Welche Produkte können Vermittler dem Kunden überhaupt noch ruhigen Gewissens anbieten? Diese Frage wird angesichts der Niedrigzins-Politik der Europäischen Zentralbank immer schwerer zu beantworten. Für Versicherer wird der Druck ob der gut verzinsten Altverträge immer höher. Einige Anbieter haben sich bereits dazu hinreißen lassen, ihren Kunden eine Kündigung der Verträge ans Herz zu legen. Woraufhin der Verbraucherschutz Sturm lief.
Der Markt probiert sich daher in alternativen Konzepten - ohne oder mit eingeschränkten Garantien. Weitere beliebte Optionen sind fondsgebundene Lebensoder Rentenversicherungen. Diese Produkte hatten 2015 einen Anteil von 16,2 Prozent am Neugeschäft der Lebensversicherer. In der Summe wurden immerhin 827.400 Verträge neu abgeschlossen. Das geht aus dem Statistischen Jahrbuch 2016 des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hervor.
Wie kompetent sind Versicherungsvermittler in Sachen Kapitalanlagen?
Bei fondsgebundenen Policen ist der gesamte oder ein wesentlicher Teil des Leistungsanspruchs, wie bei Kapitalanlagen, direkt an die Wertentwicklung von bestimmten vertraglich vereinbarten Fondsanteilen gebunden. Allerdings gelten bei Beratungsfehlern nicht die strengeren Kapitalanlagegrundsätze.
Wird bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung vom Kunden ein Beratungsfehler geltend gemacht, stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen für den behaupteten Schadensersatzanspruch maßgeblich sind. Denn die Haftung für Beratungsfehler beurteilt sich bei Versicherungen anders als bei Kapitalanlagen. Während für die Vermittlung einer Kapitalanlage die Sachkunde hierfür nachgewiesen werden muss beziehungsweise der Status des „Alten Hasen“ herangezogen wird - die Vermittler also stets eine Erlaubnis nach § 34 f GewO benötigen, so fehlt diese Grundlage für die Vermittlung von Fondspolicen in Gänze. Erst kürzlich preschte der Verbund Deutscher Honorarberater (VDH) mit einer angriffslustigen Formulierung hervor. „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ hieß es in einer Pressemitteilung. Im Visier des Honorarberater-Lobbyverbands stehen Versicherungsvermittler, die keine Sachkunde in der Anlagenberatung vorweisen können aber trotzdem zu Fonds-Policen beraten. Den Vermittlern mangle es schlicht an der nötigen Sachkunde für die Beratung zu Investmentprodukten.
Der Verband verweist zudem auf die strengen Ansprüche an eine Anlageberatung. Der Vermittler muss vorab ein detailliertes Kundenprofil zur Risikobereitschaft des Kunden erstellen. Zu berücksichtigen sind hierbei Erfahrungen, Kenntnisse sowie die finanziellen Verhältnisse des Verbrauchers. Hier werde mit zweierlei Maß gemessen, denn die Dokumentationspflichten zu Fondspolicen seien „leider nicht annähernd so streng und ausführlich wie im Investmentsektor“, kritisiert VDH-Chef Dieter Rauch. Abhilfe könnte hier zum Beispiel eine gesetzliche Pflicht schaffen, dass die Vermittler von Fondspolicen sowohl ihre Sachkunde in Versicherungsfragen als auch in Sachen Kapitalanlage nachweisen müssen.
Mit Blick auf Versicherungsmakler weist die IHK jedoch keine gesonderte Statistik aus, welcher Vermittler sowohl eine Sachkunde nach § 34d als auch § 34f GewO erworben hat. Aber es lässt sich ein Trend hin zu mehr Finanzanlage-Sachkunde erkennen. Die Zahl der Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis nach § 34f Gewerbeordnung (GewO) ist im Januar 2017 auf 37.229 gestiegen. Das bedeutet ein Plus von gut zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Welches Produkt ist das Bessere?
Dennoch bleibt die große Frage: Welches Produkt ist das Bessere für die Altersvorsorge - Fondspolice oder ein Sparplan in einen Investmentfonds? Dazu klammern wir das Thema Todesfallschutz aus und schauen uns die Entwicklung von bestehenden Fondspolicen im Vergleich zur Anlage in einen Fonds-Sparplan mit den gleichen Zielfonds an. Zur Berechnung haben wir ein Tool der EDISOFT GmbH genutzt, das über ein Fondsuniversum der FVBS-Datenbank verfügt. So konnte die Anlage inklusive identischer Laufzeiten, Beiträge, Dynamiken und Kosten nachgebildet werden.
Insgesamt zeichneten sich ähnliche Ergebnisse, bei den untersuchten Policen, ab. Daher sollen stellvertretend zwei Beispiele für die Tendenz der Resultate stehen. Zum einen wurde eine Fondspolice der Württembergischen herangezogen. Seit 2004 wurden 12 Jahre lang monatlich 25 Euro angespart. In Summe wurden also 3.600 Euro in den Vertrag eingezahlt. Allerdings lag der Rückkaufswert zum 30.11.2016 lediglich bei 2.029,10 Euro. Das sind 1.570,90 Euro Verlust oder eine Rendite von -10,22 Prozent pro Jahr für den Betrachtungszeitraum.
Dabei hatte der, in der Police gewählte Fonds, der W&W Quality Select Aktien Welt, gar keine negative Entwicklung. Im gleichen Zeitraum und nach Kosten hat der Fonds ein Ergebnis von 5.565 Euro erreicht. Damit hätte der Vertragsnehmer eine Rendite von 6,99 Prozent pro Jahr erzielt und damit keinen Verlust, sondern einen Gewinn von 1.965 Euro eingefahren. Im Vergleich zur Fondspolice steht damit eine Differenz von stolzen 3.535,90 Euro zu Gunsten des Fonds-Sparplans.
