Wegen des im Entwurf vorgelegten IDD-Gesetzes fürchtet der Deutsche Industrie- und Handeskammertag (DIHK), dass grenznah niedergelassene Vermittler ihre Policen demnächst aus dem Ausland heraus verkaufen könnten. Konträr zu dem Gesetzentwurf verlangt der DIHK, das Vergütungsmodell für Versicherungen solle generell dem Markt überlassen bleiben. Dabei unterschlägt der Verband, dass die Regulierer in Europa das Verhältnis der Versicherer gegenüber den Verbrauchern als Marktversagen ansehen.
... --- ... Drei kurz – drei lang – drei kurz. Im Morsealphabet steht das für S.O.S. Save our soules. Rettet unsere Leben. Die Hauptbotschaft im Markt der Meinungen zur Vertriebsrichtlinie für Versicherungen (IDD) des DIHK ist, die deutschen Versicherungsmakler könnten infolge der IDD-Umsetzung in Nachbarländer abwandern, etwa weil die Rechtslage in Österreich als maklerfreundlicher eingeschätzt wird. Dort firmieren Makler außerdem als honorarberechtigte „Berater in Versicherungs-Angelegenheiten“.
„Lager der Verbraucher“
Schauen wir nach Deutschland und die Deutungen des DIHK zum geplanten IDD-Gesetz. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf für ein Gesetz zur IDD-Richtlinie beschränke den Versicherungsmakler als Sachwalter des Kunden. Das sagt der DIHK in seiner Kritik an dem geplanten Gesetzentwurf, bei dem das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) die Feder führt. Wie auch die Spezial-Lobbygruppen der Vermittler sieht der DIHK die Versicherungsmakler weiter als „im Lager der Verbraucher“ angesiedelt. Dazu Nachrichten aus der europäischen Provinz.
„Treating customers fairly“. Verbraucher fair behandeln. Das sagt nicht nur die britische Finanzaufsicht FCA zu den Geld- und Policenverkäufern samt Produzenten. Die FCA machte diese Aussage schon Jahre vor Ausbruch der Finanzkrise zum gleichnamigen Programm und damit zu Vorbild in Europa. England war hier Vorbild - Brexit hin oder her. inzwischen ist der faire Umgangmit dem Verbraucher zu einem EU-Standard geworden. Er gilt inzwischen für so genannte Finanzinstrumente (Fonds etc.) und wurde mit der Mifid-II-Richlinie in einen Vorgaberahmen gekleidet, mit dem sich die Gesetzgeber in den EU-Staaten inzwischen redlich abmühen.
Nur noch Honorarberater gelten als unabhängig
Die Liste ist unvollstänig: Die britische Finanzaufsicht FCA, deutsche Verbraucherschützer samt ihrer Lobby im Bundes(justiz und)verbraucherministerium, die politische EU-Mehrheit generell sieht die Zustände im Finanzvertrieb in der EU als langjähriges Marktversagen. Weswegen es seit Jahren Richtlinien hagelt, die den Finanzmarkt immer weiter regulieren. Und neben der Mifid II sieht die IDD-Richtlinie konkret den Versicherungsmakler nicht mehr „im Lager des Kunden“, sondern definiert „unabhängig“ inzwischen anhand der Vergütungsform des Vermittler. Als unabhängig gilt nur noch, wer, sei es als Finanz- oder Versicherungsvermittler, seine Vergütung aus dem Geldbeutel des Kunden bekommt.
Der DIHK fordert, es solle generell dem Markt überlassen bleiben, für welche Art Entgeltform sich der Verbraucher entscheide. Dies unterstellt, dass der Markt funktioniert. Genau vom Gegenteil geht die EU aus (Marktversagen), aktuell am Beispiel der Formulierungen nach der Mifid II im Text der IDD-Richtlinie, die der Bund samt Gesetzgeber Bundestag nun in ein der EU-Vorgabe treues Gesetz gießen muss. Dabei hat der deutsche Gesetzgeber kaum Spielräume. Zur Erinnerung: Nur noch Honorarberater gelten als unabhängig, so lautet die EU-Vorgabe.
Das Sachwalterurteil ist total Achtziger
Auch der DIHK bemüht als Argument pro Makler das so genannte Sachwalterurteil aus dem Jahr 1985, dessen Kriterien aber spätestens seit der Mifid II und neuerdings der IDD überholt sind. Das Sachwalterurteil entspricht inzwischen der Zeit, aus der es kommt. Es ist total Achtziger. Weil die zwar zutreffend vom Versicherer freie Situation des Versicherungsmakers als Kriterium für Unabhängigkeit durch die Vergütungsform Honorar abgelöst wurde. Hier gibt es Argumente pro Makler, weil frei von Auflagen seiner Produktpartner, aber die IDD ist in Stein gemeißelt, wenigstens den Zusammenhang von Honorar und Unabhängigkeit und Vermittler betrifft.
Weiter bemängelt der DIHK, dass Versicherungsmakler, würde der IDD-Gesetzentwurf im derzeitigen Zustand rechtskräftig, künftig keine Nettopolicen ohne eingerechnete Vertriebskosten, dafür gegen Honorar, vermitteln könnten. Dies führe zu ungleichen Bedingungen im Vergleich zum (neu Honorar-)Versicherungsberater. Letzterer soll demnächst gegen Honorar auch Bruttopolicen vermitteln dürfen (mit eingebauter Umleitung von eingerechneten Provisionen auf das Beitragskonto des Kunden bei dem Versicherer). Ungleich sei auch, dass der Honorar-Versicherungsberater keiner fünfjährigen Stornohaftung für die verrechnete Provision des Kunden unterliegen soll, der Makler aber wohl.
Makler und Versicherungsberater ungleich behandelt
Das Honorar-Annahmeverbot des Maklers gehe auch über Offenlegungspflichten zur Vergütung des Vermittlers hinaus. Hier irrt der DIHK, denn offengelegte Vergütungen erfüllen lediglich die von der EU geforderte Transparenz. Das Primat für Unabhängigkeit bleibt, da ist die IDD-Richtlinie klar, die Vergütung. Nur Honorarberater sind „die Guten“.
Wenn aber der Honorarberater die gewünschte Vertriebs- und Bezahlform des Vermittlers ist, dann beanstandet der DIHK zu recht, dass das IDD-Gesetz in der vorgesehenen Form keine Transformationsregeln mitliefert, nach denen der Makler sein Geschäftsmodell umbauen könnte, falls er etwa Honorar-Versicherungsberater werden wollte.
Ein S.O.S.-Ruf, wonach grenznah angesiedelte Makler ... etwas weiter gedacht ... etwa von Bayern in Massen nach Österreich abwandern, vermag sachlich eingeschätzt nicht zu beunruhigen = Panikmache! Zum Trost: Das Orchester der „Titanic“ ging 1912 mit dem Schiff unter. Überliefert – oder Legende – sind die letzten Worte des Dirigenten: „Meine Herren, es war mir eine Ehre mit ihnen gespielt zu haben“. PS. Damals gab es noch kein S.O.S. – es war noch nicht erfunden.