Themen wie Digitalisierung und Big Data haben die Versicherungsbranche erreicht. Wenn auch später als in anderen Branchen, so sehen immer mehr Versicherer Big Data – nichts anderes als große Mengen ungeordneter Datensätze – als Chance für zukünftige Prozesse und Optimierung.
Ein Gastbeitrag von Dr. Klaus Mattar, Leiter RGA International Reinsurance dac Niederlassung für Deutschland
Von der Sach- in die Lebensversicherung
Schnell ist in diesem Zusammenhang von Telematik die Rede, denn Sachversicherer tasten sich seit geraumer Zeit an das Thema heran und bringen immer mehr, bislang noch abgespeckte, Telematik-Tarife auf den Markt. Doch auch die Lebensversicherung steht in den Startlöchern. Mit Wearables, Health Apps und ähnlichen Anwendungen versuchen Lebens- und Rückversicherer gemeinsam erste Methoden zu konzipieren, um persönliche Daten zu erfassen, auf deren Basis sie Risiken genauer berechnen und die Tarifierungen anpassen könnten. Neben den Daten aus medizinischen und gesundheitlichen Faktoren gibt es auch noch andere Quellen, die von Versicherern genutzt werden könnten. In einigen Ländern ist dies schon heute kein Neuland mehr:
- England: „Postcode Underwriting“: Hierbei werden soziodemografische Daten, wie die Postleitzahl genutzt, um Personen in gewisse Risikogruppen einzuordnen. Die Postleitzahl gibt Auskunft über die soziale Klasse, die sich wiederum auf die Lebenserwartung auswirkt – natürlich nicht ausschließlich, sondern in Kombination mit anderen Faktoren wie z. B. dem generellen Lifestyle.
- USA: Verkehrssünderdatei (Motor Vehicle Report): Unfallhistorien, Verkehrsverstöße, eine Einsicht in das Punktekonto oder auch Telematik-Daten sind hierbei Basis für die Risikoberechnung auch in der Lebensversicherung.
Optimismus bremsen
Vielfältige Möglichkeiten der Datennutzung scheinen also denkbar, dennoch müssen Theorie und Praxis differenziert werden. So gilt zum Beispiel für die Nutzung von Daten aus Krankenakten oder für die Auswertung von Social Media-Profilen: Gesetzliche Regulierungen wie die EU-Datenschutz-Grundverordnung oder das allgemeine Gleichhandlungsgesetz in Deutschland dienen als Schutz vor der unberechtigten Verarbeitung von oder Benachteiligungen durch personenbezogene Daten. Zudem wecken die Assoziationen zu Big Data eventuell zu optimistische Erwartungen. Länderspezifika ebenso wie kulturelle Unterschiede sollten in der gesamten Diskussion nicht außer Acht gelassen werden. In engem Zusammenhang damit stehen auch Risiken, wie beispielsweise die Verwendung von verlorengegangenen oder illegal beschafften Daten. Letztlich sollte die Nutzung immer allen beteiligten Parteien einen Vorteil bringen, nicht nur dem Versicherer.
Analysen professionalisieren
Bei der Ermittlung und Analyse der ungeordneten Datenmengen kommen Rückversicherer als Partner ins Spiel. Diese profitieren von langjähriger Erfahrung in der Datenanalyse und den international besseren Aggregations-Möglichkeiten der verschiedenen zur Verfügung stehenden Daten. Einige Rückversicherer verfügen als weltweit tätige Unternehmen über ein immenses Wissen in der Analyse und Modellierung dieser Daten und der daraus resultierenden Verknüpfung z. B. mit Sterbewahrscheinlichkeiten. Mit diesen Informationen helfen Rückversicherer ihren Zedenten vor allem bei der Produktentwicklung, bei der Marktsegmentierung und bei der Risikoprüfung und -selektion. RGA entwickelt derzeit gemeinsam mit seinen Zedenten neue Ansätze für Personenversicherungen.