Im zweiten Test wurde eine HDI Fondspolice betrachtet. Seit Vertragsbeginn 2004 wurden insgesamt 4.787,92 Euro eingezahlt (25 Euro/mtl. und 4 Prozent Dynamik). Im Januar betrug das Fondsguthaben in der Police 3.621,44 Euro. Das entspricht einem Verlust von 1.166,48 Euro beziehungsweise einer Rendite von -5,04 Prozent pro Jahr. Auch hier hatte der Zielfonds, der Inovesta Classic OP, eine positive Entwicklung im Betrachtungszeitraum. Immerhin schaffte der Fonds eine Wertentwicklung von 3,62 Prozent pro Jahr. In absoluten Zahlen entspricht das einem Guthaben von 5.937 Euro und damit einem Zuwachs, im Vergleich zum eingezahlten Betrag, von 1.149,08 Euro. Die Differenz zum Fondsguthaben, in der Police, beträgt sogar 2.315,56 Euro.
Wie diese Unterschiede zwischen den beiden Modellen entstehen, ist nicht schwer zu erraten. Abschluss- und Verwaltungskosten minimieren das Guthaben der Policen gerade in den ersten Vertragsjahren enorm. Leider sorgen auch die fortlaufenden jährlichen Kosten einer Fondspolice dafür, dass der Nachteil zu einem reinen Fondssparplan in einem Investmentdepot eher noch größer wird.
Viele Vermittler unterschätzen den Zinseszins-Effekt
Die Vorbehalte gegenüber Aktien und Investmentfonds als Sparform oder gar für die Altersvorsorge sind weiterhin tief verwurzelt. Lediglich 18 Prozent der Bundesbürger investieren in Aktien und Fonds. Das zeigt eine Studie der Postbank. Dabei empfehlen inzwischen sogar Verbraucherschützer die Nutzung von Investmentfonds zur Altersvorsorge. „Rendite über rund 1,5 Prozent lässt sich derzeit nur noch mit Anlageprodukten erzielen, die Wertschwankungen unterliegen“, weiß Volker Schmidtke, Finanzreferent bei der Verbraucherzentrale Berlin. So liege das Risiko eines Verlustes bei einem über Jahrzehnte laufenden Aktienfonds- Sparplan de facto bei null.
Viele Anleger und auch Vermittler unterschätzen in diesem Zusammenhang die langfristige Rolle des Zinseszins. Er ist gerade im Niedrigzins-Umfeld das stärkste Argument gegen dauerhafte Zinsanlagen und für eine Anlage in Fonds.
Beispielhaft seien hier die Anlagezeiträume 20 und 40 Jahre gegenübergestellt. Während bei einer Anlage über 20 Jahre eine Endsumme von 37.083,05 Euro steht, werden bei einer Anlage über 40 Jahre immerhin 143.031,86 Euro erwirtschaftet. Als Basis wurde ein monatlicher Fondssparplan mit 100 Euro, einem Ausgabeaufschlag von 5 Prozent, einem Depotentgelt von 25 Euro pro Jahr und einem kalkulierten Kursgewinn von sechs Prozent angenommen. Bereits abgezogen wurden zudem die Abgeltungssteuer und der Soli-Beitrag.
Selbst wenn nun der ein oder andere Vermittler schreien möge, dass die Anlage in einer Fondspolice steuerlich günstiger sei. Schließlich waren die Kapitalerträge von Fondspolicen bis Ende 2004 komplett steuerfrei - wenn die Verträge mindestens fünf Jahre Beiträge bespart wurden und der Vertrag mindestens zwölf Jahre lief.
Seit der Einführung des Alterseinkünftegesetzes 2005 gilt für Lebensversicherungen, dass deren Kapitalertrag zur Hälfte besteuert wird. Dafür muss der Vertrag ebenso mindestens 12 Jahre bestand haben. Zudem darf die Police nicht vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten ausgezahlt werden. Seit 2012 liegt die Grenze bei 62 Jahren.
Doch der steuerliche Vorteil der Fondspolice als Altersvorsorge ist nur die halbe Wahrheit, wenn eben nur an die finalen Erträge und nicht an die zusätzlichen Absicherungsmöglichkeiten über einen Versicherungsmantel gedacht wird. Dann kann eine Fondspolice, ob der Kostenstruktur insbesondere in den Anfangsjahren, eben nicht den gleichen Ertrag, wie der vergleichbare Fonds, erwirtschaften.
Wie viel Vermittler mit Fonds verdienen können? Diese Frage möchte ich Martin Eberhard beantworten lassen. Der Versicherungsmakler hatte diese Frage in einem exklusiven Interview mit Versicherungsbote wie folgt beantwortet: „So viel man möchte! Die Rechnung ist ganz einfach – Pro Million Bestand reden wir über 10.000 Euro im Jahr, das sind 800 Euro im Monat. Fragen Sie mal einen Handwerker, wie lange dieser für 800 Euro Gehaltserhöhung schuften muss und überlegen Sie sich doch mal, wie einfach es ein Finanzdienstleister hat.
Wir reden bei einem Million Bestand über ca. 30 Kunden. Das ist im Schnitt ein Depot alle zwei Wochen. Ich frage mich oft, was die Kollegen mit Ihrer Zeit so machen, die ständig jammern es geht nichts am Markt!“