Gesetzliche Pflegeversicherung - ab 2017 gibt es Pflegegrade statt Pflegestufen

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Wichtige Änderungen in der gesetzlichen Pflegeversicherung: ab Januar werden die bisherigen Pflegestufen in Pflegegrade übersetzt. Speziell Menschen mit geistiger Behinderung wie Demenz werden dann deutlich bessergestellt. Aber es gibt auch Verlierer der Pflegereform: wer nur körperliche Beeinträchtigungen hat, hat bei Neubegutachtung zukünftig nur Aussicht auf einen niedrigeren Pflegegrad. Patienten, die bereits eine Pflegestufe haben, müssen keine Schlechterstellung befürchten, denn sie profitieren von Bestandsschutz-Regelungen.

Zum 1. Januar 2017 tritt die zweite Stufe des 2. Pflegestärkungsgesetzes in Kraft. Für Versicherte und Patienten bedeutet das wichtige Änderungen, auf die sie sich im kommenden Jahr einstellen müssen. Der Beitragssatz der Sozialen Pflegeversicherung steigt um 0,2 Prozentpunkte auf 2,55 bzw. 2,8 Prozent für Kinderlose. Was neu ist, zeigt der Überblick des Versicherungsboten.

Wie werden Pflegestufen in Pflegegrade übersetzt?

Die bisherigen drei Pflegestufen werden ab Januar 2017 zu fünf Pflegegraden ausgebaut, um differenzierter die Ansprüche eines auf fremde Hilfe angewiesenen Patienten erfassen zu können. Geringe, erhebliche und schwere Beeinträchtigungen werden in die Pflegegrade 1 bis 3 eingestuft. Pflegegrad 4 bedeutet, dass der Pflegebedürftige „schwerste Beeinträchtigungen“ hat. Die höchste Pflegestufe 5 bedeutet „besondere Anforderungen an die pflegerische Versorgung“, etwa die Notwendigkeit einer lückenlosen Betreuung. Entsprechend ist auch gestaffelt, auf welche Geld- und Sachleistungen ein Patient Anspruch hat.

Mit der Neuordnung steigt zugleich das maximale Pflegegeld: in der ambulanten Pflege von monatlich 728 Euro (Pflegestufe 3) auf dann 901 Euro (Pflegegrad 5); bei vollstationärer Versorgung von 1.995 Euro (für Härtefälle in der Pflegestufe 3) auf 2.005 Euro (Pflegegrad 5). Zahlreiche weitere Verbesserungen sind geplant, etwa bei der ambulanten Betreuung von Angehörigen.

Was ändert sich bei der Begutachtung der Pflegebedürftigkeit?

Bisher war für den Erhalt einer Pflegestufe ausschlaggebend, wie viele Minuten die Betreuung eines Pflegebedürftigen in Anspruch nimmt. Antragsteller mussten auf die Minute genau nachweisen, wie lange sie etwa Unterstützung beim Zähneputzen oder beim Waschen des Patienten leisten mussten. Je mehr Zeit die Pflege verschlang, desto höher die Pflegestufe. Doch speziell geistige Beeinträchtigungen werden bei der „Begutachtung nach Minute“ nur unzureichend erfasst. Selbst Menschen mit Demenz, die rund um die Uhr betreut werden mussten, drohten leer auszugehen.

Ab Januar 2017 wird hingegen gemessen, in welchem Umfang der Patient noch in der Lage ist sich selbständig zu versorgen. Hierfür werden sechs Bereiche für die Begutachtung eingeführt, die eine genauere und detailliere Gesamtschau ermöglichen sollen. Nicht nur körperliche Gebrechen, "nein, die gesamte Lebenssituation eines Menschen, seine geistige, seine psychischen Situationen, all dies wird zukünftig berücksichtigt", verspricht Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).

  • 1.) Wie mobil ist der Patient? Kann er etwa noch Treppen steigen und eigenständig das Haus verlassen?
  • 2.) Welche kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten hat der Patient? Kann er sich zum Beispiel selbständig im Alltag orientieren und Entscheidungen treffen?
  • 3.) Wie ist die psychische Verfasstheit des Patienten? Hat er vielleicht schwere Depressionen und Angstzustände?
  • 4.) Kann sich der Patient selbst versorgen? Also zum Beispiel sich waschen, eigenständig auf Toilette gehen etc.?
  • 5.) Wie kann der Patient den Umgang mit seiner Krankheit bewältigen – kann er z.B. selbständig Tabletten nehmen?
  • 6.) Kann der Patient seinen Alltag selbständig gestalten und soziale Kontakte pflegen?

