Die Gesundheitskarte der Krankenkassen sorgt für neuen Ärger. Spätestens zum 1. Juli 2018 sollen alle Ärzte und Apotheken ein Lesegerät angeschafft haben, das die neuen Karten auslesen kann. Aber die Hersteller der Lesegeräte hat Lieferschwierigkeiten. Brisant: Wer in einem Jahr nicht über die entsprechende Technik verfügt, müsste eigentlich bestraft werden.
Seit dem 1. Januar 2015 ist es für Kassenpatienten Pflicht, die elektronische Gesundheitskarte eGK zu nutzen. Wer ohne diese Gesundheitskarte zum Arzt geht, muss damit rechnen, dass ihm der Arzt eine Privatrechnung ausstellt. Doch was als Erfolgsgeschichte im deutschen Gesundheitssystem gedacht war, entpuppte sich als Pleiten-, Pech- und Pannenshow, die nun eine Fortführung erfahren könnte. Musste die Einführung der Karte ohnehin bereits um 13 Jahre verschoben werden, gibt es nun neue technische Schwierigkeiten.
Wie die Süddeutsche Zeitung am Mittwoch berichtet, sind längst noch nicht alle Arztpraxen und Apotheken mit den notwendigen Lesegeräten ausgestattet, um die eGK auslesen zu können. Und das wird auch so bleiben, denn die Industrie ist nicht in der Lage die entsprechenden Geräte zu liefern. Laut dem Münchener Blatt haben die Spitzenverbände der Ärzte, Krankenkassen, Kliniken und Apotheker in einem Beschluss festgestellt, dass die verbleibende Frist von einem Jahr „nicht ausreichen wird“, um alle Praxen mit einem Kartenleser zu versorgen.
Brisant: Laut Gesetz muss spätestens zum 1. Juli 2018 jede Arztpraxis entsprechend ausgestattet sein. Wer kein Kartengerät hat, erhält dann eine geringere Vergütung als Strafe. Das Bundesgesundheitsministerium von Hermann Gröhe (CDU) wolle nun „sorgfältig prüfen“, ob der Termin verschoben werden muss, zitiert die Süddeutsche einen Ministeriumssprecher.
T-Systems erhält für Lesegeräte keine Zulassung
Hinter den Lieferschwierigkeiten steckt die Gematik mbH, die eigens für die Aufgabe gegründet wurde, die neue Gesundheitskarte einzuführen und die notwendige Technik bereitzustellen. Und die hat unter anderem einen alten Bekannten mit der Entwicklung neuer Lesegeräte beauftragt: T-Systems, eine Telekom-Tochter. T-Systems sorgte schon bundesweit für Schlagzeilen, weil das Unternehmen Probleme hatte, die Technik für das Mautsystem auf Autobahnen rechtzeitig bereitzustellen.
Ärger macht bei der neuen Technik vor allem der Datenschutz. Denn auf der Karte sollen höchst sensible Daten gespeichert werden: zum Beispiel Krankheitsdiagnosen und verschriebene Rezepte. Die Sicherheit der Daten können die Lesegeräte von T-Systems nun offenbar nicht gewährleisten, so geht aus dem Bericht der Süddeutschen hervor. Es fehlt eine Zulassung für die Kartengeräte. Ein Feldtest in Arztpraxen wurde durch die Gematik abgesagt.
Gut, dass es noch einen zweiten Anbieter von Lesegeräten gibt, der weniger Schwierigkeiten hat. Denn auch die Koblenzer Compugroup wurde mit der Entwicklung entsprechender Lesegeräte beauftragt, hat eine Zulassung für die Geräte und kann derzeit schon ausliefern. Derzeit ist die Compugroup der einzige Hersteller, bei dem die Ärzte das Pflichtgerät kaufen können – und kann allein den Preis diktieren. Von Juli an wollen die Krankenkassen den Ärzten 3055 Euro erstatten, wenn sie die entsprechende Technik kaufen.
Weiteres Unternehmen mit Kartenherstellung beauftragt
Auf T-Systems allein will sich die Gematik offenbar nicht mehr verlassen. Nach Informationen der Süddeutschen wurde ein weiteres Unternehmen mit dem Bau eines Lesegerätes beauftragt: die österreichische Firma Research Industrial Systems Engineering (RISE). Ziel sei es, dass die Firma bereits im Frühjahr liefern könne.
Eine Erfolgsgeschichte ist die elektronische Gesundheitskarte bisher nicht, immer wieder kommt es zu Problemen. Ihre Einführung ist bereits im Jahr 2002 angedacht gewesen, aber durch unterschiedliche Interessenparteien bis 2015 verhindert und verzögert worden. Zweck der Einführung: Durch das Passfoto sollte ein Missbrauch und die Mehrheitsnutzung erschwert werden. Allein bis zum Jahresanfang 2015 hat die eGK über 14 Milliarden Euro verschlungen: Angedacht waren ursprünglich nur eine Milliarde Euro. Nun will Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe auch elektronische Patientenakten etablieren, berichtet die Süddeutsche.