherer, die womöglich bei der Nahlesrente nicht mehr so zum Zuge kommen wie beim traditionellen Betriebsrenten-Oligopol, das bisher fest in der Hand der Assekuranz ist (abzüglich ein paar Krümel vom Kuchen für die Fonds-Gesellschaften).
Zum Schluss: Selbst ein wenig innovativer Assekuranz-Lobbyist, aber fortschrittlicher als („Lame Duck“, würden die Amerikaner sagen) Erdland in seinem angehängten letzten Dienstjahr als Kopf der Versichererlobby, hätte schlicht und einfach gefordert, auch bei den anderen, den traditionellen Durchführungswegen der Betriebsrente die Beitragsgarantie geeignet zu ersetzen. Ach so, die Versicherer haben da nichts im Werkzeugkasten? Oder doch? Abwarten. Jedenfalls kann Frau Nahles nichts dafür, dass ihre Idee gut ist. Dies ist eine mathematische, keine politische Aussage. Kein Wahlkampf, sondern Vernunft. Bei Zweifeln wenden Sie sich bitte an einen Aktuar Ihres Vertrauens.