Was müssen nun Menschen tun, die bereits eine Pflegestufe haben?

Die gute Nachricht: Patienten, die bereits eine Pflegestufe zugesprochen bekamen, müssen nicht tätig werden und auch keinen neuen Antrag stellen. Zudem profitieren Versicherte mit einer Pflegestufe von großzügigen Umgradungs-Regelungen: sie rutschen automatisch mindestens in den nächsthöheren Pflegegrad und müssen keine Schlechterstellung fürchten. Mit den Neuregelungen können sie auf hunderte Euro mehr im Monat hoffen.

Sandy Müller vom Pflegedienst der Volkssolidarität Halle-Saalekreis erklärt gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR): "Wenn jemand die Pflegestufe 1 hat, rutscht er automatisch in den Pflegegrad 2. Hat ein Patient momentan die Pflegestufe 1 und dazu eine Demenz, dann rutscht er zwei Grade höher und hat ab dem nächstem Jahr Pflegegrad 3."

Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen wie Demenz sind die Gewinner der Pflegereform: hatten sie früher kaum Chancen überhaupt eine Pflegestufe zu erreichen, so erhalten sie nach der Reform auf einen besonders hohen Pflegegrad zugesprochen, wenn zugleich körperliche Beeinträchtigungen vorliegen.

Gibt es Verlierer der Pflegereform?

Dass es auch Verlierer bei der Pflegereform geben wird, darauf macht das ZDF-Magazin PlusMinus aufmerksam. Denn im neuen System werden es Menschen mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen schwer haben, einen hohen Pflegegrad zu erreichen.

Beispiel ist ein Schlaganfalls-Patient, der im Rollstuhl sitzt und auf fremde Hilfe beim Toilettengang angewiesen ist: dieser würde heute in Pflegestufe 2 eingestuft. Wird seine Pflegebedürftigkeit hingegen im neuen Jahr festgestellt, muss er befürchten, nur den Pflegegrad 2 zu erhalten. „Das wäre eine deutliche Schlechterstellung der finanziellen Situation und der Leistungsgestaltung“, erklärt Pflegesachverständige Jutta König gegenüber dem ZDF.

In Zahlen: das Pflegegeld in Pflegestufe 2 beträgt heute 458 Euro. In Grad 2 hätte derselbe Patient ab Januar nur noch Anspruch auf 316 Euro: rund 30 Prozent weniger. Auch bei den Pflegesachleistungen ein deutliches Minus: in Pflegestufe 2 würde der Patient 1.144 Euro Sachleistungen erhalten. In Pflegegrad 2 sind es lediglich 689 Euro: circa 40 Prozent weniger.

Auch stationäre Heimbetreuung mit niedrigem Pflegegrad verteuert sich

Auch Menschen, die sich in einem Pflege- oder Altersheim betreuen lassen, sind von Veränderungen betroffen. Hier galt bisher: Je höher die Pflegestufe, desto höher der Eigenanteil für die Heimkosten. Ab kommenden Jahr zahlen alle den gleichen Eigenanteil von rund 580 Euro im Monat.

Die Bundesregierung stellt den einheitlichen Eigenanteil für die Heimbetreuung als Schritt zu mehr Transparenz und sozialer Gerechtigkeit dar. "Die Pflegereform nützt allen", so Bundesgesundheitsminister Gröhe. Damit verteuert sich aber die Heimbetreuung für Menschen, die eine niedrige Pflegestufe haben, aber dennoch auf einen Heimplatz angewiesen sind. Sie zahlen zukünftig rund 200 Euro mehr im Monat.

Pflegebedürftige, die bereits in einem Pflegeheim untergebracht sind, müssen jedoch keine Teuerungen fürchten. Hier gelten erneut die großzügigen Bestandsschutz-Regelungen: Kein Pflegebedürftiger, der bereits im System ist, soll schlechter gestellt werden.