Die Zahl der Menschen, die auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angewiesen sind, ging 2016 erstmals seit langer Zeit leicht zurück. Dennoch waren zum Jahresende nach wie vor mehr als eine Millionen Menschen auf entsprechende Unterstützung angewiesen. Eine Ursache für den Rückgang waren auch höhere Wohngeldzahlungen. Die Sozialverbände sehen keine Trendwende und rechnen auch zukünftig mit steigender Altersarmut.
Mehr als eine Million Menschen haben im vergangenen Jahr Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhalten. Dies berichtet das Statistische Bundesamt am Mittwoch in einer Pressemeldung. Demnach bezogen im Dezember 2016 rund 1.026.000 Personen entsprechende Sozialleistungen.
Leichter Rückgang
Die gute Nachricht: Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Grundsicherungs-Empfänger leicht gesunken, so dass 1,2 % weniger Leistungsberechtigte gezählt wurden als noch im Dezember 2015. Ein Grund hierfür ist laut Statistik-Behörde die Rentenanpassung zum 1. Juli 2016, die zu steigenden Einkommen von Rentnern geführt hat.
In den Jahren zuvor explodierte die Zahl der Hilfsbedürftigen nahezu. So erhielten zum Jahresende 2015 beinahe doppelt so viele Menschen Grundsicherung als noch 2005, als rund 630.000 Personen auf entsprechende Stütze angewiesen waren. Seit Einführung der Grundsicherung im Jahr 2003 war die Zahl der Leistungsempfänger von zunächst rund 440.000 Menschen stets kontinuierlich gestiegen.
Ulrike Mascher, Präsidentin den Sozialverbands VdK Deutschland, sieht die Zahlen trotz des leichten Aufwärtstrends kritisch. Die Gefahr der Altersarmut in Deutschland sei nicht gebannt, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Die Zahlen, die das Statistische Bundesamt vorgelegt hat, sind weiterhin beunruhigend, eine Trendwende zeigen sie nicht.“
Zurückzuführen ist der Rückgang der Bedürftigen laut Statistikbehörde auch auf eine Wohngeldreform, die zum 1. Januar 2016 in Kraft trat. Die Wohngeldleistungen sind seitdem um etwa 39 Prozent angehoben worden und die Höchstgrenzen für Zuschüsse wurden ebenfalls raufgesetzt, so dass nun deutlich mehr Menschen Anrecht haben. Bisherige Bezieher von Grundsicherung seien deshalb herausgerutscht und erhalten stattdessen Wohngeld, das unter Umständen höher ist und vorrangig zu behandeln, berichtet das Statistische Bundesamt. Genaue Zahlen nennt die Behörde hierfür nicht.
Debatte um Altersarmut - Versteckte Armut nicht thematisiert
Obwohl mehr als eine Million Menschen auf Grundsicherung angewiesen sind, warnt Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung (DRV) vor Panikmache in Sachen Altersarmut. „Ich warne aber vor Übertreibungen, derzeit können 97 Prozent der älteren Menschen ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen finanzieren, rund drei Prozent sind auf die Grundsicherung angewiesen“, sagte sie vor wenigen Tagen den Dresdner Neueste Nachrichten (DNN).
Auch im aktuellen Armuts- und Reichstumsbericht der Bundesregierung, den heute Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) in Berlin vor Pressevertretern vorgestellt hat, wird eine niedrige Armutsgefährdung von Senioren behauptet. Demnach lasse sich feststellen, dass „nur“ drei Prozent der Generation Ü65 auf Grundsicherung angewiesen seien. Im Dokument findet sich wortwörtlich die Formulierung: "Die Altersgruppe der über 65-Jährigen ist durchschnittlich etwas seltener armutsgefährdet als die Gesamtbevölkerung. Vielmehr stellt sich die materielle Versorgung der heute Über-65-Jährigen sogar insgesamt sehr günstig dar."
Um die Behauptung einer geringeren Armutsgefährdung für Senioren war eine Auseinandersetzung im Kabinett von Nahles entbrannt. Ihr Beraterkreis hatte laut einem Spiegel-Bericht darauf hingewiesen, dass „die Dunkelziffer“ der Bedürftigen höher liege und es sich bei Altersarmut oft um „verdeckte Armut“ handle: Viele Senioren scheuten aus Scham den Gang zum Sozialamt oder wüssten schlichtweg nicht, welche Sozialleistungen ihnen zustünden. Die verdeckte Armut werde im Armutsbericht nicht thematisiert, kritisiert der Beraterkreis. Dies geht laut „Spiegel“ aus einem Protokoll des Bundessozialministeriums zu einem Symposium mit Sozialexperten und Verbänden hervor (der Versicherungsbote berichtete).